Ford Fiesta, Renault Clio und VW Polo im Vergleich
Zwei gegen den Klassenprimus

Der Kleinwagen-Primus VW Polo bekommt frische Konkurrenz: Mit ihren sparsamen Dreizylinder-Turbomotoren und cleverer Technik wollen der neue Renault Clio und der geliftete Ford Fiesta den ewigen Testsieger im Vergleichstest vom Thron stoßen.

Ford Fiesta 1.0 EcoBoost, Renault Clio TCe 90, VW Polo 1.2 TSI BMT, Seitenansicht
Foto: Wolfgang Groeger-Meier

Sie haben in den siebziger oder achtziger Jahren den Führerschein gemacht? Dann hat im Freundeskreis bestimmt jemand einen Polo Fox gehabt (der mit dem schwarzen Nichts neben dem Tacho – eine Uhr gab es erst in den höheren Ausstattungslinien). Oder einen Basis-Fiesta, dessen 40-PS-Vergasermotor sich zu wilden 132 km/h aufraffte und sich dafür acht Liter/100 km genehmigte. Und die Provence-Urlaube im Clio-Vorgänger Renault 5 lassen sich rückblickend auch nur dann verklären, wenn man das gurt- und kopfstützenfreie Dasein der frühen Exemplare nicht berücksichtigt. Dagegen sind aktuelle Kleinwagen echte Luxusgefährte, bei denen schon die Einstiegsmodelle mit mehreren Airbags und ESP auf Sicherheit getrimmt werden. Im Vergleichstest treffen sich Ford Fiesta, Renault Clio und VW Polo und wetteifern um den Platz auf dem Thron.

Ford Fiesta mit vielen Assistenzsystemen

Für den renovierten Fiesta bietet Ford zudem Assistenzsysteme an, die sich noch nicht einmal in der Mittelklasse flächendeckend durchgesetzt haben. So scannt sein Active City Stop (im Paket für 350 Euro) per Laser 50 Mal in der Sekunde den Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen, um im Notfall bis Tempo 30 selbstständig zu bremsen. Über das Multimedia-System Sync lassen sich wiederum Radio und Telefon per Sprache bedienen. Darüber hinaus informiert es nach einem Unfall Rettungskräfte über die exakte Position des Fahrzeugs.

Doch nicht nur die Elektronik des Fiesta wurde verfeinert. Mit seinem neuen Kühlergrill und der stärker profilierten Motorhaube geht er glatt als Westentaschen-Aston-Martin durch, was gut zur geplanten Höher-Positionierung passt. So wird der Zweitwagen von einst laut Ford immer häufiger als vollwertiges Erstfahrzeug eingesetzt. Kein Wunder, dass 40 Prozent aller Fiesta bereits heute in der teuren und gut ausgestatteten Titanium-Variante vom Band laufen – Tendenz steigend.

Kräftiges Ford-Triebwerk mit wenig Verbrauch

Einen großen Verkaufsanteil erwartet Ford zudem vom Ecoboost-Triebwerk, das schon im über fünf Zentner schwereren Focus überzeugte. Mit seinen 125 PS und den 170 Nm Drehmoment bei niedrigen 1400/min wuchtet der Einliter-Dreizylinder den Fiesta zackig nach vorn, wuselt motiviert durchs Drehzahlband und bleibt dank Ausgleichsgewichten auf der Schwungscheibe überraschend vibrationsarm. Zudem verbucht der Bonsai-Direkteinspritzer trotz bester Fahrleistungen den geringsten Verbrauch des Test-Trios (6,0 L/100 km).

Bestens zum Temperament des Turbomotors passt das agile Fahrverhalten des Fiesta. Auf Kommando seiner direkten und gefühlvollen Lenkung sticht er ansatzlos in Kehren und schiebt selbst bei Nässe verblüffend spät über die Vorderräder. Das subjektive Fahrgefühl wird von den Messwerten bestätigt: Den ISO-Wedeltest absolviert der Ford rund 10 km/h schneller als die Konkurrenz. Wenn es sein Fahrer übertreibt, schert er im Grenzbereich jedoch schon mal zickig mit dem Heck aus, bevor ihn sein ESP zurück in die Spur holt. Trotz seiner Agilität muss man nicht auf Federungskomfort verzichten, denn die neu abgestimmten Dämpfer sprechen vor allem auf kurze Stöße und Querfugen feinfühlig an.

Etwas mehr Feinschliff hätte dem Innenraum gutgetan. Den unteren Teil der Mittelkonsole schmückt jetzt zwar Klavierlackdekor, zudem wurden die Kunststoffe vereinheitlicht. Insgesamt wirken die verwendeten Materialien sowie das kleine Infotainment-Display jedoch immer noch sehr einfach. Geblieben ist zudem die mit verwirrend vielen Knöpfen überladene Mittelkonsole.

Infotainment im Renault Clio überzeugt

Mit seinem sieben Zoll (18 Zentimeter) großen Monitor kommen im neuen Clio schon fast Kinogefühle auf. Das intuitiv bedienbare Infotainment-System navigiert mittels übersichtlicher 3D-Karten, übernimmt Sprachausgabe sowie Handhabung per Bluetooth gekoppelter Mobiltelefone und lässt sich über USB- und Klinkenstecker um MP3-Player erweitern. Und das Beste daran: In den beiden höheren Ausstattungslinien Dynamique und Luxe ist es serienmäßig an Bord.

Überhaupt bietet die vierte Generation des Clio viel Auto fürs Geld. Seine im Vergleich zur Konkurrenz rund zehn Zentimeter längere Karosserie beschert Passagieren und Gepäck die großzügigsten Platzverhältnisse. Darüber hinaus liefert ihn Renault serienmäßig als Viertürer aus, der durch die ansteigende Seitenlinie und kaschierte hintere Türgriffe auf Coupé macht. Ein sportlicher Zweitürer wird daher nicht vermisst. Designpakete mit bunten Dekorelementen bringen auf Wunsch Farbe ins Interieur. Ob man es schade findet, dass die Armaturenbretter in Blau, Havanna und Rot dem Topmodell Luxe vorbehalten bleiben, darf hingegen jeder selbst entscheiden.

Praktische Alltags-Extras im Clio

Im Alltag punktet der Clio lieber mit praktischen Details wie dem Motorhauben-Lift, verwechslungssicher markierten Einfüllstutzen für Öl, Kühlwasser und Scheibenreiniger sowie großen und günstig platzierten Ablagen. Bei umgeklappter Rückbank stört im Kofferraum allerdings eine massive Stufe das Verstauen sperriger Gegenstände. Seitenhaltarme Sessel mit kurzer Sitzfläche passen ebenfalls nicht zum ansonsten hochwertig wirkenden Renault.
Wie im Fiesta werkelt im Clio ein Dreizylinder-Aggregat. Das aus dem Nissan Micra bekannte 0,9-Liter-Motörchen mit 90 PS wurde von Renault umfangreich überarbeitet – unter anderem von Kompressor- auf Turbo-Aufladung umgebaut. Mit 135 Nm entwickelt es allerdings nicht die Kraft der beiden Konkurrenz-Motoren, darüber hinaus steht das maximale Drehmoment erst ab 2500/min zur Verfügung. Von einem Turboschub ist daher wenig zu spüren, vor allem bei den Elastizitätsmessungen hängt der Clio durch.

Renault Clio verlangt nach Drehzahlen

Dass ihm der 35 PS kräftigere Fiesta davonfährt, verwundert nicht. Wohl aber, dass fleißiges Schalten und hohe Drehzahlen angesagt sind, um am ebenfalls 90 PS starken Polo dranzubleiben. Für die Effizienz des TCe-Motors spricht immerhin, dass der Verbrauch trotz hoher Drehzahlen mit 6,4 Liter/100 km noch im Rahmen bleibt.

Im Rahmen halten sich jedoch auch Agilität und Komfort. So stürzt sich der Clio verhalten motiviert in Kurven, schiebt recht früh über die Vorderräder und vermittelt mit seiner gefühllosen Lenkung den geringsten Straßenkontakt. Und das, obwohl er sich von der Hüpfball-Federung seines R5-Urahnen aus den Siebzigern längst verabschiedet hat. Vor allem kurze Stöße poltern spür- und hörbar durch. Angesichts der Fortschritte an Karosserie und Motor könnte das Fahrwerk noch etwas Feinschliff vertragen.

VW Polo bei der Verarbeitung weiter der Maßstab

Und jetzt hat mal wieder der Polo seinen Auftritt. Sie haben noch nicht auf die Ergebnistabelle gespickt? Gut, denn so knapp war es schon lange nicht mehr. In Sachen Qualitätsanmutung macht dem VW freilich nach wie vor keiner was vor. Ein Extra-Chromring hier, eine besonders flauschige Filzverkleidung dort: Vom Armaturenbrett bis in den letzten Winkel des Kofferraums begeistert der Klassenprimus mit liebevollen und hochwertigen Details. Mit seinem besonders ausgeklügelten Easy-Entry-Mechanismus sorgt er zudem selbst als Zweitürer für einen bequemen Fond-Einstieg und überzeugt mit klarer Instrumentierung, selbsterklärender Bedienung sowie bester Rundumsicht.

Während es für viele Kleinwagen nicht einmal ein Schiebedach zu kaufen gibt, zeigt der Polo mit Optionen wie Xenon-Scheinwerfern oder dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, dass er sich am konsequentesten an Käufer richtet, die sich auch ein größeres Autos leisten könnten.

Polo mitl langstreckentauglichem Fahrwerk und kultiviertem Vierzylinder

Beim Fahrgefühl schielt der VW ebenfalls eine Klasse höher. Mit seiner ausgewogenen Federung, geringen Karosseriebewegungen sowie dem unaufgeregten sowie sicheren Handling spult er sogar längere Strecken entspannt ab. Zumal der 1,2-Liter-TSI mit 90 PS als einziger Vierzylinder im Test nicht nur kultivierter läuft, sondern auch ein erwachsenes Klangbild beisteuert, kräftig durchzieht und kaum mehr verbraucht als die quirligen Dreizylinder. Dass der Vorsprung zum Fiesta so klein ausfällt, liegt zum einen an dessen lebhaften Fahrverhalten. Das Fehlen der neuesten Assistenzsysteme zeigt jedoch, dass der Polo bereits ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Selbst für den kleinen Bruder Up bietet VW inzwischen einen automatischen City-Notbremsassistenten an.

Das Infotainment-System RNS 315 mit kleinem Bildschirm und fehlender Radio-Senderliste will ebenfalls nicht so recht ins Premium-Bild passen. Im Vergleich zu seinen asketischen Vorläufern aus den achtziger Jahren ist der getestete Polo Comfortline zwar verschwenderisch ausstaffiert, seine Mitbewerber bringen jedoch mehr Extras mit. Auch wenn es diesmal knapp wurde: Auf mehr Punkte kommen sie wieder nicht.

Fazit

1. VW Polo 1.2 TSI BMT Comfortline
474 von 1000 Punkte

Beim Testen nichts Neues: Mit hoher Qualität, viel Komfort und seinem kultivierten TSI-Motor schnappt sich der Polo mal wieder den Gesamtsieg.

2. Ford Fiesta 1.0 Ecoboost Titanium
463 von 1000 Punkte

Der Fiesta überzeugt mit seinem temperamentvollen, sparsamen Dreizylinder und toller Fahrwerksabstimmung. Die Interieurqualität enttäuscht jedoch.

3. Renault Clio TCe 90 Dynamique
439 von 1000 Punkte

Der gut ausgestattete Clio bietet viel Platz und ein tolles Infotainment-System. Das mäßige Handling und der schlappe Motor kosten jedoch Punkte.

Technische Daten
Ford Fiesta 1.0 EcoBoost TitaniumRenault Clio TCe 90 DynamiqueVW Polo 1.2 TSI BMT Comfortline BlueMotion Technology
Grundpreis18.000 €16.300 €16.325 €
Außenmaße3969 x 1722 x 1495 mm4063 x 1732 x 1448 mm3970 x 1682 x 1462 mm
Kofferraumvolumen290 bis 974 l300 bis 1146 l280 bis 952 l
Hubraum / Motor998 cm³ / 3-Zylinder898 cm³ / 3-Zylinder1197 cm³ / 4-Zylinder
Leistung92 kW / 125 PS bei 6000 U/min66 kW / 90 PS bei 5250 U/min66 kW / 90 PS bei 4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit196 km/h182 km/h182 km/h
0-100 km/h10,0 s12,2 s10,8 s
Verbrauch4,3 l/100 km4,5 l/100 km4,9 l/100 km
Testverbrauch6,0 l/100 km6,4 l/100 km6,6 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten