25 Jahre Porsche Boxster
Geburtstagsparty mit dem 914/6

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Zuerst: Blumen für das Geburtstagskind. Happy Birthday, sehr zu Recht verehrter Boxster. Hoch lebe dein Heiter-bis-Sportlich-Gemüt. Und hey, bleib uns bloß so, wie du bist: am liebsten saugmotorisiert, zur not auch turbogeladen, aber bitte, bitte hüte dich vor den Zukunftsplanern, die mit dir so einiges im Schilde führen. Nicht auszudenken, wenn du mit 30 auf einmal an der Steckdose hängst!

25 Jahre Porsche Boxster
Foto: Rossen Gargolov

Aber jetzt lass dich anschauen. Sauber stehste da mit deinem Sonder-Kostümchen: rote Stoffkäppi, passendes Innenleder, bronze-, oh Verzeihung, neodymfarbene 20-Zöller – ja, schon eine sehr stimmige Reminiszenz der Ursprungs-Studie von 1993. Vor allem weil drunter – wer hätte das vor Kurzem noch gedacht – tatsächlich wieder ein richtiger Motor steckt. DER richtige Motor. Der Sechszylinder-Sauger. Mit ihm begann die Boxster-­Geschichte vor nunmehr 25 Jahren, obwohl die erste Episode ja eigentlich bereits in den 60ern entstand.

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"History Repeating" singt Shirley Bassey. Und wenn man mal zurückblättert in der Porsche-Historie, also vorbei an den ganzen Le-Mans-Siegen, dann ist das dämmderämmdääämm genau das richtige Ständchen zum Jubiläum. Oder besser: die perfekte Begleitung. Worauf ich hinauswill? Auf den Porsche 914, der vielleicht kein wirkliches Kapitel der inzwischen dreiteiligen Boxster-Story ist, aber aus demselben Stoff gewebt wurde.

Auch er schlüpft seinerzeit als Einstiegsmodell in die Nische unterhalb des 911, auch er drohte seinem Vorgesetzten über den Kopf zu wachsen, auch er kämpfte zwischendurch mit Identitätsproblemen. Und auch damals sitzt VW im Boot. Die Wolfsburger suchten Ende der 60er nach einer würdigen Nachfolge für die scheidenden Karmann-Modelle, Porsche seinerseits den Anschluss nach unten, an junge Kunden.

25 Jahre Porsche Boxster
Rossen Gargolov
Der 914/6 ist zwar kein wirklicher Teil der Boxster-Historie, aber er nahm sie vor gut 50 Jahren bereits vorweg.

Die designierte Win-win-Situation präsentierte sich 1969 auf der IAA, traf mit Klappscheinwerfern, Targa-Dach und Bauhaus-Styling den Stil der Zeit beziehungsweise eilte ihm konzeptionell sogar voraus: Mittelmotor – na, Donnerwetter, so was gab’s bis dato nur in Supersportwagen à la Lambor­ghini Miura oder im Rennsport.

Dennoch: Die Begeisterung war überschaubar, der Spott dafür groß. Problem: Der 914 wurde als VW-Porsche vertrieben, was ihm den Spitznamen Vo-Po einbrachte. Böse? Fürwahr! Nur hatte das Basismodell, ein schütterer 1.7-Vierzylinder mit 80 PS, dem Geätze auch nichts entgegenzusetzen: gebaut von VW, Typschlüsselnummer von VW, Motor von VW.

Der Strich-Sechs jedoch war mehr, als man ihm nachsagte. War und ist. Okay, das Wappen auf der Haube war ihm aus vertriebsrechtlichen Gründen hierzulande nie vergönnt, aber er wurde in Stuttgart gebaut, hatte Kotflügelverbreiterungen im Zubehörprogramm, fünf statt nur vier Radmuttern, er durfte den großen Namen in den Papieren führen, und auch unter der Haube steckte das, was die güldenen Letter auf dem Entlüftungsgitter verheißen. Ein Porsche.

Konkret: der Sechszylinder aus dem 911 T. Er pfercht dem 914/6 110 PS ins Kreuz, die zuerst noch etwas flapsig, dann aber überaus rassig losmarschieren. Mit Drehfreude, mit Biss und dem charakteristischen Schnattern eines luftgekühlten Boxermotors, na klar.

Porsche 914/6, Exterieur
Rossen Gargolov
Einst als Vo-Po verspottet, war und ist der Strich-Sechs mehr, als man ihm nachsagte.

Mag sein, dass die Schaltwege des Fünfganggetriebes einmal quer durchs Cockpit führen, auch bleibt man wegen der seltsamen Ergonomie beim Lenken immer wieder mit den Armen an den Beinen hängen. Doch am Ende wiegt das kleine Sportwägelchen eben nur 980 Kilo. Und heutzutage, in einer Zeit, in der Porsche Autos baut, die fast das Dreifache wiegen, fühlen sich die wahrscheinlich noch viel leichter an als einst: Ein Schubser am riesigen, im Vergleich zum Vierzylinder-914 aber bedeutend kleineren Lenkrad, schon schlurft die leichte Vorderachse ins Eck, klammert emsig, hängt aber nicht nur mit den Reifen in der Querbeschleunigung, sondern indirekt auch am Motor. Durch seine Einbau­lage dient der Zweiliter-Vergaser sowohl als Dreh- wie auch als Ankerpunkt, ist die Wirbelsäule der Fahrdynamik und am Ende der Genickbruch für den 914/6.

Dank der Fähigkeit, sich aus seinem Gravitationszentrum heraus um Kurven zu pressen, drohte sich die Ergänzung des 911 nämlich zur Alternative zu entwickeln: zu einer günstigeren, zur agileren, zur schnelleren. Ein No-Go! Also pfiff man den Revoluzzer noch vor Verkaufsstart per Stallorder zurück: Der Preisunterschied zum Elfer wurde massiv reduziert, sodass der 914/6 zum Ladenhüter geboren war. Folge: das schnelle Ende im Jahr 1972.

Der Boxster als Trendwender

Doch ohne zweites Standbein läuft’s auch bei Porsche nicht. Und weil die Transaxle-Connection auf ihrem weiten Weg vom 924 bis zum 968 nie so richtig Fuß fassen konnte in der Kundengunst, liegt das Konzept eines offenen Einstiegsmodells mit Mittelmotor 20 Jahre später wieder auf den Konferenztischen. Als einziger Trumpf in harten Zeiten. Als letzte Chance.

Porsche Boxster (Typ 986), Exterieur
Rossen Gargolov
20 Jahre nach dem 914 brachte der Boxster das Spyder-Flair zurück, die Firma wieder auf Kurs und machte vor allem den Hausfrauen den garaus.

Jedenfalls passt die trübe Wetterstimmung besser zu unserer Geburtstagsrunde, als man meinen möchte. Denn die Aussichten sind düster Mitte der 90er in Zuffenhausen. Der Sportwagenmarkt steckt in der Krise und hat Porsche mit hineingeritten. Absatz und Ertrag sind eingebrochen, vor allem in den USA geht wenig.

Was passiert wäre, wenn der Boxster seinerzeit nicht eingeschlagen hätte? Das will und muss sich heute keiner mehr ausmalen. Weil? Weil diesmal die Relationen stimmen.

Allein der Look. Sämtliche Hausfrauen-Assoziationen der Vormodelle waren wie fortgeblasen, statt Mutti Beimer saß James Dean in den Assoziationen – frisch frisiert, mit Kippe im Mundwinkel und Arm auf dem Fenstersims. So fantastisch es klingt – aber die schlimmsten Zeiten brachten die glorreichsten zurück: 356 Speedster, 550 Spyder – ihr Spirit lebte mit dem Boxster wieder auf. Und das Beste: Er stand zu erschwinglichen Preisen im Verkaufsregal. Da störte es nicht mal, dass die Motoren wassergekühlt und die Scheinwerfer Spiegeleier waren.

Der grassierende Roadster-Boom fachte den Absatz zusätzlich an, ja sogar die komplizierten Beziehungsverhältnisse zum 911 schienen geklärt. Prinzip: Nähe, wo möglich, Distanz, wo nötig. Einerseits greift der 986 die ikonischen Gesichtszüge auf, bedient sich im Vorderwagen-Bereich sogar aus dem Teilefundus seines großen Bruders, andererseits ist das Preis-­Motorleistungs-Gefüge so einjustiert, dass sich die beiden nicht in die Quere kommen.

Lustpumpe mit Klotz am Bein

Porsche Boxster (Typ 986), Exterieur
Rossen Gargolov
Auch beim Boxster steckt reichlich Fahrdynamik-Potenzial im Mittelmotorkonzept, das die 204 PS anfangs aber bestenfalls ankratzen.

Wie einst beim 914 steckt auch hier reichlich Fahrdynamik-Potenzial im Mittelmotorkonzept, das die 204 PS anfangs aber bestenfalls ankratzen. Vor allem wenn sie so hergerichtet sind wie bei diesem Exemplar. Die schmächtigen Winterrädchen lassen sich mit dem Wetterbericht entschuldigen: bitterkalt, vereinzelte Schneeschauer, April, April!

Allerdings hängt unserem Ur-Boxster auch noch ein Automatikgetriebe am Haken, das den Kraftfluss mindestens verschleppt. Zumal der Motor, wie soll ich sagen, keiner ist, der irgendetwas kompensieren könnte. Böse Zungen behaupten, der 2,5-Liter-Sauger fahre sich wie ein Turbomotor der alten Schule. Nur dass nach dem Loch der Wumms ausbleibt.

Na ja, im manuellen Modus lässt sich die treibende Kraft des Verkaufserfolgs dann aber doch herausspüren, wobei sich das Kippgeschalte am Lenkrad weniger nach Gang- sondern eher nach Radiosenderwechsel anfühlt. Die Grundregel lautet: auf Zug halten. Also beim Anbremsen erst mal runterzappen von SWR4, über drei auf zwei, dann rein in die erstaunlich zähe, aber verbindliche Lenkung und sofort wieder feste druff, damit das Porsche-Gefühl, das gerade hochköchelt, nicht mitsamt der Drehzahl in sich zusammensackt.

Porsche Boxster (Typ 986), Exterieur
Rossen Gargolov
Das Fahrfeeling ist zu modern, um schon verklärt zu werden, gleichzeitig aber doch schon recht weit ab vom Schuss.

Mit anderen Worten: Die Sportlichkeit ist spürbar, aber labil, lebt oberhalb von 5.000 Touren, dort aber in Saus und Braus. Andersrum sind 25 Jahre aber auch ein blödes Alter für einen Sportwagen. Das Fahrfeeling ist zu modern, um schon verklärt zu werden, gleichzeitig aber doch schon recht weit ab vom Schuss.

Schließlich hat sich der Boxster ja auch rasend schnell entwickelt. Konzeptionell ebenso wie fahrdynamisch. Erst kam die S-Version, die den Absichten mit ihren 252 PS deutlich mehr Nachdruck verlieh. Danach ging es im Laufe der Generationen zunächst steil, dann immer steiler bergauf. 2005 kapselte sich der Cayman als Coupé-Alternative ab, neun Jahre später fächert die 981er-Generation das Mittelmotor-Thema mit einer feurigen GTS-Variante noch weiter auf, ehe die laufende 718-Reihe, der 982, die alten Wunden auf einmal wieder aufzureißen schien.

Der dritte Boxster war nüchtern betrachtet zwar genauso konsequent wie folgerichtig, setzte mit seinen Turbomotoren exakt da an, wo sämtliche Vorgänger durchhingen: im unteren Drehzahlbereich. Allerdings hatten die Zwei- und 2,5-Liter-Boxer vier Zylinder, klangen verdächtig nach Käfer, sodass die Vorurteile von damals wieder aufflammten: Der Vo-Po, die Hausfrauen, alle waren sie wieder da.

Und auch die drei Zusatzziffern, mit denen man die Neuausrichtung geschwind an die Motorsporthistorie andockte, konnten nicht verhindern, dass der 718 in der Wahrnehmung so ein bisserl 08/15 war. Wie gesagt: Die Fahrdynamik profitierte vom fülligeren Drehmomentverlauf. Doch im Entertainment-Business kommst du mit sachlichen Argumenten allein halt auch nicht weit.

Zuflucht des Porsche-Gefühls

Porsche Boxster 25 Jahre (Typ 982), Exterieur
Rossen Gargolov
Auch die aktuelle Generation baut schlanker und fährt natürlicher, was sie – wenn Sie mich fragen – zum Zufluchtsort des urtypischen, des wahren Porsche-Feelings macht.

Und da die Verkaufszahlen diese Weisheit durchaus widerspiegelten, war Porsche 2019 endgültig zur Rolle rückwärts bewegt. Oder soll ich sagen: genötigt? Wurscht, denn der Sechszylinder war zurück. Und wie! Vier Liter groß und frei saugend, züchtete er den 718 Boxster zum 420 PS starken Spyder hoch, wenig später folgte der neue GTS namens vier Punkt null, der aus den 3.995 Kubikzentimetern immerhin 400 Pferde zog. So oder so, es reichte, um die bösen Geister zu vertreiben.

Doch mit der Qualität der Basis stieg – die alte Leier – auch der Druck auf das Kernmodell, auf den 911, zumal der Sechszylinder wie schon vor 50 Jahren von ihm entlehnt ist. Der Grundmotor stammt aus dem 992 Carrera, bekam die Aufladung abgeschält, dafür mehr Bohrung und Hub. Distanz ist also schon gegeben. Auch nominell. Der Sauger im Jubi-Boxster bringt zwar lediglich 20 Nm weniger zustande als der verschwippschwägerte Elfer, aber natürlich liegt das Drehmoment später und vor allem nicht so weitflächig an. Und dann ist das Heckmotorkonzept inzwischen derart ausgeklügelt, dass die Balance-Vorteile des Mittelmotors nicht mehr gar so reinhauen wie weiland beim 914/6.

Im Gegenzug wiegt der Boxster aber 70 Kilo weniger, baut schlanker und fährt natürlicher, was ihn – wenn Sie mich fragen – zum Zufluchtsort des urtypischen, des wahren Porsche-Feelings macht. Auf der Landstraße wirkt das kompaktere Format wie ein Nachbrenner auf den Unterhaltungswert. Wie der 718 den Nebensträßchen hinterherhechelt, wie er sich aus seinem stabilen Zentrum heraus in Kurven wirft, wie er Geraden aufsaugt und Steigungen niederröhrt – sorry, lieber 911, aber neben so viel Lust und Laune stehst du mit deinem strengen Performance-Fokus fast als Spießer da.

25 Jahre Porsche Boxster
Rossen Gargolov
Bitte, bitte, verehrtes Boxterle: hüte dich vor den Zukunftsplanern, die mit dir so einiges im Schilde führen. Nicht auszudenken, wenn du mit 30 auf einmal an der Steckdose hängst!

Oder ohne Öl ins Feuer zu kippen: Das knapp 100.000 Euro teure Vier­liter-Sondermodell ist schon eine ziemlich perfekte Feierlichkeit des Jubiläums. Weniger wegen des ganzen Rückbezug-Chichis, sondern einfach weil der Motor drinsteckt, mit dem das Konzept groß, größer und zuletzt wieder richtig großartig geworden ist.

Wenn es nach uns geht, darf sich dieser Teil der History in 25 Jahren jedenfalls gern repeaten, dämmdaämdädäääääääm. Denn wie singt Shirley Bassey in weiser Voraussicht auf unsere verzwickte Mobilitäts-Situation: "Why ask your head, it’s your hips that are swinging. Life’s for us to enjoy." Frei übersetzt: auch in Zukunft immer schön locker durch die Hüfte atmen, sehr verehrtes Boxsterle!

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