Automarkt und Verkehr in China
Im VW Phideon unterwegs in Shanghai

Wer in China Auto fährt, braucht starke Nerven: Der Verkehr ist dicht, die Fahrer machen keine Kompromisse – allenfalls bei der Auslegung von Verkehrsregeln. Zum Glück gibt's nen Kühlschrank an Bord.

VW Phideon in Shanghai
Foto: Kai-Uwe Knoth/Volkswagen

Erster Eindruck: warm hier. 35 °C und 65 % Luftfeuchtigkeit fühlen sich an, als würde man im Sommer einen warmen Mantel überwerfen. Zweiter Eindruck: Gar nicht so wild, der Verkehr hier. Auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt wechseln die anderen Autofahrer diszipliniert die Spur, der Verkehr fließt locker über die mehrspurigen Straßen. Wären da nicht die chinesischen Schriftzeichen, man käme sich gar nicht so fremd vor. Die Klimaanlage sorgt außerdem für entspannte 21 °C im Auto, im Getränkehalter stecken Flaschen mit kaltem Wasser. Noch sind wir nicht in der Stadt angekommen.

Unsere Highlights

Windräder im Hochhaus

In Pudong, auf der anderen Seite des Huangpu, geht es anders zu. Ganz anders. Hier, südlich der Altstadt, weiß der Reiseführer, habe man vor 25 Jahren noch Reis angebaut. Jetzt spazieren hier abends sehr, sehr viele Chinesen über den Bund, um die Kulisse zu bestaunen: Vier der 15 höchsten Gebäude der Welt stehen hier. So ganz genau weiß man das nicht, weil jede Liste eine eigene Rangfolge aufstellt: Mal zählt die Höhe ohne Antenne, dann die mit. Mal ist der Oriental Pearl Tower dabei, mal nicht, weil er als Fernsehturm eben kein Hochhaus ist. Der Shanghai Tower ist definitiv eins und er wird nur noch vom Burj Khalifa in Dubai übertroffen. Zweithöchstes Gebäude der Welt, höchstes in China. Im selben Viertel steht der Shanghai World Finance Tower, den hier jeder Flaschenöffner nennt: Wegen der Öffnung in der Fassade, ganz oben. Da drin erzeugen Windräder Strom. Das Gegengewicht im Shanghai Tower ist übrigens das Schwerste aller Hochhaus-Gegengewichte: 1.000 Tonnen.

VW Phideon in Shanghai
Kai-Uwe Knoth/Volkswagen
Nicht immer warten alle, bis die Ampel Grün zeigt.

Doch wir sind ja hier, um ein bisschen echt chinesischen Verkehr zu bestaunen. Der soll so anders sein, haben wir gehört. Also rein in die schmalen Gassen, zweimal links abgebogen und wir stecken im Getümmel: Fahrräder, Rikschas, Motorroller, Fußgänger wuseln kreuz und quer. Links und rechts Garküchen, Läden für Klimbim und Alltägliches, leuchtende Blinkschilder werben für Fußmassagen. Der Reiseführer weiß: Unter Blinden finden sich die besten Masseure. Die Shanghai-Massagen sollen sehr gut sein. Wir haben keine Zeit, müssen weiter. Vor dem Sonnenuntergang noch ein bisschen am Bund hin- und herfahren, damit der Fotograf die Speicherkarte nicht umsonst eingesteckt hat.

Improvisation hilft weiter beim Verkehr in Shanghai

Beim Umdrehen müssen wir improvisieren: Wenn grade alle Ampeln rot sind und keiner schaut, wenden wir einfach. Später stellen wir fest, dass auch andere Verkehrsregeln beugen, wenn gerade keiner schaut: Wenn die Geradeausspuren blockiert sind, aber die Gegenspur frei ist, nutzt man eben die zum Überholen. Alles andere wäre ja Verschwendung wertvollen Straßenraums. Gleichzeitig wird das Tempolimit schon mal großzügig aufgerundet, man möchte ja ankommen. Knapper kalkuliert wird beim Abstand zu anderen Autofahrern, gebremst wird erst sehr spät. Doch im Zweifel tut sich immer eine Lücke auf. Oder eine zusätzliche Spur, die von den Straßenplanern ursprünglich nicht vorgesehen war.

VW Phideon in Shanghai
Kai-Uwe Knoth/Volkswagen
Motorroller sind klar im Vorteil: wendig, schneller Ampelstart.

Am schlimmsten sei der Verkehr in Peking, erklärt uns Mario, der bei Volkswagen Shanghai Autos erprobt. Er arbeitet seit ein paar Jahren in China, wohnt mit Frau und zwei Kindern in Shanghai. Geduldig fädelt er den Phideon durch den Verkehr. Das ist ein Oberklasse-VW, den maßgeblich VW in China entwickelt hat. „Die Expertise ist hier“, sagt Frank Bekemeyer, bei Volkswagen Shanghai für die Entwicklung verantwortlich. Man sei näher am Kunden und treffe Entscheidungen schneller, sagt der Manager.

Ein Kühlschrank für die chinesischen Käufer

In China verkauft VW 2,6 Millionen Autos im Jahr. Das ist eine echte Argumentationshilfe in Wolfsburg: „Wenn wir mit Wünschen kommen, steht das auf der Tagesordnung“, erkärt Bekemeyer die Zusammenarbeit mit der Zentrale in Wolfsburg. Ob der Phideon so zu seinem Kühlschrank kam? Der kühlt zwischen den Sitzen Getränke, Obst oder Eis bis minus Grad und ist im Topmodell mit Flagship-Ausstattung serienmäßig. „Die Chinesen wollten den unbedingt“, sagt ein beteiligter Entwickler.

VW Phideon in Shanghai
Kai-Uwe Knoth/Volkswagen
Abends drängen sich Besucher am Bund und bestaunen die Silhouette.

Auf deutscher Seite sei man zunächst skeptisch gewesen. Doch hierzulande ist es auch nicht üblich, in einem Auto die Folien auf Displays, Pedalen und Sitzen zu lassen. In China schon, das Auto wirkt so länger wie neu. Die meisten Kunden haben lange gespart und zahlen bar, erzählt uns Mario. Viele davon kauften ihr erstes Auto. Die Auswahl ist groß, über 100 Marken balgen sich in dem wachsenden Markt. Doch wer es sich leisten kann, kauft ein Auto von einer ausländischen Marke: GM, Toyota und VW sind die größten Marken. Im Prinzip wie auf dem Weltmarkt.

Das brauchen Sie zum Autofahren in China

Das Fahren mit einem ausländischen Führerschein ist in China nicht erlaubt. Wer das ignoriert und erwischt wird, riskiert laut der deutschen Botschaft in der Volksrepublik China drastische Strafen wegen Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit: Geldstrafe, Verwaltungshaft, Ausweisung und Wiedereinreiseverbot. Für Ausländer gibt es zwei Möglichkeiten, an eine chinesische Fahrerlaubnis zu kommen: eine vorläufige für drei Monate oder eine reguläre. Die ist recht aufwendig, neben Dokumenten wie Gesundheitszeugnis, Fahrerlaubnis samt Übersetzung, Foto und Pass muss auch eine bestandene Theorieprüfung nachgewiesen werden.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten