Carrera Panamericana
Zwei flotte Mädels in Mexiko

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Manchmal muss es eben Mumm sein: Daniela Wagner und Silvia Lindner erfüllten sich einen Traum und nahmen die Carrera Panamericana in einem 1965er Porsche 911 in Angriff.

Carrera Panamericana
Foto: Dino Eisele

Die Küstenstraße MXC 200 verbindet den mexikanischen Badeort Huatulco mit der Hafenstadt Salina Cruz, windet sich in engen Kurven durch die Ausläufer der Sierra Madre del Sur oberhalb des Pazifischen Ozeans entlang und wird von großen Yucca- und Kokospalmen gesäumt. Touristisch sehr schön, gewiss, als erste Vollgas-Sonderprüfung in der Karriere einer Rallyefahrerin aber doch eine ziemliche Herausforderung.

Schnelle Wertungsprüfungen sind einfacher als Gleichmäßigkeitsprüfungen

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Umso bemerkenswerter, dass die Porsche-Fahrerinnen Daniela Wagner und Silvia Lindner ihre ersten 7,7 Kilometer an der Haftgrenze erstaunlich gelassen angehen. "Beim Start war ich weniger aufgeregt als bei einer Gleichmäßigkeitsprüfung", meint Daniela Wagner und erklärt: "Schnell fahren ist im Prinzip einfacher als eine WP auf Gleichmäßigkeit mit Stoppuhr, Schnitt-Tabelle und Tripmaster, vor allem muss man nicht gleich auf den ersten Metern im Schnitt sein." Und auch nicht unbedingt am absoluten Limit, schließlich warten auf den sieben Tagen bis ins 3.643 Kilometer entfernte Ziel Nuevo Laredo am Rio Bravo an der Grenze zu den USA insgesamt 43 Sonderprüfungen mit einer Länge von sieben bis 30 Kilometern. Da kann man noch viel Zeit aufholen.

Und dass man eine Rallye nicht auf der ersten WP gewinnt, muss ein amerikanisches Team erfahren, das seinen Lincoln gleich in der zweiten Kurve an einer Felswand zerknautscht. Noch besser sind nur zwei ihrer Landsleute, die ihren Wagen schon auf dem Weg zur technischen Abnahme wegschmeißen. Daniela lässt es dagegen eher ruhig angehen bei dieser ersten Prüfung, die nach der Abnahme als Qualifikation für den morgigen Start dient - etwa 70 Prozent, wie die Schwäbin meint. Sauber zirkelt die Kauffrau den blau-silbernen Porsche 911er zwischen den Palmen und an den Felswänden entlang, am Ende genügt das für Rang 51 unter 102 Teilnehmern. Da dürfte noch was drin sein.

Die zwei Frauen verwirklichten ihren Traum von der Carrera Panamericana

Doch warum sucht sich ein schwäbisches Damenteam ausgerechnet die Carrera Panamericana als erste Vollgas-Rallye aus - man kraxelt doch auch nicht auf den Nanga Parbat, nur weil man gerne mal ein bisschen Höhenluft schnuppern möchte? "Es war immer ein Traum, irgendwann wollten wir das unbedingt machen", sagt Silvia Lindner und ergänzt: "Die Carrera Panamericana ist schon deshalb reizvoll, weil sie unter allen Rallyes den schlechtesten Ruf hat."

Der wiederum rührt noch aus den Fünfzigern her: 1950 führte das Rennen erstmals von Nord nach Süd auf dem gerade fertiggestellten mexikanischen Teil der Panamericana und war mit rund 3.500 Kilometern mehr als doppelt so lang wie die Mille Miglia, wurde allerdings wie heute in mehreren Etappen gefahren. Zur Premiere waren ausschließlich Serienlimousinen zugelassen, somit gewann ein Oldsmobile 88 mit den Amerikanern Hershel McGriff und Ray Elliott am Steuer. Ab 1951 drehte der Veranstalter die Rennrichtung von Süd nach Nord und ließ auch Sportwagen zu, womit die Carrera Panamericana zur sicheren Beute der Europäer wurde: 1951 gewannen Piero Taruffi und Luigi Chinetti im Ferrari 212, 1952 - trotz Kollision mit einem Geier - die Deutschen Karl Kling und Hans Klenk im Mercedes-Benz 300 SL. Im Jahr darauf trug sich Juan Manuel Fangio im Lancia D24 in die Siegerliste ein, 1954 Umberto Maglioli im Ferrari 375.

Die Carrera Panamericana wurde zwischenzeitlich verboten

Dann aber zog die Regierung wegen zu vieler tödlicher Unfälle die Notbremse und verbot das Langstreckenrennen, das inzwischen zur Sportwagen-WM zählte. Es wurde erst 1988, elf Jahre nach der Mille Miglia, wiederbelebt - und im Unterschied zu den meisten Klassik-Veranstaltungen bleiben die Mexikaner der simplen Vollgaswertung treu: Wer nach den 43 Sonderprüfungen als Erster Feierabend machen kann, hat gewonnen - fertig. Um das Unfallrisiko zu verringern, erhebt der Veranstalter strenge Sicherheitsvorschriften: Grundsätzlich entspricht das Reglement für die historischen Fahrzeuge bis 1965 in weiten Teilen dem Anhang K der FIA, auch die Autos der Turismo Mayor- Klasse - speziell aufgebaute Panamericana- Fahrzeuge mit neuzeitlicher Technik unter historischem Blech - genügen den aktuellen Sicherheitsbestimmungen.

Dazu müssen die Besatzungen offener Klassiker ihre Arme mit Gummischnüren am Boden befestigen, damit sie bei einem Überschlag geschützt sind. In geschlossenen Wagen gibt es Sicherheitsnetze vor den Fensteröffnungen, und natürlich wird mit dem Halswirbelschutz Hans gefahren - was beim Ein- und Aussteigen eine gewisse Logistik erfordert: "Man entwickelt einen Automatismus - erst Helm und Hans einclipsen, dann das Seitennetz einstecken, dann anschnallen", erläutert Silvia. Und das alles bei 40 Grad im Schatten und 75 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Die Verschiffung des Porsche 911 kostete 9.000 Euro

Zumindest ihrem Einsatzgefährt machen die Bedingungen nichts aus: Der 1965er 911 wurde einst von Spezialist Heini Feustel für den Trial to the Nile durch den vorderen Orient aufgebaut, den Silvias Ehemann Pit Lindner (bekannt als Veranstalter der Süd-West Classic) 2002 bestritt. Im Heck heult ein von Manfred Rugen bearbeiteter Sechszylinder mit grundgesunden 180 PS. "Ab 3.800 Umdrehungen packt er richtig zu", meint Daniela. 21 Tage und rund 9.000 Euro verschlang die Verschiffung des 911 ab Rotterdam. Zumindest kam das Auto wohlbehalten in Veracruz an, wenn auch einen Tag zu spät.

Mehr Pech hatten dagegen Hubertus von Wangenheim und Maximilian Hambloch, deren Opel Diplomat-Motor direkt vor dem Einschiffen einen Lagerschaden erlitt. In der Eile besorgten sich die Würzburger einen 5,7 Liter großen Performance-Motor von GM, der mit 385 PS rund 20 Einheiten weniger lieferte als die bisherige 5,4-Liter-Rennmaschine. "Leider hat das GM-Aggregat Leichtmetall- Zylinderköpfe, die nicht erlaubt sind. Daher wurden wir aus der historischen Wertung herausgenommen", sagt von Wangenheim. Schade eigentlich, denn mit seinen Zeiten auf den Sonderprüfungen hätte der 57-Jährige weit vorn mitmischen können.

Bernd Langewiesche miet sich vor Ort einen Ford Falcon

Bernd Langewiesche geht dem ganzen Aufwand mit Fahrzeugaufbau und Verschiffung komplett aus dem Weg und mietet kurzerhand vor Ort einen Ford Falcon, was nicht viel teurer ist als die Schiffspassage. Der Westfale ist wie von Wangenheim zum zweiten Mal bei der Carrera Panamericana dabei. "Ich möchte alle großen Veranstaltungen einmal gefahren sein", sagt er und schwärmt: "Mexiko ist schon ein Erlebnis - vor allem, wie die Zuschauer hier mitspielen und einem bei jedem Halt ihre Kinder in den Arm drücken, um sie zu fotografieren." Vor allem aber ist Langewiesche zum Gasgeben hier, und das tut er gewohnt tüchtig: Geleitet von Wolfgang Hurth stellt er den Falcon immer wieder auf vordere Plätze und erreicht schließlich den 18. Gesamtplatz und Platz 2 in der Klasse Historic C hinter einem weiteren Falcon - ohne einen Kupplungsschaden wäre noch mehr drin gewesen.

Auch Daniela und Silvia lassen sich nicht lumpen und fahren mit dem Porsche oft weit ins vordere Drittel der Ergebnislisten. Für Adrenalinstöße zwischendurch sorgen dabei die Rallye-Aufschriebe im Roadbook für die Sonderprüfungen, die Beifahrerin Silvia auf den WP vorliest. Die Skala reicht von null bis vier. Null heißt voll, eine Vier links ist eine 180 Grad-Kehre nach links. "Dummerweise sieht eine rechts drei am sechsten Tag anders aus als am ersten", grinst sie - weshalb langjährige Profis die Strecke zuvor abfahren und einen eigenen Aufschrieb erstellen.

Das Damenteam ist von technischen Defekten geplagt

Für Aufregung im Damenteam sorgt aber nicht nur der Aufschrieb, sondern auch das Getriebe, das auf der vierten Etappe von Queretaro nach San Luis Potosi den Geist aufgibt: Ausgerechnet in der 20,77 Kilometer langen Prüfung von Tequisquipan muss Daniela den Schaltknüppel im dritten Gang festhalten und den 911 mit einem Arm um die Spitzkehren wuchten. "Danach hatte ich tagelang Muskelkater", erzählt sie. Am Abend erhält der 911 ein Ersatzgetriebe aus dem mitgebrachten Teile-Fundus - allerdings zu kurz übersetzt für die lange Prüfung am siebten Tag, für die hinter Monterrey ein Stück Autobahn gesperrt wird.

Hier wird Stig Blomqvist im Studebaker Commander mit stolzen 301 km/h gemessen. Mit modernster Renntechnik und einem 600 PS-V8 unter dem alten Blech gewinnt der Rallye- Weltmeister von 1984 die meisten Prüfungen und sichert sich mit seiner Beifahrerin Ana Goni aus Venezuela souverän den Gesamtsieg. Daniela Wagner und Silvia Lindner schaffen es immerhin auf den 28. Gesamtrang und sind das zweitbeste deutsche Team hinter Langewiesche/Kurth. Und für die Zukunft haben die schnellen Damen schon etwas im Auge: "Wir haben da mal was von der Targa Tasmania gehört - das sollten wir uns näher anschauen."

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