Land Rover Defender mit schlechten Bremswerten
Ganzjahresreifen, aber nicht für Schnee

Wir haben die Neuauflage der Legende getestet: Der Defender ist ein klasse Geländewagen. Nur die Bremswerte sind schlecht. Und ab Werk gibt’s ausgerechnet bei dem Offroader keinen Reifen für Schnee. Wie das kommt und wie das zusammenhängt.

Land Rover Defender 2019
Foto: Land Rover

Im Fazit (auto motor und sport Heft 25/2021) loben die Tester Platz, Komfort, Fahrleistungen, tolle Geländefähigkeiten sichere Fahreigenschaften auch auf der Straße.

Miserable Bremswerte

Nur beim Bremsen hagelt es Kritik: Zwar regle "das System sanft, um bei Vollbremsungen jede Instabilität zu vermeiden, wie sie bei einer aggressiveren Auslegung passieren könnte". Auch zeige "die Anlage bei den zehn Folgebremsungen aus 130 km/h kein Fading". Allerdings steht der Defender "bestenfalls nach 70,4 Metern. Wenn ein Hyundai i10 aus 130 km/h schon steht, hat der Defender noch 55 km/h drauf. Er träfe den Kleinwagen mit einer Wucht – so groß, als schlüge der i10 im freiem Fall aus 27 Metern Höhe auf den Boden". Aus 100 km/h nimmt sich der Geländewagen inakzeptable 40,9 Meter Bremsweg. Zum Vergleich: Limousinen der oberen Mittelklasse etwa erreichen Werte zwischen 34 und 36 Meter. Der Grund für die langen Bremswege ist bei der Bereifung zu suchen: "Wie viele Testwagen von Land Rover zuvor hatte der Defender Allwetterreifen aufgezogen, Pirelli Scorpion Zero (Rädergröße 8,5J x 20, Reifengröße 255/60 R 20 V). Die sind neben einer All-Terrain-Option (257 Euro) die einzige ab Werk bestellbare Bereifung. Die Schwäche beim Bremstest erklärt sich auch mit den Pirellis", so der Test.

Unsere Highlights
Land Rover Defender 110 D240 S, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
An den Fahreigenschaften des Defender auf Asphalt hatten die Tester nichts auszusetzen, an den Bremswerten schon.

Michael Küster, bei Land Rover für Produkt- und Technikpresse zuständig, behauptet: "Bei internen Tests stand der Defender aus 100 km/h voll gebremst nach 38 Metern". Der Hersteller hält das für einen akzeptablen Wert. "Uns ist klar, dass er vom Fahrbahnbelag und der Temperatur abhängt," so der Pressemann.

Auto motor und sport-Reifenexperte Thiemo Fleck meint: "Die Reifenkonstellation für den Defender geht erst auf den zweiten Blick in Ordnung. Einen klassischen Sommerreifen, der erheblich bessere Bremswerte erlauben würde, gibt es nämlich für den Defender nicht. Das Angebot auf dem Markt bewegt sich auf dem Niveau des werksseitig erhältlichen Pirelli Scorpion Zero. Ein stärker auf Straßenperformance ausgelegter Sommerreifen wie für kräftige Limousinen etwa, wäre angesichts der Gesamt-Anforderungen (Gewicht, Grip bei feuchtem und rutschigem Untergrund) des Defender wenig sinnvoll. Die überschaubaren Bremswerte hängen zwar vordergründig mit dem Reifen zusammen, sind aber eigentlich dem Fahrzeugkonzept "großer, schwerer Geländewagen" geschuldet. Wie für jedes Fahrzeug muss der Reifen auch beim Defender einen Kompromiss darstellen. Überlegenswert wären statt der optisch besonders attraktiven 20-Zöller von Land Rover ebenfalls angebotenen 19-Zöller, die in Ihren Eigenschaften ohnehin besser zu einem Geländewagen passen."

Den ausführlichen Test des Land Rover Defender gibt es hier in auto motor und sport Heft 25/2021 oder am Kiosk.

Ganzjahresreifen ab Werk nicht für Schnee

Aus Verbraucher-Sicht haben die Pirellis aber noch einen zweiten Nachteil bzw. es fehlt Ihnen für Kunden, die auch bei Schnee unterwegs sind, ein Vorteil: Die All-Seasons auf dem Defender haben – wie die optional angebotenen All-Terrains – keine Zulassung (die Schneeflocke; M+S-Kennzeichnung reicht nicht) für winterliche Bedingungen. Unter denen darf der Defender so nicht fahren. Aber: Winterreifen werden aktuell im Werkszubehör keine angeboten.

Michael Küster von Land Rover meint dazu: "Sommer- und Winterreifen haben wir werksseitig für fast alle Land-Rover- und Range Rover Modelle im Angebot. Die Take-Rate ist allerdings überschaubar. Vom Defender erwarten die Kunden zu Recht herausragende Geländeeigenschaften, daher bieten wir hier aus unserer Sicht passende All-Terrain-Reifen. Wer weniger Wert auf Offroad legt, hat als Alternative die All-Season-Reifen. Ein Ganzjahresreifen mit Schneeflocken-Symbol, wie er vor allem für unsere Verkaufsregionen Deutschland, Österreich und die Schweiz wünschenswert wäre, ist leider für die entsprechenden Dimensionen aktuell werksseitig nicht auf dem Markt."

Reifen-Fachmann Fleck sieht das ähnlich: "Dass der Pirelli Scorpion Zero kein Schneeflocken-Symbol hat und dementsprechend für Käufer, die auch bei Schnee unterwegs sein wollen, nicht legal (bei Schnee) als Ganzjahresreifen funktioniert, wirkt zunächst widersinnig, ist aber auf den zweiten Blick ebenfalls unumgänglich: Ein Reifen, der den Anforderungen des Alpin-Symbols mit dem Schneekristall genügt, braucht Lamellen; damit verträgt er aber kein Durchdrehen im Gelände, was selbst mit Sperren bei einzelnen Rädern im Offroadeinsatz immer wieder passiert. Das würde einen Lamellenreifen schnell ruinieren. Defender-Fahrer in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die die Traktionsstärke Ihres Land Rover für schneeglatte Straßen nutzen wollen, sollten für ihren Defender einen Satz Winterreifen kaufen, zum Beispiel den empfehlenswerten Continental WinterContact TS 850P. Ob sie sich den Geländewagen werksseitig mit den Geländereifen oder den Pirelli-All-Season bestellen, hängt dann wirklich von ihrem Haupteinsatzzweck (in Frühjahr, Sommer, Herbst) ab."

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Fazit

Einst erforderten Geländewagen im Alltag erheblich mehr Kompromisse als heute. Aber spätestens bei den Reifen fällt auf, dass Fahrzeuge, die harten Offroad-Einsatz gut beherrschen, nicht mit weich gespülten SUVs zu vergleichen sind. Wer einen Defender kauft, sollte wissen, dass die Fähigkeit, auf allen Wegen zum Ziel zu kommen, Nachteile beim Bremsen auf Asphalt hat.

Wer einen Defender kauft und damit etwa auch zum Skifahren will, sollte sich im Reifenhandel (und eben nicht bei Land Rover) einen Satz Winterräder zulegen, wie die Käufer "normaler" Autos auch. Denn Winterreifen bringen auf Schnee auch mit Allradantrieb nicht nur bessere Traktion für den Antrieb, sondern bremsen auch besser.