Kritik in den sozialen Netzwerken
Wie BMW das iX-Design verteidigt

Auf BMWs Kanälen in den sozialen Netzwerken hagelt es böse Kommentare. Von den Münchnern war das exakt so beabsichtigt – aber sie reagieren nicht immer souverän.

11/2020, BMW iX Design-Kritik Social Media
Foto: Screenshot BMW-Kanal Youtube

Die meisten Marketing-Kampagnen zielen auf die heile Welt ab. Frei nach dem Motto: Keiner wird gestört, jeder ist zufrieden, alles super – und unser neues Produkt hilft dabei, diesen Status zu erreichen. Doch genau diese Kampagnen rauschen nur so durch im schnelllebigen Werbekosmos, kaum eine von ihnen bleibt hängen. Anders die kontroversen, nicht derart gleichförmigen Aktionen. Deren Initiatoren (Stichwort Benetton) müssen dafür zwar meist herbe Kritik einstecken. Aber die Spots bleiben im Gedächtnis der Zielgruppe oft ewig haften.

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Provokation der eigenen Zielgruppe?

BMW versucht derzeit, eine solche Kontroverse zu provozieren. Die Rolle des Blitzableiters muss die vor wenigen Tagen vorgestellte Serienversion des iX spielen. Das Modell hat es in der BMW-Community ob seines Designs und seines Daseins als rein elektrisch angetriebener SUV eh nicht leicht. BMW weiß das und fragt deshalb – von einem Youtube-Video begleitet – auf Twitter provokant: "Ok Boomer. And what's your reason not to change?"

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Das bedarf nicht nur einer Übersetzung ("Was ist Ihr Grund, sich nicht zu ändern?"), sondern einer Erklärung. Mit "Boomer" ist – durchaus abwertend – die Generation der "Baby-Boomer" gemeint. Also jene Gruppe von Menschen, die zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den späten Sechzigerjahren geboren ist. Diese heute gut 50 bis 75 Jahre alten Menschen stehen Neuerungen im Allgemeinen eher skeptisch gegenüber, sind finanziell aber oft ziemlich gut gestellt.

"Arrogant und sehr geschmacklos"

Allein in diesem Aspekt birgt die BMW-Kampagne also Risikopotenzial. Beispielhaft steht dieser Facebook-Kommentar: "In meinen Augen verspottet BMW mit den Zitaten seinen Kundenstamm. Wenn Sie das tun, zeigt das, dass Sie arrogant und sehr geschmacklos geworden sind", meint User Jason Dowridge. Denn klar ist auch: Wer, wenn nicht ein Baby-Boomer, soll sich ein im hohen fünf- bis niedrigen sechsstelligen Preissegment angesiedeltes Auto überhaupt leisten können?

Die Büchse der Pandora hat BMW – ob (wahrscheinlich) bewusst oder unbewusst – aber natürlich in Hinblick auf das iX-Design geöffnet. Die Follower nahmen die oben erwähnte Frage nur zu gern zum Anlass, über die Formgebung des Elektro-SUVs zu "haten". Beispiele gefällig? Der Kommentar "My reason not to change is THE GRILL" bedarf keiner weiteren Erklärung. Ebenso die hier übersetzte Aussage: "Ja, es sieht wirklich wie ein Low-Budget-Film aus den 80er Jahren aus, den sich niemand ansehen wird."

Gute Kommentare, schlechte Kommentare

Auch Jason Dowridge fordert: "Ich bin immer noch der Meinung, dass sie ihr Design-Team feuern sollten." Mancher Kommentator wünscht sich gar sehnlichst den Ex-BMW-Designer Chris Bangle zurück. Und der war wahrlich nicht für seine massenkompatibel geformten Autos bekannt (die Stichworte hier: 7er E65, X6 oder 5er GT).

Zudem stellt sich eine weitere Frage: Geht BMWs Social-Media-Team souverän mit der provozierten Kritik um? Auffällig ist: Konkrete Antworten gibt es vor allem auf die – wenigen – wohlwollenden Kommentare. Wer es gut mit BMW meint, könnte einen Satz wie "Ihr Autogeschmack ist erstaunlich" feinsinnig ironisch interpretieren. Die meisten dürften das aber als plump und anbiedernd empfinden. Womit der Zweck der Kampagne, Aufmerksamkeit zu generieren und dabei absichtlich und gleichmütig Hass über sich ergießen zu lassen, konterkariert wäre.

Zählt nur, was die Kundschaft will?

So manche Replik auf negative Kommentare wirkt ebenfalls deplatziert – weil oberlehrerhaft. "Um neue Wege zu beschreiten, muss man manchmal neue Looks ausprobieren", lautet die Antwort auf einen wenig schmeichelhaften Kommentar. Woraufhin ein anderer User kommentiert: "Sagt uns nicht, was wir tun sollen. Entweder Ihr macht, was Eure Kunden wollen, oder Ihr verschwindet vom Markt." Ob die Kunden den neuen iX wollen, muss sich erst noch zeigen. Ebenso steht noch die Antwort auf die Frage aus, ob diese Social-Media-Kampagne ein Erfolg wird oder nicht doch eher nach hinten losgegangen ist.

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Fazit

Dass sich BMW in dieser Hinsicht womöglich selbst nicht so sicher ist, zeigt die Tatsache, dass der Autohersteller auf Facebook auf den Begriff "Boomer" verzichtet hat. Andererseits hält die Kampagne den Hersteller und sein neues Produkt auch Tage nach der Präsentation weiterhin im Gespräch. Und das, obwohl seitdem bereits wieder Dutzende weitere Autos vorgestellt wurden. Auch diesen Artikel hätte es bei einer 0815-Kapagne nicht gegeben. Also doch alles richtig gemacht, BMW?