ZDK-Präsident Jürgen Karpinski im Interview
„Die Lage ist sehr angespannt“

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Das Interesse an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben steigt. Doch im Handel läuft längst nicht alles rund. Jürgen Karpinski, Präsident Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), spricht über aktuelle Verkaufsentwicklungen, Förderanträge und die Verantwortung der Hersteller gegenüber den Kunden.

ZDK-Präsident  Jürgen Karpinski
Foto: ZDK
Herr Karpinski, wie ist die Stimmung im Autohandel in diesen Krisenzeiten?

Die Lage ist sehr angespannt, die aktuellen Zulassungszahlen bei Neu- und Gebrauchtwagen im ersten Quartal liegen noch unter denen des sehr schwachen Vorjahres. Das allgemeine Konsumklima verschlechtert sich, beeinflusst von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und den damit einhergehenden Preissteigerungen. Hinzu kommen Probleme in der Fahrzeugproduktion durch gestörte Lieferketten. Das Frühjahr ist traditionell die verkaufsstärkste Phase im Jahr. Davon sind wir momentan jedoch weit entfernt. Daher stecken wir wieder mitten in einem schwierigen Autojahr.

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Wie sehen Sie die Verkaufsentwicklung bei den alternativen Antrieben?

Eine ZDK-Umfrage im Februar hat ­ergeben, dass ein Interesse an diesen Fahrzeugen da ist, jedoch auch eine Zurückhaltung beim Abschluss eines Kaufvertrages besteht. Das liegt an der mangelnden Liefer­fähigkeit und an der Verunsicherung beim ­Thema Umweltbonus. Viele wollen sich gern ein E-Auto kaufen, schrecken aber davor zurück, weil sie nicht wissen, ob sie bei einer Auslieferung im nächsten Jahr noch den Umweltbonus mit Innovationsprämie bekommen, beziehungsweise an welche Bedingungen dieser geknüpft sein wird. Denn die Förderrichtlinien sollen ja ab 2023 geändert werden. Daher fordern wir, dass die Prämie jetzt sehr schnell an das Bestelldatum geknüpft wird. Dann wissen sowohl die Kundinnen und Kunden als auch die Händler, woran sie sind. Und auch die Förderung der Plug-in-Hybride darf nicht enden. Diese Fahrzeuge sind das Einstiegstor in die E-Mobilität.

Wie wird sich der Spritpreisanstieg auf den Handel auswirken?

Bei massiv steigenden Spritkosten werden die Fahrzeuge weniger genutzt, reduzierte Fahrleistungen wirken sich negativ auf das Werkstattgeschäft aus. Und auch das für den Automobilhandel so wichtige Frühjahrsgeschäft ist erneut stark gefährdet, nachdem es in den letzten zwei Jahren aufgrund der Lockdowns fast komplett ausgefallen ist. Aufgrund der mangelnden Lieferfähigkeit von E-Autos sind diese zurzeit eher keine kurzfristige Alternative. Hinzu kommt die Verunsicherung beim Thema Förderung. Wir könnten bei entsprechender Lieferfähigkeit der Hersteller und Importeure sowie einer Planungssicherheit beim Umweltbonus viel mehr E-Autos verkaufen, als wir es derzeit tun.

Stichwort Förderung: Ist das Prozedere rund um die Förderung von E-Autos zu kompliziert? Wenn ja, warum?

Ja, das ist im Handel vor allem durch einen hohen Beratungs- und Abwicklungsaufwand bemerkbar. Denn es sind Händler, die den Herstelleranteil am ­Umweltbonus mittragen, die Bürgerinnen und ­Bürger zu den Förderbedingungen beraten ­sowie bei der Beantragung unterstützen und die erforderlichen Dokumente zur An­­trags­­einreichung bereitstellen. Weil die Beantragung viele Kunden überfordert, übernehmen die Händler oftmals sogar den kompletten Antragsprozess. Noch komplizierter wird es bei jungen Gebrauchtwagen, wo in 90 Prozent der Fälle ein separates Gutachten zur Ermittlung des Listenpreises angefertigt werden muss. Erst danach kann ein Händler den finalen Verkaufspreis des Fahrzeugs aufgrund einer Preisvorgabe der Förderrichtlinie festlegen und die Rechnung korrekt ausstellen.

Was halten Sie von dem Schritt der ­Bundesregierung, heimische ­Wallboxen nicht mehr zu fördern?

Die Förderung für private Wallboxen war sehr erfolgreich und hat in vielen Haushalten dafür gesorgt, dass beim nächsten Autokauf ein E-Auto oder Plug-in-Hy­brid in Betracht gezogen wird. Vor diesem Hintergrund hätten wir eine Verlängerung der Förderung sehr begrüßt, denn der Aufbau der Ladeinfrastruktur zählt neben den aktuellen ­Lieferschwierigkeiten zum größten Hemmnis beim Verkauf von Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig muss man aber auch erwähnen, dass die Preise und Lieferzeiten für Wallboxen seit dem Auslauf der Förderung stark gesunken sind. Der Mitnahmeeffekt war also ziemlich hoch – wovon die Wallbox-Hersteller sehr profitiert haben.

Bringen Wallboxen den Händlern auch Umsatz?

Hier haben wir ähnliche Margen wie beim Handel mit Fahrzeugzubehör, etwa bei Dachboxen. Der reine Verkauf von Zubehör ist für einzelne Händler kein großes Geschäftsmodell, zumal die Wallboxen eine lange Nutzungsdauer haben. Wir sehen den Vertrieb von Wallboxen daher eher als Serviceleistung für unsere Kunden, die auf Elektromobilität umsteigen möchten. Viele Händler bieten ihren Kunden hier auch Komplettangebote mit Installationscheck und Inbetriebnahme in Kooperation mit einem Elektrofachbetrieb an. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Autohäuser und Werkstätten eine wichtige Rolle für den Markthochlauf der Elektromobilität einnehmen.

Wie gut werden die Händler bezüglich der aktuellen Lieferengpässe von den Herstellern mitgenommen?

Wir hatten vor allem zum Ende 2021 im Handel große Probleme mit Fahrzeugstornierungen durch die Hersteller. Da drängt sich der Eindruck auf, dass die Hersteller und Importeure ihre Probleme auf den Handel und die Kunden abwälzen, die zwar Vertragspartner bei einer Fahrzeugbestellung sind, aber für diese Pro­bleme gar nichts können und durch lange Lieferzeiten schon genug gebeutelt sind. Wenn ich als Hersteller einen Auftrag annehme, dann muss ich auch dafür sorgen, dass das Fahrzeug gebaut und geliefert wird, Halbleiterkrise hin oder her. Das hat nicht nur negative Konsequenzen für die ­Rentabilität der Händler aufgrund des Entzugs eines wichtigen Teils der Geschäftsgrundlage. Auch die Kundenzufriedenheit, an der bei den meisten Fabrikaten ein Teil der Vergütung für die Händler hängt, leidet massiv darunter.

Und wie sieht aus Ihrer Sicht die Kommunikation zu den Kunden aus?

Der Handel hat die Aufgabe, die ­Kunden zu informieren und muss für Zwischen­lösungen sorgen. Das ist mit Aufwand und Kosten verbunden, auf denen er meist sitzen bleibt. Zusätzlich ­entstehen unseren Betrieben oft ­Kosten für Überbrückungsmobilität bei Lieferverzögerungen. Eine unbürokratische Verlängerung von bestehenden Leasingverträgen, die Be­teiligung an Kosten für Überbrückungsmobilität oder Handlingspauschalen für die Händler wären sinnvolle Maßnahmen. Leider unterstützen nur wenige ­Hersteller ihre Händler mit solchen pragmatischen Maßnahmen.

Sind die Händler bezüglich der Elektro­mobilität ausreichend von den Autoherstellern geschult?

Bei den markengebundenen ­Autohäusern und Werkstätten legen die Hersteller und Importeure verpflichtende ­Produktschulungen und andere Anforderungen fest. Das reicht aber nicht aus. Deswegen stellt der ZDK für alle Mitgliedsbetriebe Informationen zur E-Mobilität zur Verfügung, die einen Überblick über das weitläufige Themenfeld geben und eine kompetente Beratung der Endkunden über grundlegende Fragestellungen dieser Technologie ermöglichen. Außerdem unterstützen die Betriebsberater der angeschlossenen Landesverbände und Kfz-Innungen auch vor Ort.

Wie unterstützen Händler die Kunden beim Thema THG-Minderungsquote?

Als Kundin oder Kunde kann man sich an das Autohaus wenden, in dem das Fahrzeug erworben wurde. Dort wickeln Experten die Antragstellung unkompliziert ab und klären über die mögliche Prämienhöhe auf. Basis dafür ist ein digitaler Abwicklungsprozess des Kraftfahrzeuggewerbes mit den Energie-Experten der ZusammenStromen GmbH aus Hamburg. Viele Autohäuser und Kfz-Betriebe haben sich dort schon registriert und bieten ihren Kundinnen und Kunden eine individuelle Vergütung ihrer THG-Quote an.

Wie gut verkaufen sich gebrauchte E-Autos mit geringerer Reichweite aus Ihrer Sicht?

Je geringer die elektrische Reichweite, desto kleiner ist die Zielgruppe für so ein Auto. Auf dem Gebraucht­wagenmarkt kann das dazu führen, dass wir mehr Standtage, einen höheren Wertverlust und dadurch geringere Verkaufspreise für ­diese Autos erzielen können. Das führt auch zu einem größeren Restwertrisiko für ­gebrauchte E-Autos. Für Kunden ist es schwierig abzuschätzen, wie sich der Wiederverkaufs­wert eines solchen Fahrzeugs in den ­nächsten Jahren entwickeln wird. Wichtig ist daher auch, dass für gebrauchte E-Autos der Gesundheitszustand der Batterie und ein gepflegtes Scheckheft aus-gewiesen werden können.

Vita

Jürgen Karpinski ist gelernter Kfz-Meister und seit 1986 geschäftsführender Gesellschafter von Auto Schmitt mit Audi-, Skoda- und Volkswagen-Betrieben in Frankfurt am Main und Idstein. Bereits seit 2014 engagiert sich der 72-Jährige als Präsident des ZDK. Dem Vorstand gehört er bereits seit 2005 an.

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