Jaguar XE 20d im Test
Der Brite ist in der Mittelklasse vorne dabei

Oh ja, es hat sich gelohnt, das Warten, Hoffen und Bangen. Hier kommt der neue Jaguar XE 20d. Wir haben uns lange überlegt, ob er ein echter Rivale für Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse sein wird. Aber dann war das egal, als wir erkannten, was er wirklich ist. Wir erklären das mit dem 180 PS starken XE 20d.

Jaguar XE 20d, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Den Einstieg holen wir gleich nach, mit Erzählen, wie es früher war, mit der Queen, allem Drum und Dran. Aber, Freunde, wir müssen zuerst erzählen, wie grandios dieser XE fährt. Man merkt ihm eigentlich schon beim Ausparken an, dass er auf den anspruchsvollsten Straßen der Welt entwickelt wurde. Nicht auf Rennstrecken, sondern echten Landstraßen. Denen in Wales. Eingerahmt von Hecken und spitzen Steinmäuerchen winden die sich über Kuppen, ducken sich in Senken und klammern sich an Klippen.

Damit ein Auto hier schnell ist, muss es Grip, Präzision und vor allem Vertrauen vermitteln. All das kann der Jaguar XE 20d. Er zelebriert Kurven mit einer grandiosen Lenkung, die nicht so giftig anspricht wie in einem 3er, nicht so steril rückmeldet wie in einem A4 und nicht so betulich reagiert wie in einer C-Klasse. Der Jaguar XE 20d lenkt geschmeidig, aber entschlossen, fließend, aber punktgenau, motivierend aber nicht übermütig. Vor allem fährt er nicht so ähnlich wie ein anderes Auto. Er fährt so, wie nur eine kompakte Sportlimousine von Jaguar fahren soll. Und bevor wir heraustesten, dass der Jaguar XE 20d kein perfektes Auto ist, keines, das fünf Sterne bekommen wird, bleibt zu sagen: Ist das ein brillanter Jaguar!

Auch die Queen fährt Jaguar

Fangen wir also an. Wenn es stimmt, dass man durch Rückschläge und Niederlagen mehr lernt als durch Erfolge, dann dürfte Jaguar so ziemlich die cleverste Firma der Welt sein. Dabei müssen wir nicht bis in die 70er-Jahre zurück, als die britischen Autohersteller weniger damit beschäftigt waren, Autos herzustellen, als vielmehr damit, sich zugrunde zu richten. So ganz gelang das im Fall von Jaguar aber nicht mal Ford, denen der Laden 1989 bis 2008 gehörte – eine Zeit, die als die frohsinnigste nicht gilt. Damals entsteht der direkte Vorgänger des XE. Der X-Type, den Jaguar mit einer gewissen Miesepetrigkeit auf Basis des Ford Mondeo zu entwickeln hatte, und den die Kunden viel mehr schätzen als Jaguar. Selbst die Queen fährt X-Type, gern zur Kirche und über Wiesen, aber schließlich gehört ihr ja das Land.

Fort mit Ford. Wieder ein Jaguar

Als Tata dann die Firma 2008 übernimmt, ist allen klar, dass nicht nur Jaguar auf den Autos stehen muss, sondern nur Jaguar in ihnen stecken darf. Beim XE haben sich die Entwickler sehr grundsätzlich daran gehalten. Alles ist neu: Antrieb, Fahrwerk, die komplette Grundarchitektur. Sie ist natürlich modular und geprägt von intelligentem Leichtbau (wäre auch mal erfrischend, jemand gäbe zu, dass eine neue Plattform eher unflexibel und der Leichtbau so zufällig passiert wäre). So besteht die Karosserie des Jaguar XE 20d zu 75 Prozent aus Alu, wiegt 342 Kilo. Was nichts daran ändert, dass der Testwagen mit 1.638 kg exakt 89 Kilo über dem des letzten BMW 320d Automatik lag, der bei uns war.

Der gar nicht mal so leichte Jaguar XE 20d ist dazu auch gar nicht mal so geräumig. Selbst verglichen mit den schon knapp geschnittenen Rivalen wirkt der XE beengter. Wirklich gut lassen sich die 450 Liter Kofferraum nicht nutzen, weil die Klappe klein und der Ladeboden uneben ist. So richtig vermag das ebenso wenig zu überraschen wie die eher kargen Raumreserven im etwas schummrigen Fond. Bereits der enge Einstieg lässt darauf schließen, dass es dort so gemütlich nicht werden dürfte. So sitzen zwei zwar bequem auf der gut ausgeformten Bank des Jaguar XE 20d, aber mit wenig Knie- und Kopfraum.

Auch Pilot und Co. werden, nennen wir es tief und passgenau, ins Cockpit integriert, bei dem sich die Linien der Armaturentafel bis in die Türverkleidung schwingen. Die wenigen Ablagen gäbe es hier zu kritisieren, die teils umständliche Bedienung über den Touchscreen, die schlechte Rundumsicht oder die teils sparsame Materialqualität. Dann siehst du die Erhebung auf der Motorhaube, dahinter den Horizont. Und überlegst, ob du jetzt herummäkeln sollst oder herumfahren. Eben. Los.

Jaguar XE 20d mit neuem Zweiliter-Diesel

Der Starterknopf glimmt in pulsierendem Rot auf. Ein Druck, und in zweieinhalb Sekunden hat sich der Drehregler für die Automatik aus der Mittelkonsole erhoben und die vier Zylinder, die in Graugussbuchsen sausen, haben ihren Leerlauf sortiert. Der von Jaguar ebenfalls komplett neu entwickelte Zweiliter-Diesel erfüllt die Euro 6, aber schon im ruppigen Leerlauf nicht ganz die Erwartungen an Laufmanieren, die man so an einen Jaguar stellt. Seine kleine Kraftdelle unter 1.500 Touren spachtelt die Automatik mit Wandlerschlupf zu. Es ist die ZF 8 HP, also die Achtstufenbox wie im BMW 3er. Auch im Jaguar XE 20d wählt sie ihre Gänge im Normal-Modus treffsicher und sanft. Über Land plagen sie mitunter Hektik oder Unentschlossenheit, da dann besser mit dem Schaltpapaddel durch die Gänge flippern.

Im Eco-Modus brummelt der Jaguar XE 20d niedertourig zur Stadt hinaus. Zeit, um festzustellen, dass er ein umfassendes Assistenzarsenal hat, vom Head-up-Display mit Laserprojektion über Adaptivtempomat bis Totwinkelüberwachung. Auf die Stereokamera greifen die Verkehrszeichenerkennung (na, ist hier eher eine Verkehrszeichenerratung), der hysterische Spurhaltehelfer und das Notbremssystem zurück. So, hätten wir das geklärt. Passt, da ist die Autobahn. Der Diesel wuchtet voran, drehbegabt und kernig übertönt er locker den Fahrtwind, der den Jaguar XE 20d (cw 0,28) sacht überstreicht. Die große Strecke kann der adaptivgedämpfte (1.100 Euro) XE gut, federt geschmeidig über lange Wellen, steckt kurze Stöße sanft weg. Und Motorleistung? Immer genug da. 200-PS-Benziner? V6-Kompressor? Lassen Sie uns überleg ... nein.

Seid umschlungen, Kurven

Dann sind wir da, an dieser wunderbar verschlungenen Strecke, von der wir nie verraten werden, wo genau sie ist. Hunderte Mal waren wir dort, mit VW Up bis Bentley Continental. Wir kennen jedes Schlagloch, jeden Kurvenscheitel, wissen, wo Rehlein oder Wanderer aus dem Dickicht hervorbrechen könnten. Hier kann uns nichts überraschen.Und dann kann es der Jaguar XE 20d doch.

Wir müssen das erklären, erst sein Fahrwerk mit der aufwendigen Mehrlenkerhinterachse, der ausgeglichenen Gewichtsbalance, vor allem aber die Vorderachse. Sie stammt aus dem F-Type. An einem regnerischen Novembertag, wie sie so typisch sind für den britischen Spätsommer, stand Jaguars Fahrwerkshäuptling Mike Cross mit uns auf einer Rennstrecke und erklärte die Vorderachse. Sie hat Doppelquerlenker, die konstanten Sturz garantieren. Achsschenkel aus Alu und hohl gebohrte Querstabilisatoren mindern die ungefederten Massen. Es geht um Steifigkeit, damit der Fahrer durch alle Aufhängungen, Gelenke und Zahnräder hindurch am Lenkrad die Vorderräder spürt. Auch der verträglicher abgestimmte Jaguar XE 20d soll diese enge Verbindung zwischen Straße und Fahrer aufbauen, bekam als erster Jaguar statt einer hydraulischen eine elektromechanische Servolenkung.

Alle sprechen von der Lenkung

Kommt ein Auto zu uns zum Test, wird es von ein, zwei Dutzend Kollegen gefahren. Wenn wir dann zusammensitzen und darüber reden, spricht der eine mal das Navi an, der andere den Motor, der dritte den doppelten Ladeboden und der vierte das Isofix. Nicht beim Jaguar XE 20d. Alle sprechen von der Lenkung. Sie charakterisiert den XE. Weil er sich nicht einfach fährt wie die anderen Jaguar-Modelle, nur in kleiner. Nein, viel besser: Er fährt so, wie man sich das von einem Jaguar immer gewünscht hat. Mit sicherem, geschmeidigen, doch schneidigen Handling. Wie entschlossen er einlenkt, wie neutral er bleibt, weil die Vorderachse so viel Grip hat. Sie wehrt alle Untersteuertendenzen ab, und wenn du aufs Gas steigst am Scheitelpunkt, drückt sich der Jaguar XE 20d mit dem Heck (und dem per Bremseingriff simulierten Torque Vectoring) erst enger in die Kurve, dann vehement heraus. Es klingt banal, aber es ist eines der größten Komplimente, die man einem Auto auf dieser Strecke machen kann: Der Jaguar XE 20d fährt sich einfach schön.

Zu den Kosten: Jaguar zahlt drei Jahre die Wartung, der XE ist gut ausstaffiert, verbraucht 6,2 l/100 km – man kann ihn nicht nur schön finden, sondern ihn auch schönrechnen. Nach vielen Rückschlägen ist Jaguar wieder vorn dabei in der Klasse. Das ermöglicht uns, mit Oscar Wilde zu schließen: „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“

Vor- und Nachteile
Karosserie
Jaguar XE 20d
ordentliches Platzangebot für Fahrer und Beifahrer
ausreichend großer, optional variabler Kofferraum
größtenteils sorgsame Material- und Verarbeitungsqualität
wenig Platz im Fond
schlechte Rundumsicht
teils umständliche Bedienung
kleine Heckklappe
beengter Einstieg hinten
Fahrkomfort
ausgewogene Fahrwerksabstimmung
mit gutem Federungskomfort
bequeme Sitze vorn
geringe Windgeräusche
kerniger Motorklang
Antrieb
sparsamer und temperamentvoller Turbodiesel
gutes Automatikgetriebe
Schwächen bei Laufkultur
Fahreigenschaften
agiles, sicheres Handling
direkte, präzise, rückmeldungsstarke Lenkung
hohe Fahrdynamik
Sicherheit
umfangreiches Angebot an passiven und aktiven Sicherheitselementen
vehemente Bremsen
Assistenzsysteme teils nicht zuverlässig
Umwelt
niedriger Testverbrauch
günstiger Norm-C02-Ausstoß
Effizienzmodus für Motor und Getriebe
trotz hohem Alu-Anteil hohes Leergewicht
Kosten
klassenüblicher Preis
gute Ausstattung
drei Jahre Garantie und
Inspektionskostenübernahme

Fazit

Das knappe Raumangebot, die teils umständliche Bedienung, die nicht ganz zuverlässigen Assistenzsysteme – nein, für fünf Sterne reicht es nicht. Aber der Jaguar XE 20d Prestige fährt sehr agil, ist sparsam und gar nicht mal so teuer.

Technische Daten
Jaguar XE 20d Prestige
Grundpreis42.060 €
Außenmaße4672 x 1850 x 1416 mm
Kofferraumvolumen450 l
Hubraum / Motor1999 cm³ / 4-Zylinder
Leistung132 kW / 180 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit228 km/h
0-100 km/h8,6 s
Verbrauch4,2 l/100 km
Testverbrauch6,2 l/100 km