Deutsche E-Autos auf der IAA
Kosten runter, Ladegeschwindigkeit rauf!

Die Technik der IAA-Studien von BMW und Mercedes wirkt fortschrittlich. Und anders als manche Zukunftsvision sollen die Serienmodelle von Neuer Klasse und CLA schon 2025 auf den Markt kommen – genau in dem Segment, in dem Tesla mit dem Model 3 den Stückzahldurchbruch schaffte. Gerade im Vergleich mit dessen Faceliftversion, die vor kurzem debütierte, sehen die Deutschen gut aus.

BMW Vision Neue Klasse Leak Front
Foto: Wilcoblok via Instagram

Automessen haben es aktuell und wohl auch in Zukunft vor allem hierzulande nicht leicht: Sie treiben Kritiker wie die Klimakleber der letzten Generation auf die Palme, die sich prompt vor einer Mini-Veranstaltung im Vorfeld der IAA am Stachus in München diesmal sogar festbetoniert haben. Der Messeveranstalter VDA sucht konzeptionell den Kompromiss mit dem Zeitgeist und macht die IAA zur Mobilitäts-Messe. Das wiederum ruft Kritik von Autofans hervor, die sich nicht für E-Bikes oder Scooter interessieren, sondern eben für Autos.

IAA 2023

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Keine Sorge: Autos gibt’s auch auf der IAA 2023 jede Menge – zahlreiche neue Modelle, teils sogar neue Marken für Europa kommen auch in München aus China. Auf die dringlichste Frage vieler Autokäufer geben aber auch die chinesischen Hersteller noch keine klare Antwort: Das besonders günstige Elektroauto für Europa aus China sucht man auf der IAA vergebens, die Asiaten scheinen vielmehr scharf aufs Premium-Segment.

Premium holt Reichweite durch Effizienz

Dass die deutschen Hersteller zumindest in naher Zukunft in der Lage sein könnten, bezahlbare Elektromobilität auf die Räder zu stellen, deuten ausgerechnet zwei Premium-Hersteller an: BMW und Mercedes zeigen Concept Cars, die nahende Serienmodelle der unteren Mittelklasse andeuten. Beide sollen 2025 auf den Markt kommen. BMWs Vision Neue Klasse und Mercedes Concept CLA verheißen jeweils große Sprünge bei den für viele Kunden wichtigen Eigenschaften Reichweite sowie Ladegeschwindigkeit und, das ist neu, auch bei den Herstellungskosten.

Der elektrische CLA soll laut Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer (hier im Interview) auch wegen eines Verbrauchs von "rund 12 kWh auf 100 Kilometer" 750 Kilometer Reichweite schaffen, BMWs Neue-Klasse-Modelle sollen dank 800 Volt-Technik in der Lage sein, 300 Kilometer in zehn Minuten nachzuladen; eine Zeitspanne, die mancher Bayer scherzhaft als 1 Stoiber bezeichnet. Im Vergleich zum gerade facegelifteten Tesla Model 3 – das weiterhin auf die bekannte Antriebs- und Batterietechnik setzt und in 15 Minuten bis zu 282 Kilometer schafft – reicht dieser Techniksprung zumindest zum Setzen des Blinkers links – zum Überholen.

BMW Vision Neue Klasse IAA Mobility (2023)
BMW

Mehr Energiedichte, schneller laden, mehr Effizienz verspricht BMW für die Neue Klasse.

50 Prozent weniger Batterie-Kosten

Ganz schwäbisch geben sich die Münchner hingegen bei den Kosten für den Hochvoltspeicher: Dank neuer Zellen und der von BMW entwickelten Speichertechnologie mit einem als "Cell to open Body" bezeichneten Integrationskonzept dafür könne man die Kosten im Vergleich zur aktuellen, fünften Generation um bis zu 50 Prozent senken. Das Unternehmen habe sich zum Ziel gesetzt, die Herstellungskosten von vollelektrischen Modellen auf das Niveau von Fahrzeugen mit modernster Verbrennungsmotor-Technologie zu bringen.

Denn bei der Vorstellung der Neuen Klasse räumte BMW-Chef Oliver Zipse ein: Die Produktion von E-Autos sei zwar teurer, die Kosten seien höher. Aber er sagte auch: "Die Annahme, dass Verbrenner profitabler sind als Elektroautos, ist komplett falsch".

Der BMW-Boss findet das Verbrenner-Aus falsch

Mancher könnte nun einräumen, die Profite der Hersteller seien der Grund, dass Autokäufer keine bezahlbaren Neuwagen bekommen. Was aber auch klar ist: ohne Profitabilität kein Geschäftsmodell, keine Produktion und keine bezahlbaren Autos aus Deutschland. Wenn die deutschen Hersteller E-Autos mit Rendite bauen können, sind das also erst mal gute Nachrichten: Ihr Geschäftsmodell ist zukunftsfähig, obwohl die EU ihr bisher funktionierendes mit Verbrennermodellen 2035 beendet – was Oliver Zipse in einem Interview mit dem Handelsblatt aus anderen Gründen scharf kritisiert: "Ich halte die politische Vorgabe zum Verbrenner-Aus für fahrlässig". Er bezweifelt einerseits, dass es bis 2035 europaweit eine flächendeckende Infrastruktur für E-Autos geben werde, außerdem fehlten den Europäern Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und seltene Erden für den massenhaften Bau von E-Autos. Europa werde politisch erpressbar, weil man auf Rohstofflieferungen angewiesen sei.

Oliver Zipse BMW-Chef
BMW

Stellt ein vielversprechendes E-Auto vor, findet das Verbrenner-Aus trotzdem nicht gut: BMW-Chef Oliver Zipse

Mit Verweis auf Tesla könnte man nun natürlich sagen, auch Autohersteller, die E-Autos verkaufen wollen, können was für die Ladeinfrastruktur tun. Aber ganze Rohstoffketten unter Kontrolle zu kriegen, das hat für die chinesischen Hersteller der Staat übernommen.

Premiumhersteller können kostengünstig, kann VW günstige Preise?

Die Hausaufgaben, ein technisch und preislich konkurrenzfähiges Produkt zu entwickeln, scheinen BMW und Mercedes aber gemacht zu haben, auch wenn kritische Stimmen angesichts des Erscheinungsjahres 2025 meinen, das sei reichlich spät.

Das bezahlbare E-Auto wird dann dennoch nicht von den Premiumherstellern kommen. Denn Hand aufs Herz: BMW 3er oder Mercedes CLA waren schon bisher nicht die besten Beispiele für günstige Mobilität. Die muss zum Beispiel vom Volkswagen-Konzern kommen. ID.2 und Co. für unter 25.000 Euro sind ebenfalls für das Jahr 2025 angekündigt. Bei der IAA zeigt VW allerdings den ID.GTI, der eher zwei Jahre später kommen wird und auch nicht zum anvisierten Preis. In dem dürften reisetaugliche Reichweiten ohnehin genauso wenig enthalten sein wie schnelle Ladezeiten.

Aber genau das macht das Einstiegsmodell doch irgendwie zur Mogelpackung: Kommt es nur etwa 300 Kilometer weit, disqualifiziert es sich nach heutigen Maßstäben als Erstwagen. Und zwei Autos können sich die, die günstige Mobilität suchen, nicht leisten. Vielleicht sorgt künftig nicht mehr das Auto für die günstige Langstreckenmobilität.

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Ja, bei den permanenten technischen Fortschritten glaube ich inzwischen daran.Nein, das halte ich nach wie vor für eine Träumerei.

Fazit

BMW und Mercedes bringen offenbar neue Modelle, deren E-Auto-Eigenschaften sich auch beim Serienstart 2025 state of the art oder ein bisschen mehr sein dürften. Dass sie dabei offenbar auch bei den Herstellkosten große Fortschritte machen, sollte VW in Wallung bringen. Denn das günstige E-Auto für alle erwartet das Volk – tja – von Volkswagen eben. Die Lithium-Eisenphosphat-Batterien, mit denen VW billiger werden will, hat BYD bereits 2020 vorgestellt und selbst Luxushersteller Mercedes will sie in der Mercedes-Modular-Architecture (MMA) für 2025 bringen.

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