F1-Flops der letzten 20 Jahre
Gut gedacht – schlecht gemacht

Die Formel 1 brachte in ihrer Geschichte viele technische Volltreffer hervor. Ingenieuren fällt immer etwas Neues ein, von dem sie sich den entscheidenden Vorteil versprechen. Einige Male griffen sie jedoch daneben. Anlässlich unseres 20. Geburtstags bei auto-motor-und-sport.de haben wir die größten Technik-Flops für Sie aufgelistet.

Ralf Schumacher - BMW-Williams - GP Australien 2004
Foto: Wilhelm

Fans und Experten schwärmen noch heute von den genialen Erfindungen und Techniktricks in der Formel-1-Geschichte. Colin Chapman, Gordon Murray und Adrian Newey kennt jeder Motorsport-Enthusiast. Aber selbst F1-Ingenieure greifen das ein oder andere Mal auch ins Klo.

Wir zeigen Ihnen die größten Technikflops seit 2003, die Fans und Experten bis heute nicht vergessen haben.

2003: McLarens Delfin

Adrian Newey gilt für viele als der Superstar in Sachen Fahrzeug-Design. Der Brite lieferte bei seinen Autos mehrere Volltreffer ab, mit denen seine Piloten überlegen WM-Titel einfuhren. Doch selbst Newey ist nicht gefeit vor Flops. Sein größter stammt aus dem Jahr 2003. McLaren befand sich wieder im WM-Kampf. Kimi Räikkönen lieferte Michael Schumacher über das Jahr Paroli und das mit einem modifizierten Vorjahres-Modell.

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Vergebens wartete der Finne auf das tatsächliche 2003er-Auto, den McLaren MP4-18. Der kam aber nie. Immer wieder verschob das Team das Debüt des in der Fachpresse als Delfin bezeichneten Rennwagens. Die Form erinnerte an den Meeressäuger. Die schmale Nase und die schlanken Seitenkästen hoben sich optisch stark von der Konkurrenz ab. McLaren hatte aber große Probleme mit dem Auto.

McLaren-Mercedes MP4-18
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Der McLaren-MP4-18 kam 2003 über die Rolle des Testautos nicht hinaus.

Den Mercedes-Motor verbaute McLaren sehr tief im Fahrzeug. Das führte zu einigen Motorschäden. In Le Castellet platzte der Motor und durchtrennte sogar die Bremsleitungen. Der Unterboden brach bei einem anschließenden Test in Jerez und führte zu einem heftigen Unfall von Testfahrer Alexander Wurz. In Silverstone verlor der Österreicher in der schnellen Passage Becketts und Maggots die Vorderräder, die den Kräften nicht standhielten. Später brach die Hinterradaufhängung in der Bridge-Kurve.

McLaren schickte den MP4-18 nie zu einem Rennen, nutzte aber die gemachten Erfahrungen mit dem Modell. Der Nachfolger MP4-19 im Jahr 2004 ähnelte dem Phantom-Auto und war als B-Version Mitte der Saison konkurrenzfähig. Adrian Newey bezeichnete den MP4-18 als sein schlimmstes Auto, das er je entworfen habe. Bis heute sagen F1-Experten und Ingenieure, dass der 2003er-McLaren seiner Zeit voraus war.

2004: Williams Walross

BMW und Williams schmiedeten ab 2000 eine Allianz, die idealerweise mehrere WM-Titel nach Grove bringen sollte. 2003 scheiterte Williams-BMW knapp an Ferrari. Der große Wurf sollte 2004 gelingen. Dafür warben die Engländer die Aerodynamikerin Antonia Terzi von Branchenprimus Ferrari ab. Und die schockte die Formel-1-Welt, als Williams den FW26 der Weltöffentlichkeit vorstellte.

Die Nase des Autos unterschied sich massiv von der Konkurrenz. Zwei Streben an der Seite hielten den Frontflügel und waren extrem breit aufgefächert. Williams erhoffte sich die bessere Anströmung des Frontflügels. Die Idee scheiterte grandios. Die Nase war wegen ihrer Konstruktion zu schwer, bei Seitenwind anfällig und obendrein trieb sie den Schwerpunkt nach oben. Williams war nie in der Lage, die überlegenen Ferrari zu gefährden.

Williams-BMW FW26
Wilhelm
Die Walross-Nase des Williams-BMW FW26 war 2004 zwar auffällig, aber erfolglos.

Ab Saisonmitte stampfte das Traditionsteam die Walross-Nase ein und ging zu einer konventionellen Lösung zurück. Die Verbesserungen waren offensichtlich. Juan Pablo Montoya gewann das letzte Saisonrennen in São Paulo. Das Walross kostete Antonia Terzi letztendlich den Job.

2009: BMWs KERS-Flop

Die Saison 2009 markierte eine Zeitenwende in der Formel 1. Erstmals rekuperierten die Autos während des Bremsvorgangs Energie. Die gewonnene elektrische Energie konnten die Fahrer später bei Bedarf per Knopfdruck als Zusatzleistung abrufen. Die meisten Teams setzten allerdings nicht auf das sogenannte KERS (Kinetic Energy Recovery System). Nur Ferrari, McLaren-Mercedes und BMW-Sauber verwendeten es. Das KERS steuerte für 6,6 Sekunden pro Runde rund 80 Zusatz-PS bei.

BMW setzte auf eine andere Lösung als die Hersteller-Konkurrenz. Während Ferrari und Mercedes das KERS mit Wasser kühlten, wollten die Bayern mit einem luftgekühlten KERS gewinnen. Das floppte, wie Sauber-Urgestein Beat Zehnder erklärte: "Wir hatten nie die volle Leistung, weil sonst das System überhitzte."

Die bayrisch-schweizerische Allianz wollte 2009 Weltmeister werden. Im Jahr 2008 hatte das Team früh begonnen, Geld und Zeit in die Fahrzeugentwicklung für die kommende Saison zu stecken. Der F1.09 war aber ein Fehlgriff: Nur zwei Podestplätze sammelten Robert Kubica und Nick Heidfeld. Am Ende des Jahres zog sich BMW – auch aufgrund der Wirtschaftskrise – aus der Formel 1 zurück.

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2022: Mercedes in der Bouncing-Falle

Mercedes war von 2014 bis 2020 der Musterschüler in der Formel 1. Einen Titel nach dem anderen sackte die Truppe aus Brackley ein. Max Verstappen hinderte 2021 Lewis Hamilton daran, alleiniger Rekordweltmeister zu werden. Mercedes holte dennoch die Konstrukteurs-Meisterschaft. Die Rückkehr der Groundeffect-Autos für die Saison 2022 ging für die erfolgsverwöhnte Truppe in die Hose.

Der W13 verblüffte die Formel-1-Welt. Das Design unterschied sich deutlich von dem der Konkurrenz. Die nicht vorhandenen Seitenkästen sprangen am meisten ins Auge. Die Ingenieure schwärmten von Fabelwerten im Windkanal und waren überzeugt von ihrem Konzept. Doch die Praxis schlug die Theorie. Mercedes hatte das Bouncing unterschätzt. Die Silberpfeile von Lewis Hamilton und George Russell hüpften wie Kängurus über die Rennstrecken.

Mercedes W13
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Auch der Musterschüler Mercedes griff ins Klo: Der W13 hatte massive Bouncing-Probleme und war gegen Red Bulls RB18 chancenlos.

Hamilton bezeichnete sein Dienstfahrzeug gar als Klapperschlange, bei der er nicht wüsste, wann sie zubeißt oder nicht. Trotz der Probleme steigerte sich Mercedes und feierte am Ende der Saison in Brasilien einen Doppelerfolg. Für die Ansprüche der ehemaligen Dauerweltmeister war das zu wenig. Rivale Red Bull konnte Mercedes nie das Wasser reichen.

2015: McLarens Honda-Traum(a)

McLaren war 2015 schon lange kein Top-Team mehr. Dank des alten und neuen Motorenpartners Honda wollte Woking in der Saison 2015 wieder zu altem Glanz zurückkehren. Fernando Alonso war nach einem enttäuschenden Ferrari-Jahr 2014 zu McLaren geflüchtet und startete seinen zweiten Anlauf mit dem englischen Team. Doch das half alles nichts. McLarens Performance war desolat.

Der MP4-30 war eine fahrende Baustelle. Zum einen lag das an Honda. Die Power Unit war unzuverlässig, schwachbrüstig, durstig und die Elektro-Leistung reichte meist nur für eine halbe Runde. Zum anderen legte McLaren seinem japanischen Partner Fesseln an. Das Design-Team war von seinem Size-Zero-Konzept überzeugt, das zwang Honda jedoch zu Kompromissen bei der Anordnung von Teilen der Power Unit. Zum Beispiel war durch das Konzept nur ein kleiner Turbolader möglich. Die Kühlung der Antriebseinheit sorgte ebenfalls für Probleme.

McLaren-Honda MP4-30
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Der McLaren MP4-30 sollte das Team in Kombination mit Honda zu altem Ruhm führen. Doch Jenson Button und Fernando Alonsos Arbeitsgerät war ein Vollflop.

Das Ergebnis: McLaren verschliss 23 Motoren in 19 Rennen. Noch und nöcher hagelte es Startplatzstrafen. Die Fahrer Jenson Button und Fernando Alonso sammelten nur 27 Punkte. 2016 hielt McLaren an dem Size-Zero-Konzept fest, die Ergebnisse wurden zwar etwas besser, doch nach einem weiteren schwachen Jahr 2017 trennten sich McLaren und Honda. Die aufgewärmte Liebesbeziehung wurde zum Albtraum.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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