Verbrauchsreduzierung - Rollwiderstandsoptimierte Reifen
Alles über den Reifen-Rollwiderstand

Unter den zahlreichen Möglichkeiten zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs spielt der Reifen-Rollwiderstand eine wichtige Rolle.

Rollwiderstandsarme Reifen, Prüfstand
Foto: REMA TIP TOP, Maschinenbau Morenga

Eine böse Tanksäule, so zeigt es die TV-Werbung der französischen Reifenfirma Michelin, bedroht eine ganze Stadt. Aber der Bib, das freundlich-beleibte Reifenmännchen, weiß Abhilfe: Alle rüsten auf rollwiderstandsarme Reifen um, und schon verschwindet das Zapfsäulen-Monster wie jene schlimmen Toiletten-Bakterien, hinter denen das gute Reinigungsgel her ist. So einfach ist das mit dem Energiesparen.

Reifen sind mit rund 20 Prozent am Gesamtwiderstand eines Autos beteiligt

Der Reifen hat daran gewiss einen Anteil, aber er kann nur einen unter zahlreichen verschiedenen Beiträgen leisten. Am Gesamtwiderstand, den das Auto mit Hilfe seiner Motorkraft überwinden muss, sind die Reifen mit rund 20 Prozent beteiligt. Die teilweise recht imponierenden Verbesserungen beim Kraftstoffverbrauch, die von der Automobil-
industrie in der jüngsten Vergangenheit präsentiert wurden, gehen zu einem über- wiegenden Teil auf motorische Maßnahmen zurück.

Weniger Hubraum, effizientere Einspritzung, bedarfsgerecht gesteuerte Zusatzaggregate und Start-Stopp-Einrichtungen gehören hier zum Paket. Aber schließlich geht es um jedes Gramm Kohlendioxid – nicht nur wegen der Umwelt-Gesichtspunkte, sondern weil der CO2-Ausstoß die Einstufung bei der Kfz-Steuer maßgeblich beeinflusst. Nicht zuletzt: Ein guter CO2-Wert lässt sich in der Werbung trefflich ausschlachten, und 99 Gramm pro Kilometer klingen schon erheblich besser als 100.

Schmale Reifen mit erhöhtem Luftdruck reduzieren den Rollwiderstand

Also muss auch der Reifen ran. Das Fahrrad zeigt uns, wo es langgeht in eine energiebewusste Zukunft. Nicht dass wir unserem Auto entsagen und Muskelkraft bemühen müssen, um unseren Mobilitätstrieb zu befriedigen. Aber das Fahrrad ist ganz vorne, was geringen Rollwiderstand angeht. Denn es besitzt sehr schmale Reifen, die auch noch sehr hart aufgepumpt sind. Beides reduziert den Rollwiderstand. Doch beim Auto sind da natürliche Grenzen gesetzt.

Volkswagen schreibt bei den Blue-Motion-Modellen, die serienmäßig mit Energiesparreifen ausgerüstet sind, einen gegenüber den normalen Ausführungen um 0,3 bar erhöhten Luftdruck vor. Viel mehr wird da auch nicht gehen, denn natürlich leidet unter dem höheren Druck der Komfort. Der Handlungs-spielraum ist also begrenzt, zumal selbst eine unter Komfort-Gesichtspunkten unzumutbare Erhöhung des Reifendrucks um ein bar eine Verringerung des Rollwiderstands um lediglich 15 Prozent einbringt. Wie sich das auf den Verbrauch auswirkt?

Pro zehn Prozent, um die der Rollwiderstandsbeiwert gesenkt werden kann, sinkt der Kraftstoffverbrauch um 1,6 Prozent. Bei einem zehn Liter auf 100 km schluckenden Auto sind das gerade mal 0,16 Liter – ein Wert, der deutlich unterhalb dessen liegt, was der Fahrer durch eine verbrauchsbewusste Fahrweise erreichen kann. Denn da sind locker zwischen 15 und 20 Prozent drin.

Nur selten gibt es in höheren Klassen eine sparsame Serienbereifung

Schmalere Reifen gelten durchaus als Option, wobei dann aber die Optik ins Spiel kommt. In den vergangenen Jahren ging der Trend zu immer breiteren Reifen – nicht nur, weil die ein besseres Haftungsvermögen aufweisen, sondern weil sie besser aussehen. Und allein dafür ist der Käufer bereit, Geld auszugeben. Speziell in den höheren Klassen laufen nur wenige Automobile mit der oft sparsamen Serienbereifung vom Band, aus gutem Grund beinhalten die Preislisten eine oft sehr umfangreiche Palette an breiterer Optionsbereifung. Da wird Umdenken nötig.

Derzeit noch seltsam anmutende Dimensionen wie 115/65 R 15 für Kleinwagen oder 205/50 R 21 für die Mittelklasse gehören zu den Denkmodellen in der Reifenindustrie. Bei Michelin, wo man sich gern als Pionier des spritsparenden Reifens sieht, geht man noch weiter. Warum soll es nicht spezielle Reifen geben für City-Mobile? Die könnte man ganz auf minimalen Rollwiderstand züchten. Andere Reifenmerkmale wie Nässe-Handling oder Schnelllauf-Festigkeit könnten zurücktreten.

So kann der Rollwiderstand eines Reifens reduziert werden

Welches Instrumentarium besitzt der Reifen-Entwickler, um den Rollwiderstand zu senken? Dazu braucht man ein bisschen Physik. Der Rollwiderstand ist das Ergebnis der Verformungsarbeit des elastischen Reifens. Der hat die Eigenschaft, nur einen Teil der Verformungsenergie zurückzufedern, der Rest wird in Wärme umgesetzt. Diese so genannten Hysterese-Verluste sind einerseits unerwünscht, weil Energie nutzlos an die Umgebung abgegeben wird. Andererseits aber ist die Fähigkeit, Energie aufzunehmen, unverzichtbar, um beim Auftreten von Längs- und Querkräften die Haftung auf der Fahrbahnoberfläche zu sichern. Es gilt also, ähnlich wie beim Luftdruck, einen Kompromiss zu finden, wobei der Konstruktion der Lauffläche eine ähnlich große Bedeutung zukommt wie der Wahl der optimalen Gummimischung.

Niedriger Rollwiderstand steht optimaler Haftung bei Nässe diametral gegenüber

Die Kenngröße des Rollwiderstands ist der so genannte CR-Wert – eine abstrakte Größe wie der längst zum Allgemeinwissen zählende cW-Wert, der die Höhe des Luftwiderstands beziffert. Sehr leicht abrollende Reifen haben einen CR-Wert von 0,9, weniger gute liegen bei 1,1. Der finnische Reifenhersteller Nokian hat zur Demonstration verschiedener Rollwiderstandswerte eigens eine Rampe in einer 600 Meter langen Halle gebaut. Wie bei einem Seifenkisten-Rennen kann hier ein Testwagen antriebslos bis zum Stillstand ausrollen. Mit einem gängigen Eco-Reifen kommt er 80 Meter weit, mit einem noch in der Entwicklung befindlichen Reifen-Prototyp sind es bereits 130 Meter.

Das Entwicklungspotenzial wird da augenfällig, aber das ändert nichts daran, dass ein Zielkonflikt bleibt. Niedriger Rollwiderstand, so sagt Continental-Chefentwickler Burkhard Wies, steht optimaler Haftung bei Nässe diametral gegenüber. Bei allen Reifentests von auto motor und sport hat sich das bestätigt. Die kürzesten Bremswege bei Nässe erzielen nach wie vor Reifen, die nicht speziell auf niedrigen Rollwiderstand gezüchtet sind.

Sicherheitsfaktor Rollwiderstands-optimierte Reifen

Weil der Reifen nun einmal zum Auto gehört, ermittelt auto motor und sport bei Vergleichstests jetzt auch den Nassbremsweg aus 100 km/h. Die bisherigen Ergebnisse sprechen ebenfalls dafür, dass man nicht die vergleichsweise geringe Kraftstoff-Einsparung durch reduzierten Rollwiderstand gegen Einbußen bei der Sicherheit tauschen sollte.

Ein BMW 320d mit Energie-Sparreifen (Michelin Energy Saver, 205/55 R 16) kommt nach 50 Meter zum Stehen, ein VW Golf (Continental Sport Contact 3 gleicher Dimension) bereits nach 46 Metern. Ganz offensichtlich braucht es noch viel Entwicklungsarbeit, bis wir die böse Zapfsäule aus der Stadt gejagt haben.


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