E.Go Life 60 im Fahrbericht
So gut fährt das günstigste E-Auto

Mit dem Life will das Aachener Start-up e.GO beweisen, dass Elektroautos für die Stadt durchaus günstig sein können, wenn man keine allzu großen Batterien einbaut und clever produziert. Besonders überraschend: Das Topmodell Life 60 macht sogar richtig Spaß.

E.Go Life Fahrbericht
Foto: e.GO Mobile AG

Es ist nicht schwierig, ein Elektroauto zu bauen. Es ist jedoch schwierig, ein günstiges Elektroauto zu bauen. Professor Günther Schuh muss es wissen, mit dem StreetScooter entwickelte das Team rund um den Produktionsfachmann der RWTH Aachen schon einmal einen günstigen Stromer, der inzwischen von der Deutschen Post in Eigenregie weitergebaut wird. Schuhs jüngster Streich e.GO Life soll jedoch keine Pakete ausfahren, sondern Menschen in der Stadt lokal emissionsfrei und vor allem günstig ans Ziel bringen. So liegt das ab Spätsommer lieferbare Basismodell Life 20 mit 14,5-kWh-Batterie bei 15.900 Euro, nach Abzug der Elektro-Kaufprämie bleiben 11.900 Euro – inklusive Akku, für den keine monatliche Miete anfällt. Die getestete Topvariante Life 60 (23,5 kWh), mit der jetzt die Produktion beginnt, kostet nach Abzug der Prämie 15.900 Euro (19.900 Euro ohne Förderung). Dazwischen rangiert der e.GO 40 für (geförderte) 13.900 Euro.

Unsere Highlights

Die Batteriegröße bestimmt den Preis

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Die aktuell verfügbaren Schnelllader waren dem e.Go-Team zu teuer. . Sobald ein günstiger Schnellader gefunden ist, soll er zumindest gegen Aufpreis ins Sortiment aufgenommen werden.

Die mittlere Variante liegt mit ihren 17,5 kWh in Sachen Batteriegröße nahezu genau auf dem Niveau eines Elektro-Smart, der nach Abzug der Kaufprämie auf knapp 18.000 Euro kommt und nur zwei Personen befördert. Die Batterie ist das teuerste Teil an einem E-Auto, was beim Blick auf andere Stromer mit wesentlich größeren Reichweiten wie den Renault Zoe auffällt: Mit dem 41 kWh-Akku für über 300 Kilometer Reichweite kostet der Renault selbst nach Abzug der Kaufprämie noch über 30.000 Euro.

Wie e.GO so günstig produzieren kann, lassen wir uns später erklären, jetzt schauen wir uns erst einmal das Auto an: Obwohl nur 3,35 Meter lang, bietet es vier vollwertige Sitzplätze und einen 140 Liter fassenden Mini-Kofferraum. Wer nur zu zweit fährt, legt die hinteren Lehnen um, wodurch sich das Volumen auf üppige 640 Liter erhöht. Angesichts der kompakten Außenmaße überrascht das Raumgefühl: Selbst zwei Meter große Fahrer finden eine akzeptable Position hinter dem kleinen Sportlenkrad.

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Solide Bedienelemente, ein kontrastreiches Display und das Infotainment-System von JBL, dessen Funktionsumfang per Apple CarPlay und Android Auto erweitert werden kann, wirken alles andere als billig.

Solide Bedienelemente, ein kontrastreiches Display und das Infotainment-System von JBL, dessen Funktionsumfang per Apple CarPlay und Android Auto erweitert werden kann, wirken ebenfalls alles andere als billig. Vom Kostendruck der Entwickler künden jedoch schlichte Cockpitmaterialien mit scharfkantigen Guss-Graten an den Türtaschen sowie dünn gepolsterte Sitze mit wenig Seitenhalt und einem fummeligen Klappmechanismus. Doch für rückenbelastende Langstreckenfahrten ist der Life 60, der unter Optimalbedingungen 145 km weit kommt, ohnehin nicht ausgelegt.

Fährt wie ein E-Go-Kart

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Das Top-Modell wirft sich mit Wonne in jede Biegung, die er seitenneigungsarm und neutral durchfährt.

Für schnelle Ampelstarts hingegen schon. Mit Nachdruck wuchtet sich der Stadtfloh aus dem Block, auf den ersten Metern dürften selbst doppelt so starke Verbrennerautos ihre Probleme haben, an ihm dranzubleiben. Vom tiefen Schwerpunkt durch die im Boden untergebrachten Batterien profitiert das Fahrverhalten. So wirft sich der Life mit Wonne in jede Biegung, die er seitenneigungsarm und neutral durchfährt.

Auf ESP muss unser Testwagen genau wie die ersten Kundenautos verzichten, die Homologation seitens des Zulieferers fehlt derzeit noch. Und ohne ESP kann auch die Rekuperationsfunktion nicht freigegeben werden, da beim Rekuperieren ein Schleppmoment an der Hinterachse entsteht, welches bei Glätte zu unsicheren Fahrzuständen führen könnte. In einigen Wochen soll die ESP-Zulassung jedoch erteilt sein, alle bis dahin ausgelieferten Autos werden dann upgedatet, da die nötige Technik bereits verbaut wird.

So gut wie nichts zu hören ist vom 60-kW-Bosch-Motor im Heck, lediglich leichte Windgeräusche dringen in den Innenraum. Zum Fahrspaß trägt die direkt ausgelegte und nicht zu leichtgängige Lenkung bei, mit der sich der Viersitzer auf kurvigen Landstraßen wie ein Go-Kart dirigieren lässt. Go-Kart-Gefühle weckt auch die straffe Abstimmung. Während der Abrollkomfort akzeptabel ausfällt, schütteln tiefere Verwerfungen den Life kräftig durch.

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Für die Außenhaut setzt e.GO auf thermoplastische Kunststoffe, wie sie sonst für Schürzen oder Kotflügel verwendet werden. Die bereits in Wagenfarbe gelieferten Platten müssen nicht noch zusätzlich lackiert werden und lassen sich günstig formen.

Um das in Aachen gebaute Auto zu solch günstigen Konditionen anbieten zu können, setzte das Team von Günther Schuh bei Produktion und Entwicklung an: Statt teure Presswerkzeuge für eine selbsttragende Blechkarosserie anzufertigen, kommt ein Alu-Chassis aus Stangenprofilen zum Einsatz. Und das spart richtig Geld: So sind für den Bau einer selbsttragenden Karosserie rund 25 große Pressanlagen nötig, die jeweils rund zwei bis 3,5 Millionen Euro kosten, was für ein herkömmliches Auto allein über den Maschinenpark eine Umlage von 10.000 Euro bedeuten kann. Durch die Verwendung von Standard-Stangenprofilen fallen pro Life hingegen nur 550 Euro Werkzeugkosten an. Auch eine Lackieranlage ist nicht nötig: Für die Außenhaut setzt e.GO auf thermoplastische Kunststoffe, wie sie sonst für Schürzen oder Kotflügel verwendet werden. Die bereits in Wagenfarbe gelieferten Platten müssen nicht noch zusätzlich lackiert werden und lassen sich günstig formen. Dennoch wirken sie glatt und hochwertig wie konventionelle Blech-Teile.

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Die Übernahme bereits fertig entwickelter Komponenten aus den Regalen von PSA (Spiegel, Türgriffe etc.) oder Bosch (Antrieb) spart ebenso Geld. Die Rücklichter von Jokon kosten beispielsweise schlanke 24 Euro und verrichten ihren Dienst genauso zuverlässig wie speziell designte Exemplare für die eigene Gussformen angefertigt werden müssen.

An einer wichtigen Stelle will Günther Schuh seinen bisherigen Sparkurs jedoch noch revidieren: Bisher gibt es für den e.GO noch kein Schnelladesystem. Mehr als 3,7 kW können nicht zugeführt werden, alle in Frage kommenden 11 oder 22 kW-Lader am Markt waren Kostenoptimierer Schuh zu teuer. Sobald ein günstiger Schnellader gefunden ist, soll er zumindest gegen Aufpreis ins Sortiment aufgenommen werden. Angesichts der kleineren Akkus wiegt das langsame Laden zwar nicht so schwer wiegt wie bei langstreckentauglichen Stromern. Eine komplette Vollladung dauert beim Life 60 jedoch knapp sieben Stunden, was den e.GO von allen Strecken über 145 Kilometer praktisch ausschließt.

Bosch-Dienste übernehmen die Wartung

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Die Rücklichter von Jokon kosten schlanke 24 Euro und verrichten ihren Dienst genauso zuverlässig wie speziell designte Exemplare für die eigene Gussformen angefertigt werden müssen.

Vertrieben werden soll der e:GO übrigens über herstellerunabhängige Autohäuser. Im Fokus sind dabei größere Mehrmarkenhändler mit angedocktem Bosch-Dienst. Interessenten können sich den e.GO in deren Showrooms ansehen und Probefahrten vereinbaren. Kundendienst und Reparaturen werden von den Bosch-Diensten durchgeführt, was insofern naheliegt, als der Antriebsstrang ohnehin vom süddeutschen Zulieferer kommt. Noch in diesem Jahr werden rund 60 Betriebe ausgewählt, mittelfristig sollen es deutschlandweit 150 bis 200 Händler werden. Wer heute einen e.GO bestellt, muss jedoch schon mit einer Lieferfrist von knapp einem Jahr rechnen. Derzeit läuft die Produktion des Life 60 im Aachener Werk langsam an. Life 20 und 40 folgen im Herbst. 3.500 Vorbestellungen müssen abgearbeitet werden, mehr hat e.GO nicht angenommen, um die Lieferzeiten nicht weiter zu erhöhen. Ab Sommer soll es als Alternative zur Barzahlung auch Leasing- und Finanzierungsangebote geben. Im Leasing (48 Monate, 10 000 km/Jahr) peilt e.GO eine Rate von 99 Euro im Monat an, inklusive Batterie.

Fazit

Seine clevere Produktionsmethode macht den e.GO zum günstigsten Elektroauto Deutschlands. Bis auf ein Schnellladesystem fehlt es dem äußerst zackig abgestimmten Life an nichts Wesentlichem, um vier Erwachsene bequem in der Stadt zu transportieren.

Technische Daten
e.GO Life 60
Grundpreis19.900 €
Außenmaße3348 x 1700 x 1567 mm
Kofferraumvolumen140 bis 640 l
Höchstgeschwindigkeit152 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten