Infrastruktur und Sicherheit auf Autobahnen
Alles blumig auf unseren Straßen?

Diese Frage ist mit einem klaren Jein zu beantworten, wenn es um die Sicherheit und den Zustand unserer Verkehrswege geht. Ein Lagebericht zum Thema Infrastruktur und Straßenzustände.

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Foto: Matthew J. Thomas

Hoher Lebensstandard, weltweit das viertgrößte Bruttoinlandsprodukt, starke Industrie und eine Automobilbranche als Juwel darin – Deutschland spielt in vielen Bereichen ganz weit oben mit. Versteht sich von selbst, dass das auch im Hinblick auf unsere Infrastruktur gilt. Oder eher gegolten hat? Mal Hand aufs Herz: Verkehrschaos hier, Schlagloch dort, teils heikle Situationen zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmern – wer durch die Straßen hierzulande fährt oder läuft, gewinnt mittlerweile oft den Eindruck, als sei alles gar nicht so rosig. Wie steht es tatsächlich um die Infrastruktur, deren Zustand, und worauf kommt es dabei an? Und überhaupt: Wer kümmert sich eigentlich um diese Chose und wie?

Rücksicht hat Vorfahrt

Nun, wie bei so vielen administrativen Dingen in Deutschland liegt die Verantwortung in Sachen Straßenbau und Infrastruktur bei unterschiedlichen Institutionen, den sogenannten Straßenbaulastträgern. Je nach Straße handelt es sich dabei um die Behörden der Gemeinden, der Kreise, der Länder oder bei Bundesstraßen und -autobahnen um den Bund. Ob Autobahnnetze, Land- oder Innerortsstraßen, städtische Kreuzungen oder Dorfgassen – die Institutionen sind in der Pflicht, alles funktional sinnvoll und sicher zu planen. Und zwar für jeden.

Was das heißt? "Die Infrastruktur innerhalb von Städten und Kommunen sollte widerspiegeln, dass der Mensch alle drei Formen der Teilnahme am Verkehr nutzt; er ist Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer und noch mehr", erklärt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR).

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Durchgängige Verkehrsanlagen machen Fahrradwege sicherer.

Wichtig sei zudem, dass Menschen sich unabhängig vom Verkehrsmittel sicher fühlen und sich auch in andere Verkehrsteilnehmer einfühlen können. "Eine gute Infrastruktur sollte selbsterklärend sein. Autofahrende müssen stets wissen, wie sie sich verhalten müssen und wie schnell sie fahren dürfen", so der DVR. Radfahrer etwa bräuchten mehr durchgängige Verkehrsanlagen, Fußgänger vor allem Bewegungsspielraum und genügend sichere Fahrbahnquerungsstellen.

So weit alles nachvollziehbar. Die Tatsache, dass es dabei oft zu Konflikten kommt, aber auch. "Die drei Verkehrsarten haben verschiedene Bedürfnisse und unterschiedliche Geschwindigkeiten. Möchte man den Verkehrsraum allen gleich zur Verfügung stellen, ist es sinnvoll, gemäß §1 StVO gegenseitig Rücksicht zu nehmen und ggf. Geschwindigkeiten zu harmonisieren – gerade dort, wo eine bauliche Trennung der Verkehrsarten nicht möglich ist", so der DVR.

In der Praxis bleibt nur, den besten Kompromiss zu finden. Eine komplexeAngelegenheit, zumal es laut DVR – vor allem innerstädtisch – an Raumangebot zur Schaffung getrennter Verkehrsräume mangelt. Dennoch die Belange aller unter einen Hut zu kriegen: eine Riesenherausforderung.

Oberste Prämisse der Behörden sei immer die Sicherheit. Zur Planung von entsprechenden Verkehrsstrukturen stehen den Verantwortlichen zentrale Regelwerke zur Verfügung – herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Das sind zum Beispiel die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt (für Ortslagen), die Richtlinien für die Anlage von Landstraßen RAL (für Außerortsstraßen) oder auch die Richtlinien für die Anlage von Autobahnen RAA.

Einfluss nehmen aber nicht nur die FGSV-Statuten. Verkehrssicherheitsthemen werden im Rahmen der Europäischen Union ganzheitlich besprochen und untersucht. So zieht auch die Forschung Beispiele aus anderen Ländern hinzu und macht sich deren Erfahrung zunutze. Die Ergebnisse finden sich im deutschen Regelwerk wieder, so der DVR.

Straßenzustand oft marode

Eine sinnvoll geplante Infrastruktur ist hinsichtlich der Verkehrssicherheit allerdings nur die halbe Miete. Mindestens so wichtig ist der Straßenzustand an sich. Und da hapert es teils gewaltig: "In Deutschland besteht insgesamt ein enormer Sanierungs- und Modernisierungsbedarf bei der Verkehrsinfrastruktur (Straße, Schiene, Wasserstraßen). Bei der Straßeninfrastruktur sind neben den Fahrbahnen vor allem auch zahlreiche Brückenbauwerke in einem maroden Zustand, der keinen zeitlichen Aufschub mehr duldet", stellt der ADAC klar. "Die Autobahnstrecken (ohne Berücksichtigung des Zustands der Brücken) dürften bezüglich des Fahrbahnzustands insgesamt noch am besten abschneiden vor den Bundesstraßen." Gerade auf den Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen gebe es zahlreiche Abschnitte, die sich in einem nur mehr ausreichenden oder ungenügenden Zustand befinden.

Beispiel Bayern: Dem ADAC zufolge sind 19 Prozent der dortigen Staatsstraßen gerade noch ausreichend in Schuss, 36 Prozent sogar ungenügend. Auch auf Nordrhein-Westfalens Landesstraßen sieht es fatal aus. Insgesamt nur ein Drittel davon gelten als sehr gut oder gut. In schlechtem Zustand befinden sich hier 23 Prozent, ganze 35 Prozent gelten als sehr schlecht.

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Laut ADAC wurden im Jahr 2019 knapp 4,5 Milliarden Euro allein für den Erhalt, die Sanierung und Modernisierung der Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen) ausgegeben.

Wie solche Gutachten zustande kommen? Auf Autobahnen und Bundesstraßen zum Beispiel analysiert die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mit speziellen Messfahrzeugen alle vier Jahre die Fahrbahnen. Ziel ist eine für Deutschland netzweite Zustandserfassung und -bewertung. Im Zuge derer werden zwei Werte ausgewiesen: Der sogenannte Gebrauchswert setzt sich aus der Griffigkeit sowie aus den Längs- und Querebenheitsmerkmalen zusammen und beschreibt vor allem Fahrsicherheit und -komfort. In den Substanzwert fließen bauliche Kriterien wie Risse, Ausbrüche, Spurrinnen und Flickstellen ein. Er spiegelt den Oberflächenzustand wider. Die Bewertung erfolgt in fünf Stufen.

Ordentlich schnitten laut den Ergebnissen des Verkehrsinvestitionsberichts 2019 erwartungsgemäß Deutschlands Autobahnen ab. So brachten es 77 Prozent der Strecken auf einen sehr guten beziehungsweise guten Gebrauchswert. Bei den Bundesstraßen waren es 71 Prozent. Als befriedigend erwiesen sich 17 Prozent der Autobahn- und 26 Prozent der Bundesstraßenstrecken.

Und dennoch: Bei rund fünf Prozent an Autobahnabschnitten war der Zustand nur mehr ausreichend. Hier bedarf es intensiver Beobachtung und vorrangiger Planung von Verbesserungsmaßnahmen, was übrigens auch für 12,7 Prozent der Strecken auf Bundesstraßen gilt.

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Stellen Kommunen Straßenschäden in ihrem Zuständigkeitsbereich fest, warnen Schilder Autofahrer vor Rissen und Schlaglöchern in der Fahrbahn.

Bei einem kleinen Autobahnanteil von einem Prozent sah es richtig böse aus. Gebrauchswert: ungenügend. Als Konsequenz wird die Einleitung von verkehrsbeschränkenden oder baulichen Maßnahmen geprüft. Bei den Bundesstraßen lag der Streckenanteil, auf den dies ebenfalls zutraf, mit 2,5 Prozent etwas höher.

Der Substanzwert, also der bauliche Zustand, ließ bei den Autobahnen mehr zu wünschen übrig: 6,5 Prozent aller Streckenabschnitte auf Bundesautobahnen haben den Warnwert von 3,5 (nur mehr ausreichender Zustand) überschritten und werden intensiv beobachtet. Dasselbe gilt in Bezug auf 13 Prozent der Bundesstraßenstrecken. Mit "ungenügend" schnitten knapp elf Prozent der Autobahnstrecken ab. Und bei den Bundesstraßen ist der Anteil an Abschnitten, für die die Durchführung von verkehrsbeschränkenden oder baulichen Maßnahmen geprüft werden muss, mit 18 Prozent noch größer.

Hoher Investitionsbedarf

Übrigens: Dem ADAC zufolge sind oft nicht nur die Fahrbahnoberflächen, sondern auch die darunterliegenden Schichten zerrüttet. Eine simple Asphaltsanierung genügt dann nicht. Hier stehen wesentlich aufwendigere und teurere Grunderneuerungen des ganzen Straßenoberbaus an.

Allgemein beansprucht die Verbesserung der Straßenzustände ein pralles Investitionsvolumen. Dem ADAC zufolge wurden im Jahr 2019 knapp 4,5 Milliarden Euro allein für den Erhalt, die Sanierung und Modernisierung der Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen) ausgegeben. In den kommenden Jahren brauche es dafür rund 4,7 Milliarden Euro pro Jahr – ohne die zusätzlichen Kosten für Neu- und Ausbauvorhaben, wohlgemerkt. Und die Baupreissteigerungen gilt es auch noch zu berücksichtigen.

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Für den Erhalt, die Sanierung und Modernisierung der Bundesfernstraßen ist mit Kosten in Höhe von 4,7 Milliarden Euro pro Jahr zu rechnen.

Bis an entsprechenden Stellen gehandelt wird, bleibt dem Autofahrer nur, die Fahrweise bei Straßenschäden an die Verhältnisse anzupassen – sprich, vor allem die Geschwindigkeit zu reduzieren, um Fahrzeug- oder gar Personenschäden zu vermeiden. Falls es dazu kommt, checken Sie am besten die Rechtslage. Wann Entschädigungen möglich sind, lesen Sie im Kasten links. Außerdem empfiehlt es sich, Straßenschäden zu melden. So trägt man zumindest einen kleinen Teil dazu bei, dass Schlaglöcher und Co. nicht wie Unkraut wuchern – und stattdessen unsere Straßenqualität wieder mehr aufblüht.

Wann werden Autofahrer entschädigt?

Erleidet ein Kraftfahrer nach dem Durchfahren eines Schlaglochs einen Fahrzeugschaden, so kann ihm laut ADAC ein Schadensersatzanspruch zustehen. Adressat ist zumeist der sogenannte Straßenbaulastträger, zum Beispiel die für eine Straße zuständige Gemeinde.

Nach der Rechtsprechung hat der Verkehrssicherungspflichtige den Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten und sich aus der Beschaffenheit eines Verkehrsweges nicht ohne Weiteres ersichtlichen Gefahrenstellen zu bewahren oder zumindest davor zu warnen. Eine Haftung des Verantwortlichen ergibt sich dann, wenn durch den Verkehrssicherungspflichtigen erforderliche und zumutbare Maßnahmen schuldhaft unterlassen wurden und der Schaden hierdurch entstanden ist. Zunächst trifft den Verkehrssicherungspflichtigen eine relativ weit reichende Kontrollpflicht der Straßen. Der Umfang der Kontrollpflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Verkehrsbedeutung der Straße.

Auf viel befahrenen Straßen müssen die Kontrollen mehrmals wöchentlich, unter Umständen sogar täglich erfolgen. Auf weniger befahrenen und verkehrsunwichtigen Straßen reicht gegebenenfalls eine einmalige Kontrollfahrt pro Woche oder alle paar Wochen aus. Die Verkehrsbedeutung der Straße ist im Einzelfall festzustellen.

Wird bei der Kontrolle eine gefahrenträchtige Beschädigung des Fahrbahnbelags festgestellt, muss umgehend gehandelt, d. h. die Beschädigung behoben werden. Je nach Einzelfall kann aber zunächst eine Beschilderung (Warntafel und/oder Geschwindigkeitsbegrenzung) ausreichend sein.

Ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten kann bei Mitverschulden ganz oder teilweise entfallen, zum Beispiel wenn die Schlaglöcher gut erkennbar waren. Ein Kraftfahrer darf nicht generell davon ausgehen, dass der Fahrbahnbelag in Ordnung und ohne Schäden ist. Dies gilt insbesondere für Straßen mit untergeordneter Verkehrsbedeutung. Im Gegensatz hierzu darf der Kraftfahrer auf Straßen mit hoher Verkehrsbedeutung (z. B. Autobahnen) erwarten, dass keine erheblichen Vertiefungen bestehen, die geeignet sind, Fahrzeuge zu beschädigen.

So ermittelt der Bund Straßenzustände

Alle vier Jahre fahren Spezialfahrzeuge mit einem multifunktionalen Erfassungssystem zur Fahrbahnoberflächen-Analyse durch ganz Deutschland. Ziel: die Erfassung von Straßenschäden.

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BASt
Erfassung der Querebenheit mit Laserscanner (rote Linien) und des Oberflächenbildes mit Zeilenkameras (graue Dreiecke).

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ermittelt mithilfe eines speziellen Messfahrzeuges den Straßenzustand auf Autobahnen und Bundesstraßen. Dabei erfasst es die Längs- und Querebenheit durch Lasersensoren sowie das Oberflächenbild mithilfe von sogenannten Zeilenkameras. Anhand der Oberflächenbilder werden die Substanzmerkmale für die unmittelbar an der Oberfläche sichtbaren Schäden, wie Risse und Flickstellen für Asphaltbauweisen beziehungsweise Längs- und Querrisse, Kantenschäden und Eckabbrüche für Betonbauweisen, ermittelt. Diese Daten bilden die Grundlage für die Zustandsbewertung der Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland.

Helfen Sie mit! Straßenschäden online melden

Wer als Verkehrsteilnehmer ein Schlagloch oder Risse im Asphalt entdeckt, muss nicht darauf warten, dass die Behörden darauf aufmerksam werden und den Schaden beheben. Einige Bundesländer, aber auch Städte und Kommunen bieten mittlerweile Online-Tools für diese Angelegenheit. Mithilfe von Smartphone-Apps, wie etwa der vom ADAC, lässt sich der Schaden noch einfacher melden. Die Anbieter versprechen in dem Fall eine schnellstmögliche Weiterleitung an die zuständige Behörde.