Gescheitertes Solarauto Lightyear 0
Solarauto unterm Hammer – 3, 2, 1, … deins

Lightyear hatte mit dem Lightyear 0 ein E-Auto vorgestellt, "das man monatelang nicht aufladen muss". Im Dezember 2022 startete die Produktion, der Preis war enorm. Dann ging den Niederländern das Geld aus. Die Produktion des Lightyear 0 wurde eingestellt, die Überbleibsel kann man nun im Internet kaufen – bis hin zum vollständigen Prototyp.

Lightyear 0 Solarauto mit Elektroantrieb
Foto: Lightyear / Atlas Technologies B.V.

Elektroautos von Start-ups sind nichts Ungewöhnliches mehr, der Ansatz der niederländischen Marke Lightyear hingegen schon. "Lightyears langfristiges Ziel ist es, solare Elektroautos für den Massenmarkt zu entwickeln und damit eine nachhaltige Lösung für die weltweit wachsenden Mobilitätsbedürfnisse anzubieten", erklärte Lex Hoefsloot, CEO und Mitgründer von Lightyear, anfangs. Der Start sollte in der ersten Jahreshälfte 2022 mit dem Erstlingswerk gelingen, das damals noch den Namen One trug.

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Noch vor dem Marktstart wurde der Lightyear umgetauft. Aus Lightyear One wurde Lightyear 0. Das soll den lokal emissionsfreien Charakter des Elektroautos symbolisieren. Aber auch noch andere Aspekte wie die Tatsache, dass die Niederländer vor etwa sechs Jahren bei Null mit diesem Projekt angefangen haben. Auch das Firmenlogo hatte sich bis 2022 geändert: Seine drei Elemente sollten das Fließende darstellen. Die Produktion des Lightyear 0 war im Dezember 2022 bei Valmet Automotive angelaufen, die dazu im Werk in der finnischen Stadt Uusikaupunki eine eigene Produktionslinie für den Lightyear eingerichtet hatten.

Lightyear pleite, Produktion eingestellt

Am 23. Januar 2023 kam dann aus den Niederlanden überraschend die Ansage, dass man die Produktion des Lightyear 0 wieder eingestellt hat. Das Unternehmen könne seinen Zahlungsverpflichtungen für die Produktion nicht nachkommen. Wenige Tage später ging es in Konkurs. Doch offensichtlich konnte ein Teil der Firma gerettet werden. Dieser will sich fortan auf den Lightyear 2 konzentrieren – ein erschwinglicheres Modell für den Massenmarkt, das 2025 kommen soll.

Vom Lightyear 0 sollten ursprünglich 946 Exemplare gefertigt werden. Was mit den wenigen bereits gebauten Autos passieren sollte, blieb zunächst unklar – bis jetzt. Im Auftrag des Insolvenzverwalters versteigert das niederländische Auktionshaus Troostwijk aktuell die Lightyear-0-Überbleibsel im Internet. Darunter einige mehr oder weniger komplette Prototypen, von denen keiner eine reguläre Straßenzulassung besitzt und die meist nur bedingt fahrtüchtig sind. Aber auch Chassis und Rohkarossen, Batteriepakete, E-Motoren oder "diverse Autoteile, Kabel, Rohre, Dichtungen, Felgen und Reifen" hat Troostwijk im Angebot.

Überbleibsel in der Online-Auktion

Aber auch 3D-Drucker, Schreibtische, Computer-Bildschirme, Wanddekoration und Büroartikel hat das Auktionshaus im Angebot. Sollten Sie in den nächsten Tagen nicht zum Einkaufen kommen, können Sie sich auf diese Weise auch Toilettenpapier oder Müllsäcke organisieren. Insgesamt 229 Lose umfasst die Online-Auktion, die am kommenden Montag (24. April) vormittags endet. Und die den Eindruck erweckt, hier wird der komplette Hersteller abgewickelt und nicht nur der Teil, der für den Lightyear 0 zuständig war.

Das wäre der Lightyear 0 gewesen

Lightyear hatte den One aka 0 als Solar-Elektroauto konzipiert. Damit wollte der Hersteller die Schwierigkeit umgehen, eine Ladeinfrastruktur entwickeln zu müssen, indem seine Fahrzeuge nur die Sonne und gewöhnliche Steckdosen als Energiequelle nutzen. Je nach Standort sollte der Lightyear so wochen- oder gar monatelang ohne Aufladung fahren können. Die reine Batteriereichweite betrug dem Hersteller zufolge bis zu 625 km im WLTP-Zyklus. Pro Tag sollten sich maximal 70 Kilometer Reichweite per Sonne nachladen lassen. Den Energieverbrauch gab Lightyear mit 10,5 Kilowattstunden pro 100 Kilometer an.

Dass der erste Lightyear ein genügsamer Geselle hätte sein können, hatte ein Prototyp bereits im Sommer 2021 angedeutet. Bei einem Performance-Test auf einer Ovalstrecke des Aldenhoven Testing Centers in Nordrhein-Westfalen schaffte das noch getarnte Solar-Elektroauto 710 Kilometer mit einer Batterieladung. Bei einer konstanten Geschwindigkeit von 85 km/h verbrauchte das damals noch Lightyear One genannte Auto dem Hersteller zufolge 137 Wattstunden pro Meile, was umgerechnet etwa 8,5 Kilowattstunden auf 100 Kilometer entspricht. Zum Vergleich: Im auto motor und sport-Test verbrauchte das Tesla Model 3 in seiner Performance-Version im Schnitt 23,5 kWh/100 km. Der Polestar 2 kam sogar auf 28,4 kWh/100 km.

Möglich wurde das durch die vielen Solarmodule, die die Entwickler auf der Haube, dem Dach und dem Kofferraum des Autos verteilt hatten. Sie luden den Akku ständig nach, auch unterwegs. Insgesamt passten etwa fünf Quadratmeter Solarzellen auf's Auto, die dicht gepackt nebeneinander platziert wurden und eine Spitzenleistung von 1.250 Watt liefern sollten. "Dank dieser Leistungsfähigkeit und der Tatsache, dass wir das Auto an allen Ecken und Enden auf Effizienz getrimmt haben, genügt uns ein Akku, der nur zwei Drittel der Größe eines Jaguar iPace oder Tesla hat", meinte Lightyear-Chef Lex Hoefsloot einst bei einer Präsentation. Lightyear nannte für die Batterie eine Kapazität von 60 Kilowattstunden und ein Gewicht von 350 Kilogramm.

Vier Radnabenmotoren

Da sich Hoefsloot und sein Team bewusst waren, dass die Sonne nicht immer scheint, konnte der Lightyear 0 auch an der Steckdose laden, und zwar 32 Kilometer pro Stunde. Wer demnach zwölf Stunden an der Schuko-Dose geladen hätte, hätte sich so 384 Extra-Kilometer verschafft. Per Schnelllader ließ sich mit bis zu 50 kW Strom nachtanken. Dafür war hinten rechts am Auto eine CCS-Buchse untergebracht, über die auch mit einem Typ-2-Stecker mit 22 kW geladen werden konnte. Der Energiespeicher sollten aber auch als Stromquelle für externe Verbraucher oder gar das eigene Haus dienen.

Lightyear setzte auch auf eine andere Motorisierung als die Konkurrenz. Der Allradantrieb bestand aus vier einzeln angesteuerten Radnabenmotoren, die Lightyear zusammen mit dem slowenischen Spezialisten Elaphe entwickelt hatte. Sie sollten den Lightyear 0 in weniger als zehn Sekunden auf 100 km/h bringen. Mit Teslas Superbeschleunigungen von unter drei Sekunden hatte das nur wenig gemein, aber darum ging es den Verantwortlichen bei Lightyear auch nicht. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 160 km/h.

Das Leergewicht der Serienversion war mit 1.575 Kilogramm angegeben. Eigentlich hatte Lightyear in der Entwicklungsphase ein Zielgewicht von rund 1.300 Kilogramm angestrebt. Damals arbeitete Lightyear mit dem Dienstleister EDAG zusammen. Mit den schwedischen Sportwagen-Spezialisten von Koenigsegg bestand zwischenzeitlich ebenfalls eine Technologie-Partnerschaft. Das Design erarbeitete Gran-Studio aus Turin. "Für uns Designer war das nicht immer leicht", erklärt Lowie Vermeersch, CEO von Gran-Studio. "Denn aerodynamische Formen sind nicht von Haus aus die schönsten. Aber die Windschlüpfigkeit ist bei diesem Projekt entscheidend. Außerdem mussten wir möglichst viel Fläche für die Solarzellen schaffen. Für Sicken und Kanten war da kein Platz, denn sie sorgen für Verwirbelungen, die wir unbedingt vermeiden wollten."

Der cW-Wert lag bei 0,175

Herausgekommen war eine 5,08 Meter lange, 1,97 Meter breite und 1,45 Meter hohe Coupé-Linie, die Lightyear selbst als Hatchback bezeichnete. Die Bodenfreiheit betrug vergleichsweise üppige 18,3 Zentimeter. Der Vorderwagen mit seinen aktiven Lufteinlässen erinnerte in der Seitenansicht an einen Porsche 911. Der Rest an eine Kreuzung aus Audi A7 Sportback und Honda Insight der ersten Generation, der damals ebenfalls für eine bessere Aerodynamik abgedeckte Radkästen an der Hinterachse hatte. Beim Lightyear 0 gab es dieses Feature optional ohne Aufpreis. Nachhaltigkeit war auch bei den Materialien Trumpf: Bei der Karosserie wurden Reste von Carbon-Fasern wiederverwendet, die sonst im Müll gelandet wären.

Lightyear 0 Solarauto mit Elektroantrieb
Lightyear / Atlas Technologies B.V.
Der Lightyear 0 soll einen sensationellen cW-Wert von 0,175 schaffen.

Die Niederländer behaupteten, mit dem Lightyear 0 das windschlüpfigste Serienfahrzeug der Welt erschaffen zu haben. Ein Test in einem Stuttgarter Windkanal ergab einen Luftwiderstandsbeiwert von cW=0,175. Damit war das Solarauto noch besser als angestrebt (das Ziel war ein cW-Wert von 0,19). Aus aerodynamischen Gründen gab es statt klassischer Rückspiegel nach hinten gerichtete Kameras, die ihr Bild auf innen an den A-Säulen angebrachte Monitore sendeten und so über das informierten, was hinter dem Lightyear 0 los war. Weil aufgrund der Solar-Panels keine Heckscheibe existierte, gab es keinen Innenspiegel. Auch an dessen Position saß ein Bildschirm, der ein Kamerabild darstellte.

Infotainment-System mit Android Automotive

Im veganen Interieur verwendete Lightyear lederähnliche Materialien auf Pflanzenbasis, Stoffe aus recycelten PET-Flaschen und Mikrofasern sowie hölzerne Dekorelemente aus nachhaltig angebautem Rattan. Das Cockpit des Fünfsitzers mit 640 bis 1.076 Liter großem Kofferraum war klassisch gestaltet. Hinter dem unten leicht abgeflachten Lenkrad saß ein Instrumenten-Display. Zentral auf dem Armaturenbrett befand sich ein 10,1 Zoll großer Infotainment-Touchscreen, über den – ähnlich wie bei Tesla – fast alle Funktionen gesteuert werden sollten und der das Android-Automotive-Betriebssystem nutzte. Zwischen dem Monitor und der Mittelkonsole mit ihrem Zwölf-Liter-Staufach waren die Drucktasten für die Getriebesteuerung angeordnet.

Lightyear 0 Solarauto mit Elektroantrieb
Lightyear / Atlas Technologies B.V.
Klassisch gestaltetes und aufgeräumtes Interieur im Lightyear 0.

Als Preisvorstellung wurden zu einem früheren Zeitpunkt 119.000 Euro plus Steuern genannt. Wer später jedoch den Konfigurator auf der Lightyear-Website aufrief, wurde aber mit einem Mindesttarif von 250.000 Euro konfrontiert. Fraglich ist nun, wie es mit dem Lightyear 2 weitergeht. Eine Internetseite zu diesem Modell existiert weiterhin; sie scheint seit der Insolvenz jedoch nicht mehr aktualisiert worden zu sein.

Sitzprobe im Lightyear-One-Prototyp

Als erste Journalisten überhaupt durften wir im One auch Platz nehmen. Einzige Bedingung: "Bitte seid vorsichtig beim Einsteigen." Gesagt, getan und wir sitzen in den bequemen Recaro-Schalen, ohne die breiten und hohen Schweller mit ihrem polierten Aluminium zu zerkratzen. Uns ragt ein sportlich kleines Lenkrad mit Alcantara-Überzug, kleinen Holzapplikationen und zwei kleinen Touchflächen, die mit dem Daumen bedient werden können, entgegen. Cockpit und Armaturenbrett tragen zwei Displays, die leider noch nicht funktionieren, später aber Dienste wie Apple Carplay und Android Auto unterstützen sollen.

Insgesamt wirkt der Innenraum sehr schlicht und aufgeräumt. Die Türen sind mit einem 3D-Gewebe verkleidet, das sich auch über den breiten Mitteltunnel spannt. Er dominiert den Innenraum und ist ebenfalls mit Holzapplikationen versehen. Hinter denen verbergen sich jede Menge Stauraum (bis zu zwölf Liter), Ladeschalen fürs kabellose Laden des Smartphones und drei USB-Anschlüsse. Die Luftigkeit anderer reiner Elektroautos wie Tesla Model 3 oder BMW i3 bietet der Lightyear One aber nicht. Ein weiter Grund dafür: Wegen der geringen Fahrzeughöhe und einer Bodenfreiheit von rund 20 Zentimetern bleibt innen nicht allzu viel Platz nach oben. Gerade einmal eine halbe Handbreite bleibt über dem Kopf des 1,80 Meter großen Autors. Und hinten? Trotz der Länge bietet der Fond zwar nicht den Platz eines Skoda Superb, aber ausreichend Beinfreiheit. Allerdings schlägt auch hier wieder die aerodynamische Dachlinie zu und kostet Kopfraum – großgewachsenen Passagiere reicht er unter Umständen nicht.

Surfboard im Kofferraum

Wer sich jetzt fragt, wo der ganze Platz hin ist, wird beim Öffnen des Kofferraums fündig. Der fasst nämlich 780 Liter, mit umgeklappten Sitzen (60:40) sogar 1.701 Liter und ist so lang, dass er ein ganzes Surfboard schluckt, wie während der Präsentation gezeigt wurde.

Lightyear One (2020)
J. Greiner
CEO Hoefsloot (rechts) erklärt Redakteur Leicht das Interieur: Als einer der ersten Journalisten durften wir im One Platz nehmen

Bleibt die Frage, wie ein 28-jähriger CEO es schafft, ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern auf die Beine zu stellen, das über 15 Millionen Euro eingesammelt hat und ein Auto bauen will, dass so noch niemand gebaut hat. Auf die Frage weiß Lex Hoefsloot im ersten Moment auch keine Antwort, versucht es dann aber doch. "Wir haben bereits drei Mal (2013, 2015, 2017) die World Solar Challenge gewonnen. Wir wissen also, wie man mit der Sonne als Energieträger umgehen muss und kennen damit wie kaum ein anderer das Potenzial, das hinter Solarmobilität steckt. Aus diesem Grund war es vielleicht auch ein bisschen unsere Pflicht, es zumindest zu versuchen, das, was mit einem Studentenprojekt begonnen hat, größer zu denken".

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Fazit

Lightyear zeigte mit dem 0, der früher One hieß, einen interessanten Ansatz zum Thema Elektromobilität: Mit effizientem Design, Lademöglichkeit per 230-Volt-Steckdose und Solarmodulen machte sich der innovative Fünftürer vom Aufbau einer Schnell-Lade-Infrastruktur unabhängig. Doch bevor das Solarauto Kundinnen und Kunden von seinen Qualitäten überzeugen konnte, ging dem niederländischen Start-up das Geld aus. Die im Dezember 2022 angelaufene Fertigung wurde bereits im Januar wieder eingestellt; kurz darauf folgte die Insolvenz. Nun wird das Projekt Lightyear 0 per Online-Auktion endgültig abgewickelt. Manchmal zerplatzen Träume auf sehr bittere Weise.