Backdate-Porsche 911 Max11 von Evomax
Scharfe Sauger im Gewand des 964 Turbo

Evomax baut Porsche-Restomods in Gestalt eines 964 Turbo und tauft sie auf den Namen Max11. Das Prinzip ist bekannt? Nun – so kennen Sie das bestimmt noch nicht.

Backdate Porsche 911 Evomax Max11 964 Turbo
Foto: Patric Otto

In den letzten Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, die stetig steigende Zahl der Restomod-Porsches kannibalisiert den Charme jener exklusiven Umbauten, die wir einst noch mit kindischer Verzückung betrachtet haben. Heute ringt uns so eine Singer-Kreation höchstens ein wohlwollendes Lächeln ab – wie schnell man doch abstumpft. Aber glücklicherweise hat die süddeutsche Firma Evomax ein äußerst wirksames Mittel gegen diese Entwicklung ersonnen.

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Es hört auf den Namen Max11, trägt die Cup-Maschine des 997 GT3 im Heck und steckt in einem überaus geschmackvollen Gewand aus Kevlar und Carbon. Allerdings ist das petrolblaue Coupé nur die halbe Wahrheit, denn zu ihm gesellt sich das erste fertiggestellte Kundenfahrzeug. Ein grauer Targa mit luftgekühltem 993-Boxer und liebevoll dezenter Innenausstattung. Beide haben sich in einer unscheinbaren Halle versammelt, und nicht einmal dem Ruf Turbo hinten in der Ecke gelingt es, den Backdate-Modellen auch nur ein µ der Show zu stehlen. Besser noch: Beide stehen für eine erste Ausfahrt bereit.

Sauger im Turbo-Gewand

Mathieu Wöhrle von Evomax kann seinen Stolz nicht verbergen: "Der 964er Turbo hat einfach die schönste Form. Und wenn du dann noch mit moderner Technik darunter packst, hast du das perfekte Auto." Klassik und Moderne – ein Konzept, das fast überall aufgeht. Von der Möblierung des Ferienhauses bis zum Fernsehprogramm. Im Falle von Evomax bildet die Klassik die Form, doch verborgen darunter schlummert Rennsport-Technik für den Straßeneinsatz. Das Gefühl ist im ersten Moment verstörend, schließlich meldet Auge an Hirn: "Achtung, du sitzt in einem 911 Turbo der 1980er Jahre. Also geht bei 4.000 Umdrehungen die Lutzie ab." Doch die On-Off-Mentalität des schlagartigen Turbo-Punch bleibt aus. Schon das Anfahren im ersten Gang ist eine unmissverständliche Warnung. Ultrakurz und ultra giftig übersetzt, bedarf es eines Moments der Eingewöhnung, um den Max11 nicht schon auf dem Hof abzuwürgen, während die Rennkupplung das linke Bein mit einem unverhofften Workout überrascht.

Backdate Porsche 911 Evomax Max11 964 Turbo
Patrick Lang
Der digitale Drehzahlmesser färbt sich bei steigender Drehzahl erst orange, dann rot und fungiert damit auch als Schalt-Empfehlung. Für die Max11-Umbauten ist dieses Ausstattungsmerkmal optional.

Den Drehzahlmesser hat Evomax durch eine digitale Eigenentwicklung ersetzt. Sie funktioniert gleichzeitig als Schaltblitz, denn mit steigenden Umdrehungen färben sich die Pixel des Ziffernblatts von gelb auf orange und schließlich auf rot, bevor der Begrenzer den Party-Crasher gibt. Bis 8.750 dreht der Apparat, wobei schon bei siebenfünf die maximale Leistung von 460 PS anliegt. Auf der Straße führt das dazu, dass bereits ein Zwischenspurt im zweiten Gang nach Trackday klingt. Natürlich ist nicht nur akustisch Alarm angesagt, denn die lineare Leistungsentfaltung des freisaugenden Boxers presst Fahrer und Beifahrer erbarmungslos ins GT-Gestühl. Eine gewisse Detailverliebtheit intensiviert das sinnliche Erlebnis. Besagten digitalen Drehzahlmesser hat Evomax zum Beispiel so gestaltet, dass der virtuelle Zeiger im Leerlauf zittert. Klingt nach wenig, macht aber viel aus.

Steif und leicht

So fulminant die Kulisse, so beherrschbar bleibt das Auto. "Was du hier siehst, ist eigentlich kein Käfig, sondern eine Zelle. Die Streben gehen vorne wie hinten direkt auf die Achse", versucht Mathieu gegen Boxer-Sägen und Titan-Abgasanlage anzuschreien. Die immense Steifigkeit lässt dich der Max11 bei jedem Lenkimpuls spüren. Das Auto reagiert komplett wankbefreit auf Kurvenfahrten und zuckt auch beim Herausbeschleunigen aus den Radien mit keiner Wimper, während der Fahrer ob der ihm gebotenen Show ganz schön klimpert. Das Chassis unterstreicht in Tateinheit mit dem vollvariablen Gewindefahrwerk den Anspruch rennsportlichen Vergnügens für den Alltag hervorragend. Da kannst du gar nicht anders, als dich schon nach wenigen Minuten mit der knackigen Sechsgang-Handschaltung anfreunden, während du eng eingefasst über das schlichte Dreispeichen-Lenkrad die Welt an dir vorbeiziehen siehst. Schweift der Blick dann doch mal durchs Carbon-verzierte Cockpit, schiebt das Kohlefaser-Dekor eine naheliegende Frage in die Hirnwindungen: "Was wiegt so ein Max11 eigentlich?" Gerade mal 1.180 Kilo sind es.

Backdate Porsche 911 Evomax Max11 964 Turbo
Patrick Lang
Der graue Targa ist ein Max11 Classic mit luftgekühltem Boxer aus dem 993. Es ist das erste fertiggestellte Kundenfahrzeug und geht an einen Sammler in den Niederlanden. Das Interieur lässt sich für alle der auf 99 Stück limitierten Max11 frei konfigurieren.

Das klingt alles so, als ginge es nicht mehr besser – und dann steigst du in den Max11 Classic. Du riechst das Öl im Kreislauf, lauschst andächtig der dumpf-heiseren Klangkulisse und zuckst beim Einlegen des ersten Ganges zusammen. Es folgt ein kurzer Boris-Becker-Gedächtnismoment. Wie? Bin ich schon drin? Ja, Bobbele – doch statt einer Website öffnet sich hier das Tor in die ganz reale Welt. Bei derart knackigen Schaltvorgängen fällt es zunächst schwer zu glauben, dass die Gänge selbst verglichen mit dem oben beschriebenen Max11 spürbar länger übersetzt sind. Der Targa, der seine Heimat bei einem Sammler aus den Niederlanden finden wird, entpuppt sich als der perfekte Cruiser für alle, die es zwischendurch dann doch mal wissen wollen.

Dr. Targa und Mr. Hyde

Es ist nämlich mitnichten so, dass es dem auf 3,8 Liter Hubraum aufgebohrten Aggregat an Temperament fehlen würde. Mit ihren 330 PS ist die Classic-Variante durchaus zum satten Antritt in der Lage. Doch das Wesen des Autos verlangt nicht gar so sehr danach wie jenes im petrolblauen Wildfang. Der Targa kann ebenso extravaganter Daily Driver sein wie stillstehende Dekoration in der geschotterten Auffahrt. Den Eindruck stützt auch das Interieur in hellbraun und schwarz. Während das grundsätzliche Layout eng an der Originalvorlage aus Zuffenhausen bleibt, bringt Evomax auch hier eigene Ideen unter. So finden sich innen an den Türen zwei schlichte Schlaufen – eine zum Zuziehen und eine, um sie wieder zu öffnen. Protz und Prunk haben hier keinen Platz – Understatement ist das Gebot der Stunde.

Backdate Porsche 911 Evomax Max11 964 Turbo
Patrick Lang
Die kleine Schlaufe dient zum Zuziehen der Tür, der Lederriemen darunter ist der Türöffner. Das Prinzip findet sich in Targa und Coupé.

Es ist ganz und gar erstaunlich, welch unterschiedliche Charaktere Evomax in die carbongeformte Hülle des 964 Turbo zu zaubern vermag. "Das Wichtigste dabei ist ein gutes und unfallfreies Basisfahrzeug, denn bei einer Karosserie aus Carbon hast du keinen Spielraum für verzogene Teile. Wir haben uns auf 964 und 993 fokussiert, aber wenn du uns ein F-Modell bringst, bauen wir dir daraus auch einen Max11. Allerdings muss man da die Stehbleche rundherum um knapp zwei Zentimeter strecken, deshalb dauert es in dem Fall ein wenig länger", erklärt Wöhrle. Rund zwölf Monate veranschlagt das Team bis zur Fertigstellung eines der auf weltweit 99 limitierten Exemplare. Die kurze Zeit am Steuer von Nummer 1 lässt bereits vermuten, dass alle einen Abnehmer finden dürften.

Backdate Porsche 911 Evomax Max11 964 Turbo
Patrick Lang
Neben Coupé und Targa soll als dritte Karosserieform der Speedster zur Auswahl stehen. An dessen Ausgestaltung feilt Evomax aktuell.

Die Sonne versinkt allmählich hinter den noch blattlosen Bäumen am Straßenrand, während der Targa seine Zurückhaltung unter Teillast vergisst und in den höheren Drehzahl-Sphären freudig sonor eine der schönsten Landstraßen-Melodien anstimmt, die ein Sportwagen intonieren kann. Perfekt orchestriert von der Evomax-Abgasanlage feiern wir den Ritt auf bis zu 7.100 U/min mit anschwellendem Crescendo. Das Ziel jedoch ist ein trauriges, denn es geht zurück in die Halle und wir müssen Abschied voneinander nehmen. Es wird kein Abschied für immer sein, denn in jener Halle steht auch ein Auto, das momentan noch erschreckende Ähnlichkeit mit dem Design eines Polo Harlekin aufweist. "Unser nächstes Projekt und die dritte Karosserieform neben Coupé und Targa wird ein Speedster. Da feilen wir aktuell noch am richtigen Design", erläutert Mathieu. Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: "Dem verpassen wir dann die Vierliter-Maschine." Das fassen wir freilich als Einladung auf. Meldet euch zur Jungfernfahrt – unsere Nummer habt ihr ja.

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Fazit

Die ersten fertigen Fahrzeuge von Evomax sagen eine große Karriere für die Backdate-Porsches aus Markgröningen voraus. Das Konzept geht auf – man nehme die gefälligste Elfer-Form und fülle sie je nach Kunden-Gusto mit kompromissloser Rennsport-Technik oder konkurrenzloser Lässigkeit. In jedem Fall sorgen Leichtbau, Verarbeitung und ein geschmackvolles Interieur für gute Laune. Bislang sind die Max11-Modelle ein echter Geheimtipp, doch das wird sicher nicht lange so bleiben. 99 Exemplare soll es geben und 99 Käufer dürften schnell gefunden sein.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten