Porsche 911 Carrera GTS Test
Der perfekte Porsche 911?

Der Porsche 911 Carrera GTS mit 408 PS bietet alle Zutaten, die zu einem echten Elfer gehören. Die Familie der nicht aufgeladenen Sechszylinder-Motoren bekommt mit ihm interessanten Nachwuchs.

Porsche 911 Carrera GTS, Slalom
Foto: Hans-Dieter Seufert

Carrera. Wieder einmal der Letzte seiner Art. Denn auf der IAA im Herbst wird eine neue Modellgeneration stehen, die sogar an den Grundfesten der Elfer-Historie rüttelt. Sie wird größer sein und mehr Radstand aufweisen. Der Aufschrei der beinharten Stammklientel ist damit abzusehen. Die hat mit schöner Regelmäßigkeit das Ende des klassischen Porsche heraufdämmern sehen, wenn es ans Eingemachte ging.

Porsche 911 Carrera GTS ist mehr als eine Überlegung wert

Das war bei der Einführung der Servolenkung so und erst recht, als die Luftkühlung des Motors Adieu sagte. Der Untergang des Heckmotor-Imperiums wird nicht kommen, aber trotzdem kann es eine gute Idee sein, sich vorsorglich noch einen Porsche 911 Carrera GTS zuzulegen. 

911 GTS gibt es auch als Cabrio

Dieses neue Modell soll alle Tugenden in sich vereinen, die den 911 groß gemacht haben. Es ist nochmals deutlich stärker als der Carrera S, aber es bedeutet keine Komfort-Zugeständnisse wie der kompromisslos auf Sport getrimmte GT3. Der Porsche 911 Carrera GTS verfolgt nicht das alte Porsche-Rezept, nach dem eine spartanische Ausstattung am besten dazu taugt, den bereitwilligen Kunden mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Er ist eher ein Luxus-Porsche, weshalb es ihn auf Wunsch auch als Cabrio und mit dem automatisierten Doppelkupplungsgetriebe gibt. Optisch trägt der Porsche 911 Carrera GTS nicht dick auf – erst recht nicht, wenn er so mausgrau lackiert ist wie der Testwagen.
 
Die gegenüber dem Carrera S im Heckbereich um 44 Millimeter verbreiterte Karosserie des Porsche 911 Carrera GTS fügt sich harmonisch ins klassische Elfer-Design und verleiht dem Blick in die Außenspiegel einen besonderen Reiz. Bis auf die breitere Spur der Hinterachse bleibt auch das Fahrwerk weitgehend naturbelassen, weshalb man darüber nicht viele Worte verlieren muss.

Hoch angesiedelter Grenzbereich

Der Federungskomfort ist für einen Sportwagen dieser Leistungsklasse erstaunlich gut, das Fahrverhalten im Test geprägt von beispielhafter Präzision. Der Grenzbereich des Porsche 911 Carrera GTS ist so weit oben angesiedelt, dass er im Straßenverkehr von vernunftbegabten Fahrern nicht erreicht wird – das war schon vor Jahrzehnten Porsche- Philosophie.
 
300 kW oder 408 PS: historische Zahlen in der Boxer- Mythologie. So viel leistete der mit zwei Ladern aufgepustete 3,6-Liter-Motor des Turbo der Baureihe 993. Jetzt schafft im Porsche 911 Carrera GTS die gleiche Leistung eine nur 200 Kubikzentimeter größere Maschine ganz ohne Aufladung, dafür mit Benzin-Direkteinspritzung, verstellbarer Nockenwelle, modifizierten Zylinderköpfen und einer neu gestalteten Ansauganlage. 

107 PS pro Liter Hubraum im Porsche 911 Carrera GTS sind höchst respektabel für einen Saugmotor, aber sie führen keineswegs zur Charakteristik eines verkappten Renntriebwerks. Die Leistungskurve ist bis 6.500/min nahezu deckungsgleich mit der des 385 PS starken Carrera S-Motors, aber sie steigt dort weiter an, wo dem schwächeren Triebwerk die Luft ausgeht. 
 
Das Drehmoment allerdings liegt im unteren Drehzahlbereich bis 4.400/min klar über dem des S-Motors, und so bleibt der Porsche 911 Carrera GTS, wenn es denn sein muss, ein ganz gemütlicher Bummler, der sich schon zwischen 1.000 und 2.000 Umdrehungen wohlfühlt. Besonders deutlich wird das in Verbindung mit dem Doppelkupplungsgetriebe (PDK). Im Normalmodus D schaltet es sehr früh hoch und lässt den Porsche mit 1.000 Umdrehungen im vierten Gang durch Tempo-30-Zonen rollen. 

Wehe, wenn die Sport-Taste gedrückt wird

Die Kehrseite der Medaille kommt in Position Sport und bei Vollgas zum Vorschein. Die Messwerte zeigen es: Der Porsche 911 Carrera GTS beschleunigt infernalisch, er legt selbst weit oberhalb von 200 km/h noch in einer Art und Weise zu, die das Erreichen des gewünschten Tempos praktisch zu einer An- Aus-Operation macht. Drauftreten, der Motor beißt zu, die Nadel des Drehzahlmessers schnellt hoch, und nach wenigen Wimpernschlägen verkündet der Tacho: Ziel erreicht. 

Noch beeindruckender als die schiere Kraft ist die Lässigkeit, mit der das Triebwerk des Porsche 911 Carrera GTS seiner Arbeit nachgeht. Sechs Zylinder und Boxerbauweise sorgen im Test für eine bestechende Laufkultur. Selbst bei über 7.500/min läuft der Motor so vibrationsfrei und seidig wie die sprichwörtliche Nähmaschine. Wer das Schalten nicht der PDK-Steuerung überlässt, sondern im manuellen Betrieb der Herr im Haus bleiben will, tut gut daran, den Drehzahlmesser genau zu beobachten. Sonst landet man, weil akustisch nicht vorgewarnt, schnell im Begrenzer. 

Porsche 911 Carrera GTS rennt bis zu 304 km/h

Aber halt – da gibt es auch noch eine kleine Taste auf der Mittelkonsole des Porsche 911 Carrera GTS. Wird sie gedrückt, kann der Motor freier auspuffen, was den Sound näher an jene typische Elfer-Komposition bringt, die in früheren, weniger von Zulassungsvorschriften gegängelten Zeiten so kennzeichnend war für die Sechszylinder aus Zuffenhausen.

Aber das Röhren bleibt dezent. Ein Porsche 911 Carrera GTS, so scheint es zu verkünden, ist ein Sportwagen für seriöse Menschen, die nicht unter spätpubertären Problemen leiden. Freuen dürfen sie sich darüber, dass der Obolus an die Ölmultis überraschend bescheiden ausfällt für ein Kraftpaket, das auf Wunsch über 300 km/h schnell sein kann.

Sparsamer Sportwagen

Da dies in der Praxis selten vorkommt, sind Spitzenverbrauchswerte um 17 Liter die Ausnahme. Im regulären Alltagsverkehr kann man mit rund elf Liter/100 km auskommen, der Testverbrauch von 13,9 Liter ist das Ergebnis einer Fortbewegung, die das Porsche-Fahren durchaus nicht ins rein ökonomisch orientierte Absurdum führt. Um den Fortschritt deutlich zu machen: Der gleich starke Turbo von 1995 verarbeitete noch 16,9 Liter in den Brennräumen. Dafür gäbe es heute nicht mehr jene fünf Sterne, die sich jetzt der Carrera GTS an die Brust heften darf.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Porsche 911 Carrera GTS PDK
funktionelle Gestaltung
hohe Material- und Verarbeitungsqualität
gutes Platzangebot
gute Übersichtlichkeit
Fahrkomfort
bequeme, viel Halt gebende Sitze
harmonisch abgestimmte Federung
gute Klimatisierung
eingeschränktes Ansprechverhalten in Dämpferposition Sport
Antrieb
sehr gut ansprechender Motor
gute Durchzugskraft
hohes Drehvermögen
kultivierter Lauf
schnell und präzise schaltendes Doppelkupplungsgetriebe
Fahreigenschaften
sehr sicheres, weitgehend
neutrales Kurvenverhalten
gut abgestimmtes ESP
exakte Lenkung
gute Handlichkeit
sehr gute Traktion
Sicherheit
sehr wirksame, gut dosierbare und standfeste Bremsen
gutes Licht
umfangreiche Sicherheitsausstattung
Umwelt
relativ geringer Verbrauch
Kosten
guter Wiederverkaufswert
hoher Anschaffungspreis
hohe Unterhaltskosten
nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Luxuriös, aber nicht so teuer wie ein Turbo. Stark, aber nicht so extrem sportlich wie ein GT3. Der GTS bietet alles, was einen Elfer auszeichnen sollte: gute Alltagstauglichkeit, höchste Leistung, Fahrvergnügen.

Technische Daten
Porsche 911 Carrera GTS
Grundpreis108.648 €
Außenmaße4435 x 1852 x 1300 mm
Kofferraumvolumen105 l
Hubraum / Motor3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung300 kW / 408 PS bei 7300 U/min
Höchstgeschwindigkeit304 km/h
0-100 km/h4,3 s
Verbrauch10,2 l/100 km
Testverbrauch13,9 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten