Dieselskandal-Prozess in München
Stadler und Hatz verurteilt, Revisionen angekündigt

Zweieinhalb Jahren dauerte der Prozess gegen Rupert Stadler und Wolfgang Hatz in Sachen Diesel-Skandal vor dem Landgericht München II. Am Dienstag (27.6.2023) hatte das Gericht die geständigen Angeklagten verurteilt. In beiden Fällen wurde aber mittlerweile Revision beantragt.

Rupert Stadler
Foto: Archiv

Mitte Mai 2023 hatte Ex-Audi-Chef Rupert Stadler im Prozess um manipulierte Abgaswerte von Dieselmotoren ein Geständnis abgelegt. Das Landgericht München stellte ihm daraufhin bei gleichzeitiger Zahlung von 1,1 Millionen Euro eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren in Aussicht, auch die Staatsanwaltschaft hatte zugestimmt. Entsprechend fiel das Urteil aus: Das Gericht verurteilte Stadler zu 1 Jahr und 9 Monate auf Bewährung.

Der Vorwurf gegen Stadler lautet, dass er den Verkauf von manipulierten Autos bis 2018 hat weiterlaufen lassen, obwohl er längst von den illegalen technischen Eingriffen wusste. Konkret werfen die Staatsanwälte dem ehemaligen Automanager vor, "spätestens ab Ende September 2015 von den Manipulationen Kenntnis gehabt und gleichwohl weiter den Absatz von betroffenen Fahrzeugen der Marken Audi und VW veranlasst beziehungsweise den Absatz nicht verhindert zu haben". Er selbst hatte immer angegeben, dass ihn seine Techniker hintergangen hätten.

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Haftstrafe für Hatz gefordert

Am 25. April 2023 hatte bereits der Mitangeklagte Wolfgang Hatz, ehemaliger Motorenchef und Porsche-Vorstand, im selben Prozess gestanden und sein Fehlverhalten zugegeben. Er ließ vor Gericht von seinem Verteidiger erklären, es sei zutreffend, dass er mit zwei weiteren Mitarbeitern die Installation der verbotenen Steuerungs-Software veranlasst habe. Er habe "erkannt und hingenommen", dass diese in Deutschland als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt werden und in den USA gegen das dort geltende Recht verstoßen könne.

"Das ist eine Wende", kommentierte damals Richter Stefan Weickert Hatz' Geständnis, ohne jedoch konkret zu erklären, wie sich das auf das Strafmaß auswirken könnte. Im Raum standen seinerzeit eine Bewährungsstrafe zwischen 18 und 24 Monaten sowie eine Geldbuße von 400.000 Euro. Der Staatsanwaltschaft ist diese Strafe aufgrund des späten Zeitpunkts des Geständnisses jedoch zu gering. Sie fordert für Hatz drei Jahre und zwei Monate Haft ohne Bewährung. Betrug kann mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden; in schweren Fällen können es bis zu zehn Jahre sein. Das sah das Gericht anders. Der frühere Porsche-Vorstand erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe und muss 400.000 Euro Bußgeld zahlen.

Revision in beiden Fällen

Das Urteil ist in beiden Fällen allerdings noch nicht final. Anfang Juli hat Stadler überraschend Revision gegen das Urteil eingelegt. Im Fall von Wolfgang Hatz hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. In beiden Fällen hat die Strafkammer bis zum 9. April 2024 Zeit für die schriftliche Urteilsbegründung. Erst nach der Zustellung des Urteils haben die Verteidiger und die Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Revisionsbegründung. Und auch erst dann werden die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

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Mit dem zuvor bereits geständigen Ingenieur Giovanni P. hatte sich das Gericht auf eine Bewährungsstrafe zwischen 18 und 24 Monaten sowie eine Geldauflage von 50.000 Euro verständigt. Diesem Vorschlag folgt die Staatsanwaltschaft. Allerdings ist auch dieses Urteil noch nicht final. Die Anwälte von P. sagten, sie hätten aus rein formalen Gründen zur Wahrung der Frist Revision eingelegt. Das Verfahren gegen Abgastechniker Henning L. wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Im Verlauf des Prozesses kamen die Richter zur Einschätzung, dass es sich bei den Motorentypen samt Motorsteuerungs-Software, um die sich der Dieselskandal dreht, um unzulässige Abschalteinrichtungen handelt. Das Gericht geht davon aus, dass die drei im Prozess angeklagten Ex-VW-Mitarbeiter Hatz, Giovanni P. und Henning L. die Ausgestaltung der Software veranlasst haben. Dabei hätten sie laut einer Stellungnahme des Gerichts zumindest die Möglichkeit erkannt und hingenommen, dass Fahrzeuge mit einer Software zur Steuerung des Emissionskontrollsystems unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Union ausgestattet würden.

Anklage 2019, Prozessbeginn 2020

Die Staatsanwaltschaft München hatte bereits im Sommer 2019 Anklage gegen Rupert Stadler erhoben, der Prozess begann im Sommer 2020. Der inzwischen 60-jährige Stadler wurde im Juni 2018 verhaftet und saß wegen des Betrugverdachts und Verdunkelungsgefahr vier Monate in Untersuchungshaft im Gefängnis Augsburg-Gablingen. Ende Oktober 2018 wurde der Haftbefehl gegen ihn ausgesetzt, obwohl der Tatverdacht der Verdunkelungsgefahr weiterhin bestand. Er durfte zwar gegen Kaution in unbekannter Höhe die U-Haft verlassen, allerdings verhängte das Gericht eine Kontaktsperre zu Beteiligten am Dieselskandal.

Mit einer knappen Erklärung verabschiedete sich der Volkswagen-Konzern 2018 von Rupert Stadler. Der Ex-Audi-Chef und VW-Vorstand, seit 1990 im Konzern tätig, scheide "mit sofortiger Wirkung aus dem Unternehmen aus und ist nicht mehr für den Volkswagen-Konzern tätig", teilte Volkswagen damals mit. Die Begründung folgte im nächsten Satz: "Hintergrund ist, dass Herr Stadler aufgrund seiner andauernden Untersuchungshaft nicht in der Lage ist, seine Aufgaben als Mitglied des Vorstands zu erfüllen und sich stattdessen auf seine Verteidigung konzentrieren will." Die vertragliche Abwicklung sei an den Verlauf und den Ausgang des Strafverfahrens geknüpft. Vier Sätze reichten Volkswagen, die Karriere des einstigen Piech-Büroleiters zu beschreiben.

Abgehörte Telefonate

Ermittler hatten laut "Süddeutscher Zeitung" sieben Tage vor und nach der Razzia in Stadlers Privatwohnung am 11.6.2018 dessen Telefonate abgehört. Nach Recherche der Bild-Zeitung sprach der Audi-Chef mit anderen im Diesel-Abgasskandal Beschuldigten. In den nächsten Tagen solle er sich mit Mitarbeitern verabredet haben, die ihm im Dezember 2015 über den Diesel-Skandal informiert hatten, so das Blatt. Die Süddeutsche, der NDR sowie der WDR berichteten zudem, Stadler habe in einem Telefonat erwähnt, er überlege einen Angestellten beurlauben zu lassen. Dieser soll gegenüber den Ermittlern zur Abgasaffäre ausgesagt haben und zur Diesel-Task-Force des Konzerns gehören, die intern herausfinden soll, welche Audi-Fahrzeuge mit illegaler Abgasreinigung ausgerüstet waren. Der Mitarbeiter habe ausgesagt, dass er wegen einer Weisung des Vorstands Kollegen, die für die Abgasmanipulationen verantwortlich gewesen sein sollten, nicht befragen durfte.

Ferdinand Piech
VW
Der ehemalige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech.

Rupert Stadler, in der Branche auch "Teflon-Stadler" genannt, hatte sich in der Abgasaffäre als zweitwichtigster Mann im Konzern lange auf seinem Posten halten können, während um ihn herum VW-Manager wie Martin Winterkorn und dessen Nachfolger Matthias Müller ihre Posten räumen mussten. Trotz aller Vorwürfe gegen ihn hielt Aufsichtsratsboss Hans Dieter Pötsch immer an Stadler fest, auch weil die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch zu Stadler standen. Hintergrund dürfte sein, dass Rupert Stadler 1997 Büroleiter des VW-Patriarchen Piëch wurde und in dieser Zeit tiefe Einblicke in die Macht-Strukturen des Wolfsburger-Konzerns erhielt. Darüber hinaus leitete er Teile der Stiftungen der Familie Piëch und avancierte damit zu einer Art persönlicher Vermögensverwalter.

Stadler tief im VW-Konzern verwurzelt

Rupert Stadler wurde am 17. März 1963 im oberbayerischen Tittingen geboren. Er wuchs als Sohn eines Landwirts auf und studierte in Augsburg BWL mit Schwerpunkt Unternehmensplanung und Controlling. 1990 übernahm er die Leitung des Controllings bei Audi, stieg 1994 zum kaufmännischen Geschäftsführer von VW-Audi in Spanien auf und wurde Ende 2006 zum Vorstandsvorsitzenden der Audi AG ernannt. Er folgte auf Martin Winterkorn, der den Chef-Posten bei VW übernahm. Stadler war ebenfalls Vorstandsmitglied der VW AG sowie Aufsichtsratsmitglied der Porsche Holding, Präsident des Verwaltungsrates von Lamborghini und der VW Group Italien, Aufsichtsrats-Mitglied der MAN Truck & Bus AG sowie MAN SE, Verwaltungsratsmitglied von Italdesign und Mitglied des Aufsichtsrates des FC Bayern München. Stadler ist verheiratet und hat drei Kinder.

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Fazit

Der Dieselskandal-Prozess um Rupert Stadler und Wolfgang Hatz schien mit den Urteilen vom 27.6.2023 beendet zu sein. Beide hatten gestanden und sich auf Deals eingelassen. Wenige Tage später kündigen die Anwälte von Stadler an, in Revision gehen zu wollen. Im Fall Hatz beschreitet die Staatsanwaltschaft diesen Weg. Ein rechtskräftiges Urteil ist damit in beiden Fällen wieder in weite Ferne gerückt.

Am härtesten hat es bisher Ex-VW-Ingenieur Oliver Schmidt getroffen: Bei einer Einreise in die USA hatten ihn die dortigen Behörden verhaftet, ein Bundesgericht in Detroit verurteilte Schmidt zu sieben Jahren Gefängnis, von denen er fast drei Jahre in den USA und drei weitere Monate in Deutschland absitzen musste. Schmidt hat ein Buch mit seiner Sicht auf den Dieselskandal angekündigt.