Volvo XC60 B4 Diesel AWD im 100.000-km-Test
Gefühlvoller SUV fast ohne Schwächen

Was gab es alles zu erleben für den XC60 aus Göteborg in zweieinhalb Jahren: 100.000 km, Marder, Räubersleute, alle Wetter, Heldentaten am Dreieck Salzgitter. Sonst hatte er keine Probleme? Das bewerten wir im Abschlussbericht.

Volvo XC60
Foto: Heinrich Lingner

Der große Knall? Auch für den sorgt der Volvo XC60 im Laufe des Dauertests. Bereits und exakt bei Zählerstand 16.240. Wobei – im übertragenen Sinn gelingt ihm das schon zuvor. Womit wir da anfangen können, als alles anfängt – bevor es beginnt nämlich, in Büro 408.

Denn auf die Frage, welche Motor- und Ausstattungsversion des XC60 sie für den Dauertest auserkoren habe, meint Volvos freundliche Pressestelle: "Ach, macht ihr doch mal." Also finden wir uns am Ressortbesprechungspult von Test- und Technik-Chef Jens Dralle ein. Alsbald entsteht auf dessen Bildschirmwand der Panorama-Ausblick auf unseren künftigen XC60. Den konfigurieren wir zusammen. Da wir es bei der 197-PS-Version des mildhybridisierten Zweiliter-Diesels belassen, klicken wir umso beherzter bei den Extras (wir zählen sie hier nicht auf, um Platz für anderes zu lassen, listen sie aber auf Seite 74). Deren Aufpreissumme addiert sich eilig auf 18.350 Euro – ein ziemlicher Knaller.

Unsere Highlights

Hochwertige Ausstattung

Volvo XC60
Hans-Dieter Seufert
Die womöglich größte Stärke des XC60 ist ein Gefühl des sicheren Wohlbehagens, das er mit seiner Volvoness und kuscheligen Stoff-Sportsitzen schafft.

Nach ein paar Monaten der Vorfreude rollt der XC60 im Herbst 2020 in unsere Tiefgarage, so prächtig, wie wir ihn uns erst zusammengestellt, dann erwartet hatten. Vieles von dem, was er da schon ist, wird er bleiben, obgleich er für die 100.000 km länger braucht als geplant. Auch den Terminplan seines Dauertests bremst Corona ein. So verbringt er rund zweieinhalb Jahre bei uns, wobei die Zeit an seiner hochwertigen Ausstattung, an Stoffpolstern, Holzeinlagen, Lederbespannungen oder Kunststoffverkleidungen, mit erstaunlicher Spurlosigkeit vorbeizieht. Wie es sich für einen wahren Volvo gehört, sind die ersten 100.000 wohl erst der Anfang vieler weiterer Kilometer.

Gleich findet er große Anhänger, also tatsächliche. Die 420-Nm-Wucht des Antriebs, tatkräftig inszeniert von der nicht überstürzt, doch stets treffsicheren Achtstufenautomatik, der trittfeste Allradantrieb und 2,4 Tonnen Zuglast bringen ihm unter den Caravanisten der Redaktion eine Favoritenrolle im Dauertest-Fuhrpark ein. Im Gespannbetrieb steigt der Verbrauch auf bis zu 13,5 l/100 km an. Wobei die Kollegen auch kleinere Kathedralen mit Deichsel und Tandem-Achse durch die Lande zerren. Über die ganze Distanz liegt der Durchschnittsverbrauch des von zwei in Reihe geschalteten Ladern aufgeplusterten und von einem 48-Volt-Mildhybrid per Riemenstarter mit 14 PS und 40 Nm unterstützten Diesels bei 8,3 l/100 km. Dazu kommen im Schnitt noch 0,23 l/100 km AdBlue. Dem spricht er so zu, dass am Schluss gut 390 Euro für den Harnstoff anfallen. Für die hohen Kraftstoffkosten sind die stark gestiegenen Dieselpreise verantwortlich.

Kleine Haken

Volvo XC60
Achim Hartmann
Neben dem Doppeldrück-Wählhebel liegt eine leistungsschwache Qi-Ladestelle.

Außer der ausklappbaren Anhängerkupplung hat der Volvo, wie sich zeigt, nur kleine Haken: Wirklich handlich rangiert er mit rund zwölf Metern Wendekreis nicht. Aufwand und -preis des Luftfahrwerks mit Adaptivdämpfung stehen nicht so recht im Einklang mit dem Ertrag, denn zur Flauschigkeit neigt das mitunter harsch ansprechende Set-up ebenso nie wie zum Hervorbringen von Handling- Vergnügen. Dann noch die Bedienung. Sagen wir es so: Für 100.000 km lohnt es, sich in sie einzuarbeiten. Selbst dann vertippt man sich mitunter in den verwinkelten Menüs des Touchscreens, vertapst sich in der fitzeligen Navigation oder fingert unverhofft eine Funktionsänderung auf den unbeschrifteten Lenkradtasten herbei.

Nun herbei mit Besonder- und Auffälligkeiten der Zeit. Den Auftakt dazu macht der Knall, der bei 16.240 km aus den Lautsprechern donnert. Danach herrscht Schweigen bei allen Audioquellen und der Freisprechanlage. Nach einer halben Stunde Pause samt Wagenverriegeln, auf dass er seine Systeme herunter- und wieder hochfahre: alles wieder gut.

Einmal kommt es zu Motoraussetzern. Doch, meine Damen und Herren Geschworenen, für diesen Zwischenfall ist nicht der Volvo zu verurteilen, sondern er (Kamera-schwenk auf einen Marder mit Kabelresten im Mundwinkel). Seine Bissspuren finden sich an den Kabeln des Abgasdrucksensors, des Luftmassensensors und der Motorabdeckung.

Auf den darauffolgenden Seiten des Fahrtenbuchs findet sich nur ein Disput darüber, ob die Vordersitze bequem oder doch etwas hart gepolstert seien. Bei Kilometerstand 31.392 schaltet der Motor auf der Rückfahrt von Riva kurz ins Notlaufprogramm, die Kontrollleuchte blinkt auf. Auch hier gesundet die Technik nach kurzer Zeit von selbst. Aber klar, bei der ersten Inspektion kurz darauf liest die Werkstatt den Fehlerspeicher aus, spielt eine ohnehin bereits programmierte neue Software auf. Läuft von da an.

Ungeplanter Werkstattbesuch

Volvo XC60
Auf der Bühne des Ingenieurs Struck ist Flugrost am Boden schnell entdeckt.

Die erste Inspektionsrechnung beträgt 367 Euro, samt frischem Öl und Pollenfilter. So günstig wird es nicht bleiben. Die zweite Inspektion kostet schon 599 Euro, die dritte, samt Bremsbelägen, 943 Euro. Da die Bremsscheiben noch einigermaßen okay sind, bleiben sie drauf – und kosten den XC60 viele Punkte. Denn 10.000 km später rubbeln sie so stark, dass der SUV kurz vor Schluss noch ungeplant zum Austausch in die Werkstatt muss.

Da zieht es ihn sonst nicht hin, aber er zieht einen hin. Als ein Renault Twingo (nicht "ein", "dein" Twingo, Sebastian, die Redaktion) auf der Jubiläumsreise zum 75. Geburtstag von auto motor und sport auf der Tour von Freiburg nach Sylt am Kreuz Salzgitter in eine Zahnriemenhavarie gerät, ist Fotograf Hans-Dieter Seufert da – wie die Kavallerie bei "Western von gestern". Der XC60 schleppt den Renault zur Werkstatt. Es sollte die letzte Fahrt meines Twingo sein, doch nie – das muss ich zugeben – fuhr dieses von einem langen Leben gezeichnete Auto bei mir besser.

Was sonst passiert ist? Da erscheinen uns schlierende Scheibenwischerblätter (89.303 km) etwas belanglos – im Vergleich zu: einem Verbrechen. Es geschieht in der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 2022. Da parkt der geschäftsreisende XC60 auf der Straße. Am Morgen findet ihn Redakteur Paul Englert ohne hinteres Kennzeichen vor. Wer, fragen wir uns, hat so einen Knall und klaut ein einzelnes Nummernschild? Ja nun. Es dauert jedenfalls einen Monat, bis alle Formalitäten mit Polizei, Versicherung und Zulassungsstelle geklärt sind. Dann erst darf K-PR 1052 als K-PR 1092 auf die letzten 25.000 km. Auch die sind nun vorbei. Wenngleich sich das ja für uns andeutete, fühlt es sich doch so an, als ginge der geschätzte XC60 jetzt Knall auf Fall.

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langstreckenbequemer Reisewagen
umfangreiche, eilfertige (zum Teil zu eilfertige) Assistenzausstattung
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harmonische Achtstufenautomatik
sehr gutes Matrix-LED-Licht
hohe Alltagstauglichkeit
dauerhaft hochwertige Material- und Verarbeitungsgüte
sehr gute Traktion
talentiertes Zugfahrzeug (750/ 2400 kg maximale Anhängelast)
Touchscreen-lastige, auch wegen unbeschrifteter Tasten am Lenkrad gewöhnungsbedürftige Bedienung
sehr umständliche Navi-Bedienung
trotz Luftfederung etwas harscher Federungskomfort
großer Wendekreis (11,9 Meter)

Fazit

Der 100.000-Kilometer-Dauertest war für den XC60 das, was er für einen fast 80.000 Euro teuren Volvo auch sein sollte: erst das Ende vom Anfang. So solide, modern und antriebsstark, wie er nach der Distanz und zweieinhalb Jahren ist, dürfte er noch lange durch die künftige Weltgeschichte fahren. Bis auf kleine Eigenheiten und einen ungeplanten Werkstattstopp brachte er die Distanz bestens hinter sind. Und durch die Geborgenheit, die den Schwedenstählernen so prägt, wuchs er zu einer besten festen Größe der Dauertestflotte – und für viele von einem Gefährt zum Gefährten.

Technische Daten
Volvo XC60 B4 Diesel AWD plus DarkVolvo XC60 B4 Diesel AWD Ultimate Dark
Grundpreis63.950 €71.500 €
Außenmaße4708 x 1902 x 1655 mm4708 x 1902 x 1655 mm
Kofferraumvolumen483 bis 1410 l483 bis 1410 l
Hubraum / Motor1969 cm³ / 4-Zylinder1969 cm³ / 4-Zylinder
Leistung145 kW / 197 PS bei 4000 U/min145 kW / 197 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit180 km/h180 km/h
Verbrauch5,5 l/100 km5,5 l/100 km