NHTSA ermittelt, „Takata-Desaster 2.0“ droht
Hersteller wehren sich gegen Airbag-Mega-Rückruf

Die NHTSA will einen Rückruf von 52 Millionen Autos wegen defekter Airbag-Gasgeneratoren anordnen. Auch deutsche Hersteller wären betroffen. Doch in der Autoindustrie formiert sich Widerstand gegen das Vorhaben.

Warnlicht Auto
Foto: Getty Images

Es ist noch nicht einmal sicher, ob das Rückruf-Desaster rund um den Airbag-Hersteller Takata ausgestanden ist, da bahnt sich bereits der nächste Airbag-Mega-Rückruf an. Wieder geht es um mehrere Millionen Autos. Und wieder geht es um fehlerhafte Gasgeneratoren in jenem Luftsack, der eigentlich Leben retten soll. Nur die Auslöser sind diesmal andere. Wie die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA bekannt gab, will sie einen Rückruf für insgesamt 52 Millionen Gasgeneratoren von Fahrer- und Beifahrer-Airbags der Zulieferer ARC Automotive und Delphi Automotive anordnen. Dies entspricht etwa 17 Prozent aller in den USA zugelassenen Kraftfahrzeuge.

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Eine Grundsatzentscheidung der NHTSA und des US-Verkehrsministeriums dazu sei bereits gefallen. Im Oktober 2023 fand eine öffentliche Sitzung statt, bei der die Rückrufaktion endgültig initiiert werden sollte. Allerdings ist dies bislang noch immer nicht offiziell passiert. Sollte die NHTSA ihre Entscheidung bestätigen, wären zwischen den Jahren 2000 und 2018 gebaute Autos von zwölf Herstellern betroffen. Darunter befinden sich die deutschen Marken BMW, Mercedes, Porsche und Volkswagen, aber auch internationale Hersteller wie Ford, General Motors, Hyundai, Kia, Maserati, Toyota und die Marken des Stellantis-Konzerns. Hinzu kommt Elektroauto-Pionier Tesla. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge geht es allein bei GM um mindestens 20 Millionen und bei Stellantis um mehr als 4,9 Millionen Fahrzeuge.

Freiwilligen Rückruf abgelehnt

Die entsprechenden Untersuchungen startete die NHTSA bereits 2016. Damals monierten die Sicherheitswächter Risse in den Gasgeneratoren, die beim Schweißen des Bauteils entstanden sein sollen. Der US-Behörde zufolge passte ARC im Januar 2023 seine Produktionsprozesse an, sodass später produzierte Airbag-Systeme nicht von dem Problem betroffen sein sollen. Trotzdem forderte die NHTSA den Zulieferer bereits im Mai 2023 zu einem freiwilligen Rückruf von zuvor installierten Airbag-Gasgeneratoren auf, den dieser jedoch ablehnte. Delphi ist ebenfalls Teil der Untersuchung, weil der Zulieferer bis 2004 etwa elf Millionen der beanstandeten Airbags im Rahmen einer Lizenzvereinbarung mit ARC fertigte.

Das technische Grundproblem scheint dasselbe zu sein wie einst beim Takata-Rückruf-Desaster. "Airbag-Gasgeneratoren, die beim Auslösen platzen, sind eindeutig fehlerhaft, da sie die Fahrzeuginsassen nicht so schützen, wie sie sollten, und selbst ein unangemessenes Risiko schwerer Verletzungen oder des Todes darstellen", teilte die NHTSA Anfang September 2023 mit. Letzteres ist dann der Fall, wenn wegen geplatzter Gasgeneratoren Metallsplitter durch den Innenraum geschleudert werden. Die Behörde bringt einen Todesfall und sieben Verletzungen mit dem Problem in Verbindung. ARC zufolge sei der von der NHTSA entdeckte Fehler bisher jedoch nicht als Ursache für das Problem bestätigt.

Autohersteller wehren sich

Wie der Zulieferer weisen alle betroffenen Autokonzerne die NHTSA-Aufforderung zurück. Die Maßnahme sei aus ihrer Sicht unangemessen, da die Risiken, die von dem technischen Fehler ausgehen, äußerst gering seien. General Motors, das bereits im Mai 2023 fast eine Million Fahrzeuge mit ARC-Airbag-Gasgeneratoren freiwillig zurückgerufen hatte, erklärte, dass die NHTSA bislang keinen Nachweis erbracht hätte, der eine solch "massive und beispiellose" Ausweitung der bestehenden Rückrufe rechtfertigen würde. Genau wie Konkurrent Stellantis nennt der Konzern die angedachte Aktion laut Reuters "willkürlich, unberechenbar und gesetzeswidrig". Auch Volkswagen sagt, dass eine begründete Grundlage fehle, Hunderttausenden von VW- und Audi-Fahrzeugen zurückzurufen.

Genau wie andere Autohersteller – zum Beispiel Mercedes und BMW – war General Motors bereits vom Takata-Rückruf betroffen. In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 67 Millionen Takata-Airbags in den USA und mehr als 100 Millionen Exemplare weltweit zurückgerufen. Dies gilt als größter Rückruf wegen Sicherheitsaspekten in der Automobil-Geschichte. Sollte es auch zum neuerlichen Airbag-Rückruf kommen, wäre das demnach die zweitgrößte derartige Aktion in der Historie der USA.

Hinweis: In der Fotoshow informieren wir Sie über die Geschichte des Airbags.

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Fazit

Airbag-Gasgeneratoren könnten erneut ein Auslöser für einen Mega-Rückruf werden. Wenn die NHTSA ihre Entscheidung bezüglich ARC und Delphi-Automotive bestätigt, müssen bald viele Millionen Autos in die Werkstätten, bei denen das Bauteil getauscht werden muss – allein in den USA. Ob das Thema auch internationale Dimensionen erreicht wie einst bei Takata, ist derzeit noch nicht bekannt.