Besuch bei Ferrari Classiche in Maranello
Originaler geht’s nicht

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Seit 2006 gibt es auf dem Werksgelände in Maranello die Abteilung Ferrari Classiche. Hier werden klassische, mindestens 20 Jahre alte Ferrari-Sport- und Rennwagen restauriert, gewartet und als authentisch eingestuft. Motor Klassik schaute sich vor Ort um und war bei der Erteilung eines Echtheit-Zertifikats durch Piero Ferrari live dabei.

Besuch bei Ferrari Classiche, 08/2013, mkl
Foto: Dr. Franz-Peter Hudek

Wenn sich in einem Restaurierungs-Betrieb für Klassiker unter den Pflegefällen ein Ferrari befindet, wirkt der auf Besucher stets wie ein Magnet: Da muss ich hin, den muss ich mir unbedingt anschauen. Hier in Maranello, in der ehemaligen Gießerei des alten Ferrari-Werks stehen rund 20 verschiedene Ferrari von 1950 bis 1990. Deshalb bleibt der Besucher beim Betreten der Halle jedoch wie angeleimt stehen, um die Autos erst einmal zu sortieren.

Unsere Highlights

Welchen Wagen soll man zuerst einmal genauer anschauen? Den frühen Mittelmotor-Rennsportwagen und GTO-Nachfolger 250 LM? Die ungewöhnlich in Weiß und Dunkelblau lackierte 250 GT Tour de France-Berlinetta? Den äußerst seltenen, nur sechsmal gebauten 375 Indianapolis-Monoposto oder weiter hinten der Porsche 917-Gegner Ferrari 512 M, dessen Fünfliter-V12 1971 bereits 610 PS leistete.

Ganz abgesehen von den Schätzen, die sich auf den Werkbänken oder den Rollschränken für die Innenausstattungen der sündhaft teuren Oldtimer befinden. Hier arbeiten zwei Monteure gerade an dem Zylinderkopf der Tour de France-Berlinetta mit den typischen, liegenden Ventilfedern, die nach dem Prinzip einer Haarnadel arbeiten und auch so genannt werden.

Gleich daneben der völlig neu aufgebaute Motor für einen Ferrari 410 Superamerica, der jedoch derzeit nicht in der Montagehalle parkt. Schließlich verdienen noch die leicht patinierten, vermutlich originalen Sitze und Innenverkleidungen der dunkelblauen 230 GT Long-Wheelbase-Berlinetta unsere Aufmerksamkeit. Sie bringen etwas Verwegenes und sogar Vergängliches in diese perfekte, moderne Ferrari-Welt, wo draußen sogar die blitzblanken Abfalleimer das Ferrari-Wappen tragen.

Die Wiederbelebung eines Ferrari F40

Bei Ferrari Classiche arbeiten derzeit 15 Techniker. Das Areal umfasst 950 Quadratmeter, es stehen elf Hebebühnen zur Verfügung. Gleich gegenüber, durch eine Glaswand getrennt, befindet sich die Fahrzeugabholung, wo gerade die Familie eines neuen Ferrari 458 Italia-Besitzers mit Knabbergebäck, Orangensaft und Prosecco bewirtet wird. Dadurch ist die Anbindung an die Tradition der weltweit wohl berühmtesten Automobilmarke gesichert. Und umgekehrt, wenn die Besitzer der klassischen Ferrari stets auch das eine oder andere aktuelle Modell im Blick haben. Zum Beispiel den neuen Supersportler La Ferrari, der ebenfalls in Sichtweite der Klassiker hinter einer Glaswand auf seine Bewunderer wartet.

Zu den Besuchern des Klassik-Centers in Maranello gehört heute auch der Ferrari-Kenner und gerichtlich zertifizierter KFZ-Sachverständige Michael Gross aus Wien. Es sind hier einige Fahrzeuge in Arbeit, die er vermittelt hat. Unter anderem einen Ferrari F40 mit nur 1.600 Kilometer auf dem Tacho. Der Achtzigerjahre-Supersportler stammte aus einer Sammlung, wo der Wagen seit 1996 nicht bewegt wurde. „Damit beim Neustart nichts schief geht und wir bei Problemen gleich die richtigen Fachleute zur Hand haben, hat sich der Besitzer für Maranello entschieden“, berichtet Groß. Die Sache verlief auch relativ problemlos, nur einige Schläuche und natürlich alle Flüssigkeiten mussten getauscht werden.

Nasenkorrektur beim Ferrari 250 LM

Ebenfalls ein von Michael Gross vermittelter Ferrari ist der 250 LM oder Le Mans, einer der ersten Ferrari mit Mittelmotor. In diesem Typ gewannen Jochen Rindt und Masten Gregory 1965 das 24-Stunderennen von Le Mans. Es entstanden insgesamt nur 32 Coupés. Das in Maranello komplett neu aufgebaute Fahrzeug wurde 1964 nach England ausgeliefert und war bis 1967 europaweit im Renneinsatz, pilotiert unter anderem von dem prominenten britischen Rennfahrer Roy Salvadori (ehemaliger Aston Martin-Werksfahrer uns Le Mans-Sieger von 1959).

In England wurde allerdings die Fronthaube vergrößert, damit das normalerweise auf der Hinterachse platzierte Reserverad (vom Reglement vorgeschrieben) aus Gewichtsgründen vorne untergebracht werden konnte. Diesen Karosserie-Umbau und eine leichte Leistungssteigerung des Motors korrigierte man bei Ferrari Classiche, sodass sich der Mittelmotor-Renner jetzt wieder im Originalzustand seiner Auslieferung befindet. Nur so konnte der 250 LM ein offizielles Echtheitszertifikat durch Ferrari Classiche erhalten, das nach einer langwierigen Untersuchung den Originalzustand mit Brief und Unterschrift von Piero Ferrari, dem Sohn vom Firmengründer Enzo Ferrari, garantiert.

Ferrari mit Echtheitszertifikat

Das Echtheitszertifikat (Ferrari Classiche Certification) wurde bereits vor zehn Jahren eingeführt und dient dem Nachweis der Echtheit und Originalität eines bestimmten Typs einschließlich seiner Komponenten, die streng dem Auslieferungs-Zustand entsprechen müssen. Das erklärt auch die Nasenkorrektur an dem Le Mans-Sportwagen.

Marco Arrighi, Chef von Ferrari Classiche, hält diese vor zehn Jahren eingeführte Zertifizierung für absolut notwendig, zählen doch die zwischen 1947 und 1970 entstandenen Ferrari-Klassiker heute zu den teuersten Autos der Welt. So wurden für einen Ferrari GTO zuletzt 35 Millionen Dollar bezahlt. Unter den zehn teuersten Auktions-Klassikern aller Zeiten bis zum Frühjahr 2013 befinden sich nicht weniger als fünf Ferrari zwischen 11 und 16 Millionen Dollar. „Wenn es um solche Summen geht“, sagt Arrighi, „wollen die Besitzer absolut sicher sein, dass ihre wertvollen Fahrzeuge auch wirklich Originale sind und sich genau in dem Zustand befinden, wie sie das Werk in Maranello verlassen haben“.

Eine große Hilfe leistet dabei die seit 1947 geführte lückenlose Dokumentation über alle bis etwa 1970 ausgelieferten Fahrzeuge. Darüber hinaus ist der Renneinsatz der Werkswagen minutiös vom Reifenabrieb über die Getriebe-Abstufung bis zum Fahrverhalten festgehalten. Um eine Ferrari Classiche Certification zu erhalten, muss man übrigens nicht unbedingt nach Maranello reisen. Es gibt in Europa fünf weitere Stationen: Paris, Genf, Mailand, Kassel (Firma Eberlein) und sogar Prag.