Eco-Reifentest
Der beste Reifen fürs E-Auto

Inhalt von

Für niedrige Emissionen, geringen Energieverbrauch und damit hohe Reichweiten gilt es, den Roll- und Luftwiderstand besonders bei E-Autos weiter zu minimieren. Hier spielen die Reifen eine wesentliche Rolle. Was leistet die neueste Generation besonders rollwiderstandsarmer Gummis und kann man zu den Reifen der Verbrennerfraktion greifen? Wir ließen im Test Eco-Reifen gegen herkömmliche Pneus antreten.

VW E-Golf , Exterieur
Foto: Ingolf Pompe

Die Formel ist einfach: Weniger Reifenrollwiderstand bedeutet bei E-Autos weniger Stromverbrauch pro Kilometer und damit direkt mehr Reichweite. Das ist aber nicht so leicht zu erreichen, weil der Reifen neben geringen Fahrwiderständen gleichzeitig kurze Bremswege, lange Haltbarkeit oder guten Abrollkomfort bieten soll. Ein Zielkonflikt, den die meisten Automobilhersteller, besonders bei E-Modellen, vorrangig zugunsten des widerstandsarmen Abrollens entschieden haben.

Unsere Highlights

Welches ist der beste Reifen für Elektrofahrzeuge? Von den technischen Voraussetzungen sollte es einer der besonders rollwiderstandsarm konstruierten Eco-Leichtlaufreifen sein. Doch: Sind Premium-Sommerreifen der neuesten Generation nicht wesentlich fahrsicherer als die gerne auf E-Autos eingesetzten Eco-Produkte? Oder sind gar sportliche Breitreifen normaler Verbrennermodelle für die in der Regel etwas schwereren Elektromodelle eine Empfehlung wert?

Die besten Eco-Reifen im Vergleich

Volkswagen stattet den E-Golf werksseitig mit den gerade überarbeiteten Bridgestone T001 eco in der Dimension 205/55 R 16 aus. Diese Reifen tragen das Öko-Label „AB“. Gibt es Besseres? Wahrscheinlich, denn es befinden sich zwei weitere Reifenmodelle im Angebot, die sich mit dem mehr Sicherheit versprechenden „AA“-Label schmücken dürfen. Das sind die für E-Autos prädestinierten Leichtlaufreifen Continental EcoContact 6 und der neue Nokian eLine 2.

Was bedeuten diese Labelangaben? Wie von den Öko-Labels an Kühlschränken und Waschmaschinen bekannt, beschreiben die Buchstaben des Labels die Umweltfreundlichkeit, den Energieverbrauch genauso wie auch die Leistungsfähigkeit des Produkts. Bei Reifen steht der erste Buchstabe für die Energieeffizienzklasse und somit den Rollwiderstand des Reifens. Sie gibt an, wie hoch der Anteil des Reifens am Kraftstoffverbrauch und damit an den CO2-Emissionen ist. Der zweite Buchstabe beschreibt einen weiteren, äußerst wichtigen Kennwert eines Reifens – seine Haftung auf nassem Asphalt. Je besser, je kürzer wird der Bremsweg. So muss ein A-gelabelter Reifen aus Tempo 80 um drei Meter besser bremsen als ein Reifen der Labelgruppe B. Das klingt nicht viel, kann aber bei einem Auffahrunfall den Unterschied zwischen einer kleinen Beule und einem Totalschaden bedeuten.

Wie viel diese Labelangaben in der Praxis ausmachen, prüfen wir zunächst mit einer elektronischen Stromverbrauchsmessung bei einer Fahrt mit konstant 80 km/h. Damit Wind- und Fahrereinflüsse das Ergebnis nicht verfälschen, fahren wir, vom Tempomaten unterstützt, über 20 Kilometer auf einer Oval-Bahn mit zwei Steilkurven. In einem zweiten Versuch schicken wir den E-Golf auf einen simulierten Stadtkurs mit maximal 60 km/h. Im Fahrprogramm: Beschleunigungs- und Rekuperationsphasen, Ampelstopps und Abbiegesituationen. Darüber hinaus wurde der Stromverbrauch einzelner Produkte im Alltagsbetrieb auf Pendlerstrecken überprüft.

Das Ergebnis: Mit jeweils vollgeladenem Stromspeicher und 35,8-kWh-Speicherkapazität (abzüglich 10 % Reserve) kommt der Original-Bridgestone-bereifte E-Golf auf nachvollziehbare 234 Kilometer, mit Conti EcoContact 6 sind’s 228 Kilometer und auf Nokians neuem eLine 2 immerhin 226 Kilometer.

Das sind Reichweiten, die den guten Rollwiderstand des A-Labels bestätigen. Vorteile, die allerdings durch Zugeständnisse (siehe Tabelle auf vorhergehender Seite) an anderer Stelle erkauft werden müssen. Bei akzeptabel kurzen Bremswegen leiden dafür beispielsweise die Griffigkeit in Kurven und die Sicherheit bei Regen. Und auch beim Anfahren neigen die Sparmeister eher zum Durchdrehen. Das können heutige High-End-Sommerreifen aus dem sogenannten Premium-Segment besser.

Mehr Performance mit Premium-Reifen

Aus diesem Segment stellen sich zum Vergleich nun die beiden Besten – Nokians neuer Wetproof als auto motor und sport-Reifentestsieger 2019 und Contis brandneuer PremiumContact 6, beide „CA“-gelabelt. Wir erinnern uns: weniger auf Rollwiderstand, dafür mehr auf Nasshaftung optimiert. Tatsächlich kommt der E-Golf auf dem CA-Nokian nur noch 211 Kilometer weit, Conti-bereift nur 206 Kilometer. Dafür werden die Bremswege auf Nässe ein bis zwei Meter kürzer, die Aufschwimmgefahr bei Aquaplaning ist deutlich geringer, und das Fahrverhalten bei sportlicherer Fahrweise wird sicherer, präziser und verlässlicher.

Warum ist das so? Der Blick auf die Profiltiefen erklärt das schwächere Aquaplaning-Verhalten der rollwiderstandsoptimierten Pneus. Mit rund fünf Millimetern beim Bridgestone, rund sechs Millimetern beim Conti und rund sieben Millimetern beim Nokian sind sie von den fast acht Millimetern der Premiumliga weit entfernt. Doch wozu die geringere Profiltiefe? Da auch Gummi bei stetigem Verformen (Verlust-)Wärme entwickelt, ist es vorteilhaft, seine Beweglichkeit durch den Verzicht auf Einschnitte einzuschränken sowie die Menge an Gummi, die beim Abrollen permanent verformt werden muss, klein zu halten. Nicht umsonst sind Eco-Reifen rund ein Kilo leichter als die Premiumprodukte. Die so steiferen Profile zusammen mit der oft weniger traktionsstarken Gummimischungen bewirken allerdings, dass der hinten schwere E-Golf beim Anfahren an steilen Auffahrten schneller hilflos mit den Hufen scharrt.

Breitreifen für stabilere Fahrdynamik?

Sichere, sportliche Dynamik statt ultimativer Energieeffizienz? Auch das geht. Mit Breitreifen des Formats 225/45 R 17, hier wieder mit dem Testsiegerprofil Nokian Wetproof bestückt, fährt sich der schwere Stromer so direkt und sicher wie ein leicht beladener Verbrenner, überzeugt mit kürzesten Bremswegen auf nassem und trockenem Asphalt, sicherem Kurvenhandling und überragender Traktion. Als Nachteil schwimmt der Golf, bedingt durch die größere Reifenbreite, im Aquaplaning-Test schon bei etwas geringeren Geschwindigkeiten auf, auch seine Energieeffizienz wird schlechter. Das ist im direkten Vergleich deutlich spürbar: Beim Fahren gibt es merklich weniger Segelphasen, in denen das Fahrzeug frei und antriebslos rollen kann. Auch die Möglichkeiten, durch Rekuperation Energie in den Akku zurückzuholen, sind seltener. Die Reichweite fällt: Statt der rund 230 Kilometer Reichweite der Eco-Reifen und der rund 210 Kilometer der Premiumprodukte müssen für die Dynamik der 225er-Breitreifen weitere zehn Kilometer geopfert werden.

Mehr Sicherheit und Dynamik – das gilt für E-Fahrzeuge wie für Verbrenner, ist offensichtlich nur durch höheren Energieeinsatz zu haben.

Bridgestone Turanza T001 eco

 Sehr niedriger Rollwiderstand
 Günstiger Verbrauch
 Hohe elektrische Reichweite
 Sichere Längsdynamik trocken
 Stark eingeschränkte Nässeeigenschaften
 Schwacher Aquaplaning-Schutz
 schlechte Nasshaftung
 schwache Trockentraktion
 instabiles Handling


Fazit: Eempfehlenswert (7,4 Punkte)

Continental EcoContact 6

 Niedriger Rollwiderstand
 Hohe Reichweite
 Zufriedenstellende Trockendynamik
 Sicheres Nassbremsen
 Wenig ausgewogenes und lastwechselempfindlich im Nasshandling
 Verbesswerungswürdiger Aquaplaning-Schutz


Fazit: Empfehlenswert (7,7 Punkte)

Nokian eLine 2

 Niedriger Rollwiderstand
 Hohe Reichweite
 Ausgewogener und zufriedenstellend sicherer Fahrbarkeit nass und trocken
 Keine ausgeprägten Schwächen
 Etwas träges Lenkansprechen


Fazit: Empfehlenswert (7,3 Punkte)

Nokian Wetproof (225er)

 Sehr guter Sicherheit nass
 Überragende Dynamik auf trockenen Straßen
 Im Alltagsbetrieb nur leicht spürbarer Rollwiderstandsnachteil
 Der Preis für den überragenden Grip und das stabile, direkte Fahrverhalten sind rund 30 km weniger Reichweite
 Breitenbedingt etwas pfützenempfindlich

Fazit: Sehr empfehlenswert (8,8 Punkte)

Continental PremiumContact 6

 Bei kürzesten Bremswegen auf nassen und trockenen Strecken sehr sicherer und leicht beherrschbarer Reifen
 Dezent sportliche Ausprägung
 Der überragende Nassgrip fordert Tribut im Rollwiderstand und damit in der Reichweite.
 Schwach im Aquaplaning


Fazit: Sehr empfehlenswert (8,9 Punkte)

Nokian Wetproof (205er)

 Auf nassen und trockenen Strecken sicherer
 Leicht beherrschbarer Reifen
 Etwas träge Lenkreaktion
 Erhöhter Rollwiderstand


Fazit: Sehr empfehlenswert (8,0 Punkte)

Die ausführliche Ergebnistabelle finden Sie in der Bildergalerie.

So haben wir getestet

Reifentests auf E-Fahrzeugen fordern neben ausgeklügelter Logistik auch die Leidensfähigkeit des Testteams heraus. Energiehungrige Komfortverbraucher wie Heizung und Klima sind während der Tests tabu. Gewertet wird nach einem eher reichweitenorientierten Testschema.

Was bringen extraschmale Reifen?

Diese besonders schmalen und schlanken Reifen (Tall & Narrow) wurden zunächst für reine Elektrofahrzeuge wie den BMW i3 oder den Mitsubishi i-MiEV entwickelt, kommen aber auch – in etwas anderen Größen – etwa am Renault Scénic zum Einsatz. Wie die schmalen Hochdruckreifen eines Rennrads werden sie beim Abrollen auf der Straße nicht so stark verformt und fressen dadurch weniger Energie. Die geringere Breite sorgt für kleineren Luftwiderstand. Die Kombination beider Effekte soll den Stromverbrauch vermindern und die Reichweite erhöhen.

Bridgestone Ecopia EP 500
Ingolf Pompe
Bridgestone Ecopia EP 500, Preis pro Reifen: 144 Euro, Fazit: Nicht Teil der Wertung (6,7 Punkte).

Wie aber steht es um die Fahrsicherheit? Obwohl nicht für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen, haben wir die Gelegenheit genutzt, sie am E-Golf auf dem abgesperrten, nicht öffentlichen Testgelände mit dem übrigen Testumfeld zu vergleichen. Tatsächlich schaffen es die nur 155 Millimeter schmalen Bridgestone Ecopia auf den trennscheiben- schmalen 19-Zoll-Felgen, gegenüber dem besten 205er Eco-Reifen nochmals fünf weitere Kilometer Reichweite herauszukitzeln. Der Preis dafür sind ein in Kurven schwammiges und indirektes Fahrverhalten, lange Bremswege und durch schwächeren Grip merklich eingeschränkte Fahrsicherheit. Lediglich im Aquaplaning schneiden die Ecopia naturgemäß wie Messer durchs Wasser und entsprechend gut ab.

Sicher stromern auch im Winter

Sicher fahren im Winter, das geht auch bei E-Autos nur mit angepasster Bereifung. Fakt ist, dass speziell rollwiderstandsoptimierte Reifen unter winterlichen Bedingungen dazu neigen, nicht nur auf verschneiten oder eisigen Fahrbahnen, sondern insbesondere auch auf nassem, kaltem Asphalt gravierende Schwächen aufzuweisen. Gute Traktion ist auch deswegen besonders wichtig, da die meisten E-Modelle an der nicht angetriebenen Achse die hohe Last der Batterie tragen müssen und auch bei Kurvenfahrt oder bei Ausweichmanövern hier auf sicheren Grip und stabile Seitenführung angewiesen sind.

Reifentest, Schnee
Dino Eisele
Haftung vor Reichweite: Rollwiderstandsoptimierte Winterreifen gibt es nicht.

Wie aber sieht es bei Winterreifen mit dem die elektrische Reichweite maßgeblich bestimmenden Rollwiderstand aus? Die Reifenlabels in der für den E-Golf empfehlenswerte Größe 205/55 R 16 91 H geben einen ersten Hinweis: Die besten Reifen im Segment sind hier „CA“ oder „CB“ gelabelt. Die notwendige größere Profiltiefe bei Winterreifen, die Grip-steigernde Lamellierung und die gegenüber Sommerreifen weichere Mischung des Reifengummis wirken sich negativ auf den Rollwiderstand und damit auf die Reichweite aus. Im Fall des E-Golf würde sie sich auf rund oder unter 200 Kilometer reduzieren. Weiter reichweitenmindernd wirkt sich im Winter der Energieaufwand für Heizung und Lüftung aus, Effekte, die wir bei unseren Tests im Sommer durch konsequentes Abschalten der Klimatisierung konsequent ausgeblendet haben.

Natürlich gibt es auch bei Winterreifen – das zeigte der letzte auto motor und sport-Winterreifentest – deutliche Unterschiede im Rollwiderstand. Für den E-Golf ist wie auch für seine Verbrennerbrüder die Dimension 205/55 R 16 zu empfehlen. Die vier besten Winterreifen des Tests waren Conti TS 860, Goodyear Ultragrip 9, Nokian WR D4 und der Hankook i*cept RS 2. Den geringsten Rollwiderstand der vier hatte dabei mit Abstand der Nokian.

Fazit

30 Kilometer mehr Reichweite oder ein drei Meter kürzerer Nassbremsweg? Es ist die Wahl zwischen ankommen oder schneller zum Stehen kommen. Ein zu langer Bremsweg kann ins Blech gehen oder Personenschäden hervorrufen. Wir würden uns angesichts der Ergebnisse des Tests für einen guten Standardreifen aus dem Premiumsegment entscheiden – schon heute ein ausgewogener Kompromiss zwischen Sicherheit und Effizienz.