Rimac C-Two wird zum Nevera
Mit 1.914 PS und bis zu 412 km/h

Der Rimac Nevera ist das stärkste und schnellste elektrische Serienfahrzeug der Welt. Nicht die einzigen Superlative rund um das Elektro-Hypercar.

Rimac Nevera Top-Speed-Rekord
Foto: Rimac

Ursprünglich sollte der Elektro-Sportwagen sein Debüt auf dem Genfer Autosalon 2020 feiern; damals hieß er noch Rimac C-Two. Doch die Messe fiel als eine der ersten europäischen Großveranstaltungen wegen des Covid-19-Virus aus. Stattdessen wurde die Präsentation des Serienautos auf 2021 verschoben. Dieses trägt seitdem einen neuen Namen: Rimac Nevera.

18 Prototypen, 45 Crashtests und 1,6 Millionen Stunden Forschung und Entwicklung sind ins Land gegangen, bis der Rimac Nevera endlich offiziell vorgestellt wurde. Das Debüt-Modell trug die Lackierung Callisto Green in Kombination mit einem sandfarbenen Interieur und graphitgrauen Rädern. Um ein Kundenfahrzeug handelte es sich dabei allerdings nicht. Der Nevera mit der Seriennummer #000 verbleibt als Showcar im Besitz des Herstellers.

Unsere Highlights

Nico Rosberg als Kunde

Fünf Wochen dauert die Produktion eines einzelnen Fahrzeugs. Einer der ersten Kunden war Nico Rosberg, der Formel-1-Weltmeister von 2016. Erste Probefahrten im Elektro-Hypercar und die Lieferung an seinen Wohnsitz in Monaco kurz vor Weihnachten 2022 hat Rosberg auf für ihn typische Art per Youtube-Video dokumentiert.

Der Antrieb

Die Gesamtleistung der vier Elektromotoren gibt Rimac mit 1.914 PS an; das maximale Drehmoment liegt bei 2.360 Newtonmetern. Die rasante Leistung verpackt Rimac in unterschiedliche Fahrmodi. Neben Range und Comfort stehen auch Sport, Track und Drift zur Verfügung. Zudem kann der Fahrer zwei individuelle Settings programmieren.

Auf ein klassisches ESP oder eine herkömmliche Traktionskontrolle verzichtet der kroatische Hersteller. Stattdessen kommt das Allrad-Torque-Vectoring-System R-AWTV 2 zum Einsatz. Über verschiedene Sensoren sammelt dieser elektronische Helfer Daten zur Fahrbahnbeschaffenheit und unternimmt bis zu 100 Rechenschritte pro Sekunde. Jedes einzelne Rad soll so immer mit dem passenden Kraft-Traktions-Verhältnis bedacht sein. Ist irgendwann der komplette Stillstand gefragt, übernimmt eine Carbon-Keramik-Bremsanlage von Brembo die Verzögerung. Deren Scheiben messen vorn wie hinten 390 Millimeter, jeweils sechs Kolben pressen den Belag auf die Scheiben. Bevor das passiert, wird per Rekuperation mit einer Leistung von bis zu 300 kW verlangsamt.

Für den Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit ist auch das zusammen mit dem deutschen Zulieferer KW Automotive entwickelte Fahrwerk verantwortlich. Doppelquerlenker-Aufhängung, elektrisch verstellbare Dämpfer und Niveauregulierung arbeiten hier zusammen. Antriebseinflüsse auf die Lenkung sind übrigens nicht zu erwarten, denn der Nevera verfügt über ein Steer-by-wire-System ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Rädern. Hier gibt ein Steuergerät die sensorisch erfassten Lenkbefehle elektrisch weiter.

Die Fahrleistungen

Rimac gab den Null-auf-Hundert-Beschleunigungswert anfangs mit 1,85 Sekunden an; inzwischen sprechen die Kroaten etwas bescheidener von 1,97 Sekunden. Die Viertelmeile schnupft das Elektro-Hypercar in 8,582 Sekunden, was zwischenzeitlich einen Rekord für Serienautos bedeutete.

In Kundenhand ist die Höchstgeschwindigkeit auf 352 km/h begrenzt. Bei einem Rekordlauf in Papenburg schaffte der Nevera aber bereits 412 km/h – Rekord für straßenzugelassene E-Autos. Diese Geschwindigkeit schaltet Rimac jedoch nur bei speziellen Kundenveranstaltungen mit eigener Unterstützung und unter kontrollierten Bedingungen frei. Bei Facebook kündigte Mate Rimac ferner einen Bestwert in der Disziplin 0-400 km/h-0 an. Die genaue Zeit ist jedoch noch nicht bekannt.

Der Akku

Die H-förmige Traktionsbatterie des Hypercars zieht sich vom Fußraum bis hinter die Sitze und verfügt über eine Kapazität von 120 kWh. 6.960 Zellen speichern bis zu 1,4 Megawatt, die Zellchemie setzt sich aus Lithium, Mangan und Nickel zusammen. Die Akku-Konstruktion versorgt nicht nur den Antrieb mit Energie, sondern trägt auch mit 37 Prozent zur strukturellen Steifigkeit des gesamten Fahrzeugs bei.

Elektro Supersportwagen Rimac Nevera Serienmodell 2021
Rimac
Der 120-kWh-Akku im Boden versorgt das Auto nicht nur mit Energie, sondern macht die ganze Konstruktion signifikant steifer.

Im Range-Fahrmodus sollen geübte Elektroauto-Piloten bis zu 550 Kilometer (WLTP) abspulen können. Die maximale Ladeleistung gibt Rimac mit 500 kW an. So füllt sich der Akku in nur 19 Minuten von null auf 80 Prozent.

Die Konstruktion

Dass ein Auto von diesem Kaliber dramatische Auftritte hinlegen muss, versteht sich von selbst. Dabei helfen die weit ausgeschnittenen Schmetterlingstüren. Fahrdynamisch relevanter sind allerdings die Verbesserungen der Aerodynamik. Deren Effizienz hat sich durch die Modellierung von Karosserieteilen, Diffusor, Splitter und Lufteinlässen gegenüber früheren Prototypen beim Serienmodell um 34 Prozent verbessert. Alle aktiven Aero-Teile, zu denen auch der Heckflügel gehört, verstellen sich je nach Fahrsituation unabhängig voneinander. Der Fahrer kann allerdings selbst Einfluss nehmen und zwischen "Low Drag" und "High Downforce" wählen.

Die Basis der Konstruktion bildet ein Carbon-Monocoque, das nach eigenen Angaben das größte Kohlefaser-Einzelteil der gesamten Automobilindustrie ist. Es wiegt weniger als 200 Kilogramm und bietet eine Torsionssteifigkeit von 70.000 Newtonmetern pro Grad. Diesen Wert sortiert Rimac ebenfalls an der Spitze aller jemals gebauten Autos ein.

Das Interieur

Der Innenraum zeigte sich auf den ersten Bildern als Kombination aus hellbraunem Leder und Carbon. Das jedoch ist nur eine von unzähligen möglichen Konfigurationen. Drei Modelvarianten bietet Rimac an – GT, Signature und Timeless. Darüber hinaus haben die Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, das Auto komplett nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. In jedem Fall nehmen die Insassen auf Alcantara-bespannten Carbon-Sitzen Platz, die sich elektrisch verstellen lassen.

Elektro Supersportwagen Rimac Nevera Serienmodell 2021
Rimac
Der Beifahrer oder die Beifahrerin darf sich über ein eigenes Display freuen.

Zu den digitalen Instrumenten gesellt sich ein zentraler Touchscreen, unter dem einige mechanische Tasten auf der Mittelkonsole sitzen. Der Fahrstufen-Drehregler befindet sich auf der linken Seite des Lenkrads und startet nach einem Druckbefehl das Fahrzeug. Weitere Aluminium-Drehregler steuern die Fahrmodi und die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse. Der Beifahrer oder die Beifahrerin erhält ein eigenes Display, auf dem Geschwindigkeit und die aktuell abgerufene Leistung angezeigt werden. Auf Lenkstockhebel verzichtet Rimac gänzlich. Blinker, Beleuchtung und Wischer werden über Lenkradtasten bedient. Die Lüftungsdüsen sind aus mattiertem Aluminium gefertigt, der komplette Armaturenträger ist leicht zum Fahrerplatz geneigt.

Alle Daten zur Performance des Autos lassen sich auf dem zentralen Display darstellen und bei Bedarf auf ein mobiles Endgerät übertragen. Eine Rimac-Smartphone-App gehört ebenso zum Gesamtpaket. Spannend ist die Integration eines virtuellen Fahrlehrers. Versorgt mit Daten zu allen bekannten Rennstrecken, gibt die künstliche Intelligenz akustisch und optisch Tipps zu Ideallinie, Brems- und Beschleunigungspunkten in Echtzeit – also direkt live während des Fahrens auf dem jeweiligen Kurs.

Der Preis

Superlative gibt es auf dem Automobilmarkt selten für kleines Geld und da macht der Rimac Nevera absolut keine Ausnahme. Zwei Millionen Euro möchte CEO Mate Rimac für sein neues Elektro-Sportgerät haben. Die Limitierung auf 150 Exemplare trägt, wie üblich, ihren Teil zur Preisgestaltung bei. So werden auch "Gebrauchte" in den kommenden Jahren wohl kaum günstiger zu bekommen sein. Immerhin: Der Chef lässt es sich nicht nehmen, jedes einzelne Auto persönlich zu signieren. Ab 2023 soll der Nevera in der neuen Produktionslinie im Werk im kroatischen Veliko Trgovišće gefertigt werden.

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Fazit

Auch ein junger Kleinserien-Hersteller wie Rimac muss sich gewissenhaft auf den Serienstart vorbereiten sowie das übliche Zulassungs-Szenario über sich ergehen lassen und Crashtests absolvieren. Das alles braucht seine Zeit, weshalb es – auch angesichts aller Verwerfungen rund um die Corona-Pandemie – nicht verwunderlich ist, dass sich das Debüt des Elektro-Hypercars verzögert hatte. Angesichts der eindrucksvollen Leistungsangaben, des immensen Anschaffungspreises und der Exklusivität dürfte sich das Warten auf den Rimac Nevera dennoch gelohnt haben. Die 150 Exemplare sind möglicherweise schnell vergriffen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten