Gefahr durch Blendung
Was hilft gegen grelles Scheinwerferlicht?

Rund die Hälfte der Autofahrer in Deutschland fühlt sich nachts in manchen Situationen im Straßenverkehr geblendet – ein Sicherheitsrisiko. So behält man in der Dunkelheit einen besseren Durch- und Überblick – auch dank Spezialbrillen.

Fahrer Blendung
Foto: Jose A. Bernat Bacete via Getty Images

Blendwirkungen bei Nacht im Straßenverkehr hat der ADAC erst vor kurzem in einer repräsentativen Umfrage mit 1.089 Autofahrerinnen und Autofahrern untersucht. Demnach haben fast ein Drittel der Autofahrer regelmäßig oder fast immer, die Hälfte gelegentlich ihre Probleme damit – Orientierungslosigkeit und die Unfähigkeit, Gegenstände oder Personen auf der Fahrbahn zu erkennen, können die Folgen sein.

Fahrer Blendung
Bernhard Lang via Getty Images

Als störend empfinden viele Autofahrer das Scheinwerferlicht entgegenkommender Autos – das bedingt durch die Xenon- oder LED-Hightech-Leuchten in den vergangenen Jahren eine ganz neue Qualität bekommen hat: Das häufig kalte, weiße, harte Licht stresst die Augen.


Rücksicht hat Vorfahrt

Als besonders störend bewerteten die Befragten dabei das Fernlicht: "Mehr als 82 Prozent fühlen sich davon geblendet, unabhängig davon, ob das Fernlicht statisch oder adaptiv ist. Weit dahinter folgen das Abblendlicht (41 Prozent) und die Nebelschlussleuchte (knapp 27 Prozent)", heißt es in der Auswertung. Es handelt sich bei den Blendwirkungen also weder um eine subjektive Einbildung noch um ein Minderheiten-Phänomen.

ADAC Umfrage Blendung im Straßenverkehr
ADAC

Die überwiegende Mehrheit sieht das Fernlicht als Lichtquelle, die am meisten blendet. Auch das Adaptive zählt hier dazu.

Blendungsgefahr verringern

Lösungsmöglichkeiten gibt es auf verschiedenen Ebenen. Der Mobilitätsclub adressiert an den Gesetzgeber die Forderung, bei den Vorgaben zur Auslegung von Leuchten und Scheinwerfern die Blendungsgefahr für Verkehrsteilnehmer stärker zu berücksichtigen. "Die geltenden Zulassungsvoraussetzungen im Rahmen des EU-Typgenehmigungsverfahrens sind unzureichend", stellt der ADAC fest.

Ein naheliegender, wenn auch nicht immer beachteter Ratschlag kommt von Kirstin Zeidler, Leiterin Unfallforschung der Versicherer beim GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft: "Verschmutzte Scheinwerfer blenden entgegenkommende Verkehrsteilnehmende mehr als saubere. Schon leichte Verschmutzungen steigern die Blendwirkung deutlich.

Deshalb sollten Scheinwerfer regelmäßig manuell gereinigt werden. Scheinwerferreinigungsanlagen reichen dazu meist nicht aus. Auch die Dauerfernlichtfunktion der neuen LED-Scheinwerfer, die Vorausfahrende und Entgegenkommende ausspart, funktioniert nur bei sauberen Scheinwerfern blendfrei." Konkrete Zahlen über durch Blendwirkungen verursachten Unfälle gebe es zwar nicht. Doch zweifelsfrei bestehe hier eine unterschätzte Gefahr im Straßenverkehr.

Spezielle Brillengläser für Autofahrer

Man kann auch selbst in einem gewissen Maße gegensteuern – mit speziellen Brillengläsern. Verschiedene Hersteller bieten seit einigen Jahren für Autofahrer konzipierte Brillengläser an. Um deren Wirkungsweise zu verstehen, ist es von Vorteil, sich mit einigen anatomischen Eigenschaften des menschlichen Auges vertraut zu machen. Vereinfacht kann man sagen, dass die Pupillen bei Dunkelheit weiter geöffnet sind als tagsüber, damit das wenige vorhandene Licht besser aufgenommen werden kann.

Zeiss
ZEISS

Spezielle Brillengläser können der Blendung entgegenwirken.

"Wenn man älter wird, stellt sich die Augenpupille in der Dunkelheit nicht mehr richtig weit (altersbedingte Miosis). Durch die engen Pupillen kommt zu wenig Licht ins Auge", heißt es beim Kuratorium Gutes Sehen (KGS). Mit einer echten Nachtblindheit, wie viele annehmen, hat dies jedoch meist nichts zu tun. Diese Sehbehinderung basiert auf einer starken Funktionseinschränkung oder dem völligen Ausfall der Stäbchen, der für das Sehen bei Dämmerung oder in der Nacht spezialisierten Lichtsinneszellen.

Sehwerte am Tag besser als nachts

Was die wenigsten wissen: Die Sehwerte können tags und nachts individuell um bis zu einer Dioptrie variieren, erläutert Augenoptikermeister Henning Neidhart, Inhaber des Zeiss Vision Center in Stuttgart. Bei vielen Menschen mache diese Differenz ca. eine halbe Dioptrie aus – bei der Autorin dieses Artikels liegen 0,56 Dioptrien zwischen den Werten von Tag- und Nachtsehen, was ein Schnelltest vor Ort ergeben hat.

Der Zeiss i.Profiler, ein Hochleistungsmessgerät, ermittelt diese Sehwerte für Tag- und Nachtsehen präzise; dazu wird der Untersuchungsraum abgedunkelt. Die ausführlichen Messungen, zu denen auch das Anfertigen eines 3-D-Avatars des Kopfes gehört, um den Sitz der späteren Brille im Hinblick auf deren Neigung und Form auf einer digitalen Plattform genau ermitteln zu können, dauern ca. eine halbe bis dreiviertel Stunde. Einen iProfiler oder Geräte mit ähnlichen Funktionen gibt es bei etlichen, jedoch nicht bei allen Optikern. Deshalb am besten vorab nachfragen, wenn man sich für solche Spezialmessungen interessiert.

DriveSafe-Gläser von Zeiss

Die "DriveSafe"-Gläser von Zeiss (Kostenpunkt 400 bis zu 700 Euro pro Gleitsichtglas für die höchste Individualstufe), in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) entwickelt und Ende 2015 in Deutschland gelauncht, zeichnen sich unter anderem durch einen größer designten Fernbereich aus. Auch die Pupillengröße und die erwähnten Tag- und Nachtsehwerte des späteren Trägers werden mittels eines Algorithmus berücksichtigt.

Wie der Nahbereich gestaltet wird, wird laut Henning Neidhart individuell gemeinsam mit dem Kunden festgelegt – abhängig zum Beispiel von dessen Körpergröße oder der Sitzposition im Fahrzeug. Eine Besonderheit der Gläser ist auch ein genau ausbalancierter Blaufilter, der eigens für Blendwirkungen in der Nacht entwickelt wurde.

Interessant ist die Beobachtung von Optikermeister Neidhart, dass gar nicht alle Kunden sich mit der besten zu erreichenden Sehleistung wohlfühlen. Manche bevorzugen trotz exakt gemessener Korrekturwerte eine Brille, bei der eine geringere Sehstärke als optimal ermittelt wird, weil dies besser zu den bisherigen Sehgewohnheiten und -bedürfnissen der Betroffenen passt.

Wie man sich vor Blendwirkungen schützen kann

Tipps von Prof. Dr. med. Dieter Friedburg, Leiter des Ressorts Ophthalmologische Optik beim Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA), und von Matthias Müller, Vorsitzender des Südwestdeutschen Augenoptiker- und Optometristen-Verbands:

  • nicht direkt in die Blendquelle, sondern seitlich daran vorbei bzw. auf die Straße schauen.
  • regelmäßig einen Augenarzt konsultieren, der abklären kann, ob medizinisch relevante, teils altersbedingte Veränderungen wie zum Beispiel eine Hornhaut- oder Linsentrübung (Grauer Star) vorliegen.
  • eine optimal angepasste Brille tragen. Die Gläser spezieller Autofahrerbrillen haben durch die etwas größeren Fernzonen einen geringen Vorteil gegenüber einer Standard-Gleitsichtbrille. Eine blaue Filterung reduziert die gesehene Leuchtdichte der Scheinwerfer des entgegenkommenden Verkehrs im kurzwelligen Bereich. So wird auch die Blendung verringert. Hat man am eigenen Fahrzeug jedoch ebenfalls moderne Scheinwerfer, minimiert die Filterung natürlich auch die Leuchtdichte der davon beleuchteten Objekte.
  • im Online-Versandhandel angebotene, oft sehr günstige Brillen mit gelb oder orange getönten Gläsern gegen "Nachtblindheit" sind vermutlich nicht alle zertifiziert. Es ist möglich, dass die Filterung zu stark ist und das Sehen ernstlich beeinträchtigt. Zu bedenken ist auch, dass jede Filterung Helligkeit verschluckt, also weniger Licht zum Sehen übrigbleibt. Die Wirkung solcher "Nachtfahrbrillen" ist umstritten.
Umfrage
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Ja, eigentlich so gut wie immer!Nein, mich stören die Scheinwerfer entgegenkommender Fahrzeuge überhaupt nicht.

Fazit

Viele Personen sind bei Dunkelheit leicht kurzsichtiger als bei Helligkeit. Daher gilt auch für Autofahrer, die der Meinung sind, keine Brille zu brauchen, oder aber nur eine geringe Stärke in ihren Brillen haben und sie deswegen nicht immer tragen, die Empfehlung, ihre Augen prüfen zu lassen. Denn eine nicht optimal korrigierende Brille ist beim Sehen bei Dunkelheit störender als bei Helligkeit. Eventuell Gläser mit einer geeigneten Beschichtung (Entspiegelung / Tönung) wählen und wenn möglich, sollte man solche Gläser vor dem Kauf bei Dunkelheit ausprobieren. Das kann helfen, man darf jedoch keine Wunder erwarten.