Fahrbericht VW ID.7
Den Phaeton im Sinn, ID unterm Gaspedal

Der ID.7 will als elektrische Alternative zum Passat verstanden werden, streckt sich dafür im wahren Wortsinn ordentlich. Warum auch der Geist des Phaeton durch ihn weht? Zeit für eine erste Ausfahrt.

Ob’s hier in den Bergen nördlich von Benidorm womöglich doch ein wenig zu eng ist für den VW ID.7? Die Landstraße wirft sich in immer engeren Kurven über die Hügel, die elektrische Limousine will daher mit Bedacht und Übersicht geführt werden. Schließlich streckt sie sich auf 4,96 Meter (knapp 20 Zentimeter länger als ein aktueller Passat) und gönnt sich 1,86 Meter Breite (ohne Außenspiegel). Höhe: 1,54 Meter. Dazu: Ein üppiger Radstand von 2,97 Meter, allerdings keine gelenkten Hinterräder, um die Wendigkeit zu verbessern. Dafür allerdings eine sehr gefühlvoll abgestimmte Lenkung der Vorderräder, die eine klare Rückmeldung bietet und somit den ID.7 seinem Fahrer verbindlich die Hand drückt. Damit lässt sich arbeiten, selbst bei kleinen Kurvenradien.

Der große E-Ratgeber

Kampf mit 2,1 Tonnen

Jetzt drückt’s von hinten spürbar, denn zunächst startet auch das größte Mitglied der ID.-Familie als Hecktriebler, also Motor und Antrieb hinten. Allerdings leistet der AP550 genannte, permanenterregte Synchronmotor nun 210 statt bisher 150 kW (286 statt 204 PS), entwickelt ein maximales Drehmoment von 545 statt 310 Nm – muss allerdings auch mit deutlich über 2,1 Tonnen Leergewicht kämpfen (vermuten wir jetzt einfach mal, denn ein offizieller Wert steht noch aus). Woher kommt der Leistungszuwachs?

Da wären ein Rotor mit stärkeren und thermisch noch höher belastbaren Permanent-Magneten, ein weiterentwickelter Stator mit größerer effektiver Windungszahl bei maximalem Drahtquerschnitt sowie ein Wasserkühlmantel für die Statoraußenseite sowie eine neue, kombinierte Öl- und Wasserkühlung für eine ebenfalls höhere thermische Stabilität. Zusätzlich kommt jetzt ein Pulswechselrichter zum Einsatz, der sozusagen bedarfsgerecht pulst, so den Motor in den unterschiedlichen Lastphasen effizienter arbeiten lässt.

Weniger darf’s nicht sein

Und? Kommt der Motor mit dem wuchtigen ID.7 klar? Immerhin soll eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in weniger als sieben Sekunden möglich sein, vor allem aber sei die relevantere Beschleunigung auf bis zu 60 km/h besonders eindrucksvoll, sagt VW. Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h. Das lässt sich so zwar nicht bestätigen, doch das Gefühl unzureichender Motorisierung bleibt ebenso außerhalb des sehr geräumigen Interieurs wie störende Abroll- oder Windgeräusche. Überhaupt verstehe sich der ID.7 besonders darauf, lange Strecken komfortabel abzureißen, schließlich ermögliche der größere der beiden Akkus mit 85 kWh (netto) eine maximale Reichweite von rund 700 Kilometern und kann mit einer Leistung von bis zu 200 kW wieder geladen werden. Der kleinere Akku bietet übrigens eine Kapazität von 77 kWh (netto). Und schwups, schon offenbart sich der Hauptgrund für die üppig dimensionierte Karosserie: So ein Akku will erstmal zwischen den Achsen (vorne MacPherson, hinten Fünflenker-Konstruktion) verräumt werden.

VW ID.7
VW
Jens Dralle findet das Platzangebot im ID.7 beeindruckend und dessen Fahrverhalten komfortabel.

Darüber hinaus stand ein großzügiger Innenraum im Lastenheft (bis hin zum Kofferraum mit einem Standard-Volumen von 532 Litern) bei gleichzeitig bestmöglicher Aerodynamik. Während der cw-Wert von 0,23 durchaus als günstig gelten darf, entspricht die Stirnfläche von 2,45 m² eher dem Durchschnitt. Spürbar über dem Durchschnitt: Der Fahrkomfort. Neben dem niedrigen Geräuschniveau gefällt im ID.7 die Fahrwerksabstimmung, die ungeachtet der optionalen 20-Zoll-Räder (Standard: 19 Zoll) aufgrund der recht hohen Reifenflanken (235/45 vorne, 245/40 hinten) bereits auf kurzen Wellen zuverlässig anspricht, auf langen Wellen sanft nachschwingt, ohne sich zu sehr in unangenehmen Hubbewegungen zu verlieren. Wer das womöglich doch als eine Idee zu heftig empfindet, kann gerne den Sport-Modus ausprobieren. Der strafft einerseits zwar Dämpfung und Lenkung spürbar, aber keinesfalls übertrieben. Gut für den Nutzen, entspricht aber andererseits nicht der Ansage von VW, dass das System über eine besonders große Spreizung verfüge. Sei’s drum.

Ach ja, ein Individual-Modus steht noch zur Wahl, sodass sich der Fahrer sein persönliches Set-up abmischen kann. Er findet bestimmt eines, ebenso wie eine passende Sitzposition, die schlimmstenfalls eine Idee zu hoch ausfällt. Die Sitze selbst bieten zahlreiche Einstellmöglichkeiten, sind ausreichend dimensioniert, lassen sich gegen Aufpreis heizen und kühlen, massieren mit zehn Luftpolstern in unterschiedlicher Stärke und verschiedenen Programmen bis zu 30 Minuten lang. Noch ein bisschen mehr Luxus? Dann verweist VW auf die Klimaautomatik. Deren intelligente Luftausströmer mit elektronisch gesteuerten Vertikal- und Horizontalmotoren öffnen und schließen sich dabei interaktiv und verteilen die Luft über eine Wedelfunktion schnell und großflächig im Innenraum. Die älteren von uns erinnern sich: Bereits der Phaeton, jener Versuch von VW, sich im Segment der Mercedes S-Klasse zu behaupten, definierte sich über eine extrem aufwendige, weil zugfrei arbeitende Klimaanlage. Okay, diesem Anspruch wird das System im ID.7 nicht ganz gerecht, fällt aber auch nicht weiter negativ auf – vielleicht kommt es ja gerade darauf an. Übrigens: Die Klimaautomatik zählt zum Serienumfang, des voraussichtlich nur knapp unter 60.000 Euro teuren ID.7.

Es werde Licht

Die Bedienung erfolgt über den nun – wie VW nicht müde wird zu betonen – beleuchteten Slider, also jene berührungsempfindliche Oberfläche, die wie ein Schieberegler für die Innenraumtemperatur und die Lautstärke des Audiosystems funktioniert. Weitere Einstellmöglichkeiten stecken darüber im zentralen Monitor, der erstmals über eine Bilddiagonale von 15 Zoll verfügt. Darin versteckt sich die bekannte VW-Menüstruktur, die jetzt eine verbesserte Ladeplanung bieten soll.

Vor dem Fahrer: Ein kleineres als in den bisherigen IDs, dafür in die Instrumententafel integriertes Display, das Standard-Informationen wie Geschwindigkeit und Ladestand bereithält. Kleiner? Ja, geht, da das große Head-up-Display mit Augmented Reality-Funktion zur Serienausstattung zählt. Dort blinkt immer mal wieder die rechte Fahrbahnbegrenzung oder die Mittellinie auf, Vibrationen im Lenkrad ermahnen zur korrekten Spurführung. Ist der VW ID.7 womöglich doch zu raumgreifend geraten? Vielleicht stacheln das Temperament und die Heckantriebs-Charakteristik zu sehr an. Präzises Anbremsen allerdings fällt aufgrund des etwas wässrigen Druckpunktes (immerhin fällt der Pedalweg nicht zu lang aus) etwas schwer. Dennoch: Irgendwann passen dann auch die schmalen, kurvigen Landstraßen.

Umfrage
Soll VW den Phaeton als Elektroauto wiederbeleben?
1917 Mal abgestimmt
Ja, die Zeit für einen modernen Phaeton ist reif.Nein, es ist gut, dass der Phaeton weg ist.

Fazit

Die elektrische Alternative zum Passat – wirklich? Das Platzangebot jedenfalls beeindruckt, was es bei diesen Abmessungen allerdings auch sollte. Passend dazu fährt der ID.7 betont komfortabel, ohne übertrieben unverbindlich zu wirken. Der 210 kW-Antrieb harmoniert mit diesem Charakter, treibt die große Limousine angemessen voran. Wenn VW jetzt noch die Versprechen hinsichtlich Reichweite und Ladeleistung einlöst, bleibt nur noch der Preis als echter Hinderungsgrund für den Umstieg.