McLaren MP4-12C GT3
Erste Testfahrten mit dem GT-Renner

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Der neue McLaren MP4-12C soll nicht nur auf den Straßen eine gute Figur machen, sondern auch auf der Rennstrecke. Die GT3-Version wurde nun erstmals getestet. Wir haben die Fotos und das Video.

McLaren MP4-12C GT3
Foto: McLaren

Wer sich heute der Mühsal unterzieht, ein GT-Auto zu bauen, schießt auf ein bewegliches Ziel. Die Trefferquote ist ungewiss, denn weder sind die Regeln stabil noch sind die Klassenstrukturen als solche sakrosankt. Während zum Beispiel die GT2-Klasse das Rückgrat im Langstreckensport des Le- Mans-Veranstalters ACO bildet, setzt die FIA in ihrem Geltungsbereich auf Fahrzeuge der Kategorien GT3 und GT1. Wobei es wiederum ein offenes Geheimnis ist, dass die GT1-Klasse am Ende der Saison 2011 mangels Masse und Nachfrage eingemottet wird. Dann sollen modifizierte GT3-Wagen in der GT-WM von Promoter Stéphane Ratel zum Zuge kommen. Da ist guter Rat wirklich teuer: Denn wer heute auf das falsche Pferd setzt, steht womöglich kommendes Jahr ohne Sattel und Reiter da.

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McLaren immerhin hat diese komplexe Ausgangssituation analysiert und berücksichtigt. Zum tieferen Verständnis der Materie hat wohl auch beigetragen, dass sich der britische F1-Rennstall, der mit dem Straßensportwagen MP4-12C nun auch wieder über ein propperes Rennpferd verfügt, Rat bei einem erfahrenen GT-Team geholt hat: CRS Scuderia ist Entwicklungs- und Vertriebspartner des neuen GT-Rennwagens von McLaren. Das britische Team des überaus reichen Marketing-Moguls Chris Niarchos schippert seit 2007 erfolgreich in den weit verstreuten GT-Gewässern herum. 

Rennsport-Technik im MP4-12C GT3

Und es war fraglos der im Rennsport erfahrene Partner, der den weisen Rat gab, doch besser gleich eine GT-Plattform zu entwickeln, anstatt den Fokus auf eine Klasse zu richten – und dann womöglich baden zu gehen. So richtig offiziell will man bei McLaren diesen neuen Ansatz nicht kommunizieren, doch Profi-Pilot Andrew Kirkaldy, der seit geraumer Zeit auch als Teamchef des CRS-Teams fungiert, lässt die Wahrheit durchschimmern. „Wir hatten bei der Entwicklung des neuen Rennautos nicht nur die GT3-Klasse im Auge“, sagt der Schotte. „Denn in diesem Fall hätten wir einfach einen Heckflügel aufs Auto geschraubt und die Einstufung des Fahrzeugs der FIA überlassen.“
 
Stattdessen ist man beim GT3-McLaren nun auf alle Eventualitäten vorbereitet: „Wir haben mit dem GT3-Auto eine neue Basis entwickelt, aus der man zügig Spezifikationen für GT1, GT2 oder GT Hybrid ableiten könnte.“ Weil McLaren auch gegen seine direkten Marktgegner im Rennsport zu Felde ziehen will, ist das aus Karbon bestehende Zentralchassis schon heute für einen Einsatz in der GT2-Klasse homologiert – im Serienwagenbau nennt man sowas wohl Plattformstrategie. Entsprechend viel Aufwand wurde bei der Entwicklung des GT3-McLaren getrieben – sicher mehr, als für die Teilnahme in der neu geschaffenen GT3-Langstreckenserie Blancpain Endurance Series nötig gewesen wäre. 

Neues Aerodynamik-Paket

So wurde die aktive Fahrwerksaufhängung aus dem Straßenauto durch eine konventionelle Lösung mit Federn, Dämpfern und Stabilisatoren ersetzt, die zudem auf die neuen Reifengrößen angepasst wurde: Wegen der breiteren Dimensionen musste die Vorderradaufhängung geändert werden, die unteren Querlenker sind Neuentwicklungen. Dynamics, der Fahrwerkspartner von McLaren in der Formel 1, hat zudem ein Dämpfer-Entwicklungsprogramm beigesteuert. Auch bei der Karosserie blieb kein Stein auf dem anderen: Nur die Türen und das Dach wurden vom Straßenauto übernommen, der Rest des Body-Kits wurde neu entwickelt. In diesem Bereich kam übrigens der größte Input von McLaren: Im supermodernen Windkanal wurden sämtliche Karosseriebauteile einem aerodynamischen Feinschliff unterzogen.
 
„Leider darf ich nicht verraten, wie viel Abtrieb wir generieren“, so Teamchef Andrew Kirkaldy. „Aber die Daten sind äußerst beeindruckend.“ Ob sich die Werte aus Simulation und Windkanal eins zu eins auf die Rennstrecke übertragen lassen, ist indes noch offen: Der GT3- Renner mit V8-Biturbo-Motor absolvierte erst am 4. März seinen Rollout in Silverstone. In den nächsten Wochen wird bei der Testarbeit nicht gekleckert, sondern geklotzt: Nach weiteren Tests in Silverstone geht es nach Barcelona, dann nach Navarra und an die Algarve. Und dann folgen weitere Test auf dem Seven-Post Shaker Rig, bevor der McLaren MP4-12C am 22. Mai sein Renndebüt in der Blancpain-Serie in Navarra geben wird.

Der erste Saisonhöhepunkt steht dem CRS-Team im Rahmen der Entwicklungssaison 2011 schließlich beim 24h-Rennen in Spa bevor, bei dem heuer erstmals die GT3-Wagen die erste Geige spielen – in Belgien will CRS mit drei Autos an den Start gehen. Die Fahrerfragen sind noch nicht definitiv geklärt. Neben Teamchef Kirkaldy gehören wohl seine Landsleute Oliver Turvey und Tim Mullen sowie der Portugiese Alvaro Parente zum Aufgebot. Am Erfolg des GT3-Programms herrscht weder beim Einsatzteam und Entwicklungspartner CRS – die übrigens die Autos für die Kunden aufbauen sowie die Ersatzteilversorgung übernehmen –, noch bei McLaren der Hauch eines Zweifels. Zuletzt waren die Briten bekanntlich ab 1995 mit dem McLaren F1 GTR im internationalen GT-Sport aktiv. Wie damals ist auch das heutige Programm nicht auf Werkseinsätze ausgelegt, sondern ausschließlich auf Kundensport. Und die Auftragslage ist wieder erfreulich, wie aus Woking zu hören ist: Der ursprüngliche Plan, im nächsten Jahr 15 Kundenfahrzeuge auszuliefern, wurde bereits auf 20 Wagen aufgestockt. Der Business-Plan sieht vor, in den nächsten drei Jahren 60 Fahrzeuge abzusetzen. Und wenn 2012 ein GT2-Modell den Rennwagen-Stammbaum erweitert, dann hat McLaren womöglich das bewegliche Ziel voll getroffen. 

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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