Williams in der Krise
Stillstand statt Fortschritt

Die Hoffnungen waren nach einer ordentlichen Saison 2023 gestiegen. Nach Jahren der Konsolidierung wollte Williams 2024 wieder angreifen. Doch der Saisonstart ging daneben. Das Traditionsteam ist unter Druck.

Alex Albon - Williams - Formel 1 - GP China - Shanghai - Training - 19. April 2024
Foto: xpb

Null Punkte nach fünf Rennen. Williams ist schlecht aus den Startlöchern der Saison 2024 gekommen. Und das in einem Jahr, in dem alles besser werden sollte. Nach harten Momenten des Überlebenskampfs hatte sich Williams 2023 wieder freigeschwommen. Am Ende stand der siebte WM-Platz bei den Konstrukteuren. Das hatte die Truppe von Teamchef James Vowles vor allem Alex Albon zu verdanken. Der Thailänder steuerte 27 der insgesamt 28 Zähler bei.

Unsere Highlights

Die Leistungen brachten den ehemaligen Red-Bull-Piloten wieder in den Dunstkreis der Top-Teams. Sein Boss James Vowles attestierte seinem Schützling bei der offiziellen Präsentation gar Weltmeister-Potenzial: "Seine Leistungen im vergangenen Jahr unterschieden sich kaum von denen anderer Weltmeister, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Er hat regelmäßig das halbe Feld hinter sich gehalten."

Nach fünf Grands Prix 2024 ist der Hype um Albon verstummt. Das liegt in erster Linie am Auto. Der FW46 ist für das Team ein Quantensprung. Der Renner ist technisch weitaus komplexer als seine Vorgänger. Das stellt das Traditionsteam vor Probleme.

Der FW46 wurde erst auf den letzten Drücker fertig. Erst zu den offiziellen Testfahrten Ende Februar zeigte Williams seine neue Hoffnung. Und das, obwohl das Team bereits im März 2023 auf die Entwicklung des neuen Modells umgeschwenkt hatte. Seit dem GP von Großbritannien gab es keine weiteren Upgrades mehr am alten FW45.

Williams - Bahrain  - Formel 1 - 2024
xpb

Williams ging beim Fahrzeugdesign des FW46 ins Risiko.

Vowles fordert mehr Mut

Williams verwendete bei dem Chassis erstmals neue Technologien. Zudem wählten die Ingenieure bei der Aerodynamik einen anderen Ansatz. Der Rennwagen erinnert an vielen Stellen an den letztjährigen Red Bull RB19. Das ist kaum verwunderlich: Drei Ingenieure des besten Teams der Formel 1 heuerten in Grove an und brachten ihr Know-how ein. Das Risiko hat sich bisher (noch) nicht bezahlt gemacht.

Ziel beim FW46 war es, ein Auto zu bauen, das über mehr Allrounder-Qualitäten verfügt und eine bessere Balance hat. James Vowles forderte diesen Konzeptwechsel von seinen Angestellten. "Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich etwas trauen sollen. Wenn wir damit scheitern, dann nehme ich es auf meine Kappe. Wenn wir keinen neuen Weg einschlagen, dann bleiben wir dort, wo dieses Team die letzten zehn Jahre lag." Ergo: weit hinten.

Die Zeiten sollten eigentlich vorbei sein, in denen Williams mit einem konservativen Auto im hinteren Mittelfeld der Formel 1 herumkrebst. In den Saisons 2018 bis 2022 war das einstige Top-Team vier Mal auf dem letzten Platz in der Konstrukteurswertung gelandet.

Logan Sargeant - Williams - Formel 1 - Test - Bahrain - 22. Februar 2024
xpb

Das Team ist Technik-Partner von Mercedes und bezieht das Heck der Silberpfeile.

Mercedes-Abhängigkeit

Eine Problemzone des FW46 scheint die Heckpartie zu sein. Williams setzt hier als Mercedes-Kunde auf die Technik vom Werksteam. Antrieb, Getriebe und Hinterradaufhängung stammen aus der Feder der ehemaligen Formel-1-Dominatoren. Doch bei der Aufhängung entschied sich Williams für das Modell aus der Vorsaison. Es handelt sich um ein Pullrod-Konzept, das letztes Jahr bereits beim Werksteam für Grübeln gesorgt hatte.

Mercedes hat für diese Saison auf eine Aufhängung mit Schubstreben umgesattelt, tappt mit dem W15 aktuell aber selbst im Dunkeln. Aston Martin, das auch den hinteren Teil seines AMR24 von den Silberpfeilen bezieht, hat dort ebenfalls Probleme, vor allem beim Reifenverschleiß. McLaren ist der einzige Mercedes-Kunde, der das Heck selbst entwickelt. Das Traditionsteam macht momentan den besten Job aller Mercedes-befeuerten Autos.

Dank frischem Kapital von Eigner Dorilton konnte und musste Williams in letzter Zeit in die veraltete Infrastruktur investieren. In Grove waren die Uhren aufgrund von knappen Kassen nahezu stehen geblieben.

Der ehemalige Mercedes-Ingenieur Vowles verdeutlichte bereits im Vorjahr die Bedeutung einer modernen Infrastruktur: "Viele der Einrichtungen sind antiquiert. Da die Obergrenze für Kapitalinvestitionen angehoben wurde, haben wir jetzt mehr Spielraum, Dinge zu ändern. Damit haben wir begonnen. Aber du gibst 20 Millionen nicht über Nacht aus. Das ist ein Prozess von Monaten oder Jahren." Williams tauschte in der Zwischenzeit die veraltete Excel-Liste gegen ein modernes Software-Programm aus. Die Liste diente als Überblick für alle Teile des Autos. Sie war bei über 20 000 einzelnen Komponenten zu unübersichtlich.

Alex Albon - Williams - Formel 1 - Melbourne - GP Australien - 22. März 2024
Williams

Alex Albon zerstörte bereits zwei Chassis in der Saison 2024.

Unfälle zur Unzeit

Erschwerend kommt das Chassis-Dilemma hinzu. In Australien feuerte Alex Albon seinen Williams im Training in die Mauer. Das Monocoque war so stark beschädigt, dass es direkt zur Reparatur nach England geflogen werden musste, um für Suzuka wieder zur Verfügung zu stehen. Williams hatte zu diesem Zeitpunkt erst zwei einsatzfähige Chassis gebaut. Also ordnete der Teamchef an, Albon das Auto von Logan Sargeant zu geben.

Die Maßnahme fiel Vowles schwer. "Es war die härteste Entscheidung, seitdem ich in diesem Sport bin. Aber es war die richtige Entscheidung." Albon ist die Punktehoffnung, Sargeant nicht.

Kaum war das zweite Chassis repariert, beklagte das Team den nächsten Crash. Im freien Training von Suzuka stopfte Sargeant das Auto in die Bande. Das Chassis überstand den Aufprall. Anders sah es im Rennen aus. Albon verhedderte sich mit Daniel Ricciardo (Toro Rosso) beim Start. Damit war das nächste Chassis kaputt.

James Vowles - Williams - F1-Test Bahrain 2024
xpb

Teamchef James Vowles krempelt in Grove gehörig um und ist optimistisch für die Zukunft.

Williams-Pace ist zu schwach

Die Mechaniker mussten das Auto wieder in der Fabrik flicken. Die Unfälle verzögerten die Fertigung eines dritten Chassis. Erst für das nächste Rennen in Miami verfügt Williams über ein weiteres Monocoque als Ersatz. In Shanghai fehlte zudem die Pace, wie Vowles offen zugab. "Unser Auto war in China nicht schnell genug. Das war offensichtlich."

Logan Sargeant kassierte eine Zehn-Sekunden-Strafe, weil er Nico Hülkenberg während einer Safety-Car-Phase aus Versehen überholt hatte. Der US-Boy war überrascht, dass ihn das Team über seinen Fauxpas nicht informiert hatte. Vowles entschuldigte sich und gelobte Besserung. "Wir brauchen automatisierte Tools, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert."

Der Engländer machte dennoch Hoffnung für die nächsten Grands Prix. "Wir haben ein paar neue Teile schon ans Auto geschraubt. In Miami kommt dann noch mal etwas Neues und für Imola haben wir ein größeres Upgrade geplant."

Williams hat die Saat gelegt, doch das Ernten verschiebt sich bis auf Weiteres.