Volkswagen E-Crafter
VW senkt den Preis des Elektro-Transporters

Nach etwa einem Jahr auf dem Markt kostet der VW E-Crafter nun deutlich weniger als zuvor – und ist damit endlich förderfähig. Wir sind ihn in Hamburgs Innenstadt Probe gefahren.

VW e-Crafter im Test
Foto: Karl-Heinz Augustin

Auch bei VW Nutzfahrzeuge spielt Elektromobilität eine wichtige Rolle. Entsprechend werden über die Nutzfahrzeug-Palette Elektroversionen ausgerollt. Schon etwa ein Jahr ist die E-Version des Crafter auf dem Markt. Der E-Motor im E-Crafter sitzt vorn unter der Haube und treibt die Vorderräder an, das modular aufgebaute Batteriepaket sitzt unter dem Laderaumboden.

Alle Infos zum VW E-Crafter

VW eCrafter (2018)
Sophia Pfisterer
Das Cockpit des E-Crafters.

Die kombinierte Reichweite des auf 90 km/h abgerregelten E-Crafter gibt Volkswagen mit 115 Kilometern an gemäß WLTP. Im Stadtverkehr sollen es 159 Kilometer sein, nach NEFZ-Rechnung sogar 173. Mit 40-kW-Schnellladung soll in 45 Minuten wieder zu 80 Prozent geladen sein. Die 35,8-Kilowatt-Batterie ist bereits aus dem E-Golf bekannt und unter der Ladefläche im Unterboden eingebaut. Der Akku soll den Laderaum nicht einschränken – bis zu 10,7 Kubikmeter stehen zur Verfügung. Damit kann der E-Crafter bis zu vier Europaletten transportieren. Der Laderaum ist 4,855 Meter lang und hat zwischen den Radkästen eine Breite von 1,38 Meter.

Unsere Highlights

Der E-Crafter ist 5,98 m lang, 2,04 m breit und 2,59 m hoch. Leer wiegt er 2,54 Tonnen, er soll so als 4,25-Tonner maximal 1,72 Tonnen zuladen können. Der Transporter kann auch als 3,5-Tonner ausgeliefert werden, dann ist die Zuladung auf knapp eine Tonne beschränkt. Der Elektromotor unter der Fronthaube leistet 100 kW (136 PS) und bringt es auf maximal 290 Newtonmeter. Im Cockpit schaut der Fahrer auf ein Powermeter, das den Drehzahlmesser ersetzt.

Der Nettopreis für den E-Crafter lag ursprünglich bei 69.500 Euro. Doch jetzt dreht VW die Preisschraube massiv nach unten und verlangt für den Elektro-Transporter nur noch 53.900 Euro netto (64.141 Euro inklusive Mehrwertsteuer). Hintergrund: Da nach den neuesten Plänen der Bundesregierung bis zu 65.000 Euro teure Elektroautos eine staatliche Förderung erhalten, wird das Nutzfahrzeug um zusätzliche 5.000 Euro günstiger.

Erste Fahrt im E-Crafter: Satte Beschleunigung

„Türe schließen, ANSCHNALLEN, Bremse treten, dann erst Motor starten“, lautet die Anweisung von VW zur Fahrprobe des E-Crafters. Anschnallen fett und in Lettern. Angeblich nicht, weil Journalisten gerne vergessen, sich anzuschnallen, sondern weil der E-Crafter-Motor nur unter den Bedingungen geschlossene Tür und angeschnallter Fahrer startet.

Ich drehe (brav angeschnallt) den Schlüssel um und frage mich kurz, ob die Maschine läuft. Ein Geräusch macht der elektrifizierte Transporter nicht, dafür signalisieren die leuchtenden Anzeigen auf dem Armaturenbrett Leben unter der Haube. Ein vermeintlich vorsichtiger Tritt aufs Gaspedal beweist mit einem schwungvollen Satz nach vorn: Ja, auch wenn der E-Crafter ein eher stiller Typ ist, er ist abfahrbereit – sowas von!

VW eCrafter (2018)
VW
Erste Fahrt durch die Hamburger Innenstadt.

Die Beschleunigung in dem 3,5-Tonner lässt nicht zu wünschen übrig. Dank Elektromotor und einer einzigen Übersetzung für alle Geschwindigkeiten muss hier nichts warm laufen, vorglühen oder angesaugt werden. Das Ein-Gang-Automatikgetriebe EQ 290 macht Gangwechsel überflüssig. Im Fahrzeugboden des Crafters befindet sich unterhalb der Ladefläche statt einer Kardanwelle eine 350 kg schwere Lithium-Ionen-Batterie, deren Gleichstrom der E-Antrieb unverzüglich in Bewegung umsetzt. Auf den Stromspeicher gibt VW eine Garantie von zehn Jahren. So lange sollen mindestens 70 Prozent der vollen Ladeleistung zur Verfügung stehen.

Zwei verschiedene Transporter teste ich am Hafen und der Innenstadt Hamburgs: einen leeren und einen beladenen. Beide fahren gleich zügig an. Der einzige Unterschied bei Beladung ist, dass sich beim Bremsen und in den Kurven das lange und nun schwere Heck minimal stärker bemerkbar macht. Erst ab 70 km/h scheint der beladene Elektrotransporter etwas an Leistung einzubüßen. In Anbetracht dessen, dass der E-Crafter ab 90 km/h abgeriegelt ist, kein schwerwiegender Verlust. Die Abregelung selbst schon eher: Als 3,5-Tonner könnte der E-Crafter theoretisch unbegrenzt schnell fahren, praktisch aber eben nicht.

Der E-Crafter fährt sich trotz seiner Dimensionen wie ein Pkw. Als ich im Stand die Bremse durchdrücke, entsteht wegen des typischen zischenden Geräuschs dennoch kurz ein Lkw-Eindruck. Ist hier etwa eine Luftdruckbremse verbaut? Nein, das Geräusch entsteht durch die Unterdruckpumpe für den Bremskraftverstärker. Anders als beim Dieselfahrzeug gibt’s hier keinen Ansaugdruck, der die Bremse verstärkt. Die Bremse greift sicher, als ich eine Vollbremsung an einem unbefahrenen Hafenparkplatz ausprobiere und das ABS pumpt zuverlässig unter dem durchgedrückten Bremspedal.

Leistung und Rekuperation

VW eCrafter (2018)
Sophia Pfisterer
Emissionsfreie Transporter können auch in Umweltzonen von Großstädten ungehindert einfahren.

Beim Verzögern im Stadtverkehr fällt auf, dass sich die Nadel der Leistungsanzeige vom roten Bereich rechts (Energieverbrauch) Richtung grün und links (Energiegewinnung) bewegt. Die Rekuperation ist stärker wahrnehmbar, sobald die Batterie nicht mehr auf 100 Prozent steht, denn nur dann kann die so gewonnene Energie tatsächlich wieder zurück in die Batterie gespeist werden. Beim Bremsvorgang mit dem beladenen Transporter schlägt die Nadel sogar stärker nach links aus. Klar: Mehr Gewicht, mehr Energie – und zwar in beide Richtungen.

Unter dem Leistungsinstrument verrät eine kleinere Anzeige, wie viel Leistung der Motor gerade zur Verfügung hat. Sie zeigt während der Fahrt konstant „Maximal“ an und somit, dass die Peakleistung von 100 kW/h, die man beispielsweise zum zügigen Überholen benötigt, so gut wie immer verfügbar ist. Die vielen Lkws rund um das Industriegebiet auf der Hamburger Veddel sind so schnell überholt.

Auf die verringerte Dauerleistung stellt die Synchronmaschine EEM85 laut VW nur, wenn die Peakleistung über längere Zeit (mehr als 20 Sekunden) abverlangt wird – im zähen Stadtverkehr Hamburgs war diese Grenze nicht erreichbar. Minimalleistungsverfügung wird nur dann angezeigt, wenn die Batterie schon fast leer ist. Aufgrund spätsommerlich warmer Temperaturen konnten wir ebenfalls nicht testen, inwieweit Komfortverbraucher an der Leistung knabbern und wie stark beispielsweise die Wärmepumpe für die Fahrerhaus-Heizung und die serienmäßig beheizte Frontscheibe gleichzeitig Strom ziehen. Klimaanlage, Radio und Navigation beeinflussten die Leistungsverfügbarkeit auf der Testfahrt nicht. Auch seine Steigfähigkeit, die VW mit 20 Prozent angibt, kann der E-Transporter auf unserer flachen Strecke leider nicht unter Beweis stellen.

Wie lange die Batterie des Zero-Emission-Transporters hält, hängt vom Fahrverhalten ab. Der E-Crafter ist so smart, dass er mit der Zeit die Fahrgewohnheiten analysiert und aufgrund der gesammelten Daten nach einer Weile recht genau angeben kann, wie viel Reichweite der individuelle Fahrer noch zur Verfügung hat. Wird die Batterie nicht mit ACC-Stecker fürs Schnellladen mit Strom aufgefüllt, kann man auch einen AC-Stecker benutzen. Solche Stecker verwenden beispielsweise Wall-Boxen mit 7,2-Kilowattstunden, die man in der eigenen Garage oder im Fuhrpark anbringen könnte. Ein Ladevorgang hier dauert 5 Stunden 20 Minuten. Am normalen Haushaltsstrom mit 2,3 Kilowattstunden dauert das Laden der Batterie 17 Stunden.

Nutzungsprofil: Für wen eignet sich der E-Crafter?

Mit mindestens 998 kg Nutzlast (beim 3,5-Tonner) ist der E-Crafter aktuell der kräftigste Elektrotransporter, den es derzeit auf dem Markt gibt. Eine Einschränkung gibt es allerdings. Lässt sich der Diesel-Crafter in immerhin 69 verschiedenen Konfigurationen bestellen, ist der E-Crafter nur in einer erhältlich: Kastenwagen mit L3 und H3 mit einer Seitenschiebetür auf der Beifahrerseite. Der Grund dafür: Der elektrifizierte Transporter soll sich für VW wirtschaftlich rechnen. Deshalb hat der Hersteller aufwändige Marktforschung betrieben und ein scharf umrissenes Nutzungsprofil für den E-Crafter erstellt.

VW eCrafter (2018)
Sophia Pfisterer
Der Laderaum im E-Crafter: Bewährt wie in der Verbrennermaschine.

Der Großteil der potenziellen Kunden für den E-Crafter sind Lieferdienste im innerstädtischen Verkehr, die außerhalb der Stadt im Vorort-Hub beladen werden und pro Tag zwischen 70 bis 100 km zurücklegen. 85 Prozent der Zeit fahren diese Fahrzeuge innerhalb der Stadt, die durchschnittliche Höchstgeschwindigkeit beträgt 90 km/h. Privat werden diese Lieferfahrzeuge kaum genutzt, obwohl sie meist einem Fahrer zugeordnet sind, der meist tagsüber Pakete ausliefert.

Diese sogenannte Last-Mile-Zustellung soll laut Trendstudie von VW immer weiter wachsen: Der E-Crafter sei die Antwort auf fortschreitende Urbanisierung und den steigenden Online-Handel. Außerdem hat dieses komplett emissionsfreie Fahrzeug keine Probleme mit Umweltschutz-Zonen und Einfahrrestriktionen in Großstädten. Damit eignet sich der E-Crafter auch für Handwerksbetriebe, als Servicemobil bzw. mobile Werkstatt oder in Bau- und Forst-Betrieben.

In Deutschland, Schweden, der Niederlande und Großbritannien hatte VW 40 Test-E-Crafter bereits bei 24 verschiedenen Entwicklungspartnern seit Dezember 2017 im Einsatz. Potenzielle Großkunden wie Hermes, EnBW, DHL, GSL, UPS und Albert Hein gaben ausführliches Feedback, sodass für die Serienreife bereits einige Dinge angepasst wurden: In den Probefahrzeugen war beispielsweise noch eine manuell einstellbare Rekuperationsregelung eingebaut. Doch angeblich meldeten die Flottenbetreiber zurück, dass dies nicht gewünscht sei. Die Fahrer sollten sich besser auf Verkehr, Termineinhaltung und die Transportaufgaben konzentrieren, statt sich über die Energierückgewinnung Gedanken zu machen. So hat das Serienfahrzeug nur eine Rekuperationsstufe: Maximum.

Ein weiterer Kritikpunkt der Erst-User war, dass das Fahrzeug von Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund des leisen E-Motors häufig nicht oder erst zu spät wahrgenommen werde. Demnächst möchte VW neben dem Rückfahrsummer noch eine Geräuschverstärkung einbauen.

Fazit

Der E-Crafter fährt genau wie sein Verbrenner-Bruder geschmeidig und sehr spritzig für ein Fahrzeug dieser Größenordnung, sprich: Pkw-artig. Er verspricht neben den gewohnten Crafter-Eigenschaften ungehinderten Zugang zu den Innenstädten dank Emissionsfreiheit. VW wirbt außerdem damit, dass der E-Crafter niedrigere Betriebskosten verursacht dank der Energiequelle Strom, Steuerersparnissen und vielleicht sogar weniger Werkstattbesuchen. Faktoren, die jeder Lieferdienst oder Handwerksbetrieb einzeln prüfen muss. Ob der E-Crafter – auch befeuert von der Preissenkung – tatsächlich der Liebling des Last-Mile-Lieferverkehrs in den Großstädten wird, wird sich zeigen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten