Abarth 500e - Fahrbericht im Video
Mit E-Antrieb nur ein Detox-Skorpion?

Soundgenerator, spezielle Reifen, mehr Leistung, angepasstes Fahrwerk: Abarth will dem 500e Beine machen und ihm auch ohne Turbomotor und Handschaltung die Abarth-typische Rabaukigkeit anerziehen. Mit Erfolg?

Objektiv und nüchtern betrachtet war er nie wirklich gut und doch mag ihn einfach jeder. Die Abarth-Versionen des Fiat 500 punkteten selten mit rationalen Argumenten. Und doch sorgt Rationalität und Zeitgeist nun dafür, dass Abarth die neue Generation erstmals elektrisch fahren lässt. Auf Basis des 500e setzt Abarth einen elektrischen Mini-Hot-Hatch auf. Der überarbeitete Permanentmagnet-Synchronmotor darf nun höher drehen, verfügt über Modifikationen zur Reduktion innerer Widerstände und wächst leistungsseitig von 118 auf 155 PS. Im Unterboden speichert weiterhin eine wassergekühlte 37,8 kWh-Batterie (netto, 42 kWh-brutto) mit prismatischen NMC-Zellen die Energie für 265-WLTP-Kilometer. Die maximale Leistung soll dank optimierter Kabelführungen und Hochleistungsschaltern konstant in einem SOC-Bereich zwischen 50 und 100 Prozent anliegen.

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Drückt man den Startknopf, gerät das alles schnell in Vergessenheit, denn den bollerigen Sound des alten 1,4-Liter-Turbovierers wollte man scheinbar nicht der elektromobilen Stille opfern. Mehrere Lautsprecher beschallen die Umgebung mit einem Leerlaufbollern, dass dem Original schon sehr nahekommt. Ein Druck aufs Gaspedal im Stand lässt das Geräusch sogar gleichmäßig anschwellen, wie bei steigender Drehzahl eines Verbrenners, wobei hier eine recht synthetische Klangnote hinzukommt. Und wenn man seine Nachbarn nicht mit dem im Studio nachgebauten Klang eines Motors nerven möchte, der sich durch die wahrscheinlich größte Klanggewalt pro Kubikzentimeter Hubraum auszeichnet, kann das Feature auch einfach abschalten.

25 PS schwächer und 320 kg schwerer als der Verbrenner

Jetzt aber: Als Erstes bittet Abarth auf den verregneten Rundkurs des Stellantis-Testgeländes in Balocco. Als Referenz steht zudem ein 180 PS-starker Abarth 695 parat. Auch der E-Abarth transportiert eine wichtige Eigenschaft, die den normalen Elektro-Cinquecento auszeichnet: Er ist erwachsen geworden. 60 Millimeter mehr Spurbreite und 24 Millimeter mehr Radstand transformieren zusammen mit dem durch das Batteriepaket viel tieferen Schwerpunkt und der ausgeglicheneren Achslastverteilung (57 zu 43 beim Abarth 500e) das Fahrverhalten. Anstelle nervös auf der Bremse zu tänzeln, mit der direkten, aber gefühlstoten Lenkung in die Ecken zu stechen, auf den ESP-Eingriff zu warten, bevor die Vorderräder wieder vom kleinen Turbo-Tier unter der Fronthaube malträtiert werden, fährt man mit dem E-500er auf einmal einen ganz sauberen Strich. Die Lenkung arbeitet harmonischer, zwar nicht übermäßig direkt, dafür aber viel gefühlvoller. Mehr Gripreserven, zartes Untersteuern am Limit, ein bisschen Seitenneigung, bessere Traktion, aber eben auch keine Übersteuer-Agilität mehr. Er ist halt erwachsen geworden, der Cinquecento. Sein ESP gehört weiterhin zu den vorsichtigen, aber zumindest lockert ein Druck auf die Schleudersymbol-Taste die Zügel ein wenig. Eine Sekunde soll der Stromer dem 25 PS stärkeren und 320 Kilogramm leichteren Abarth 695 Verbrenner auf dem Handlingkurs in Balocco einschenken. Das klingt glaubwürdig. Spezielle Bridgestone-Potenza-Sport-Pneus mit Elektrosymbol sorgen für ordentlichen Grip, auch im Nassen.

Nur einer, der liefert nicht so richtig ab: der Antrieb. Zwar erhielt er nicht nur mehr Leistung als der Standard-500e, sondern wurde auch noch kürzer übersetzt, aber die von Abarth versprochene Explosivität im Antritt spürt man eigentlich nur so richtig in der Stadt. Auf 100 km/h ist er 0,3 Sekunden langsamer als der 695 und fühlt sich eher noch träger an, weil oberhalb von 80 km/h der Vortrieb wenig Aufregung generiert. Auch wenn der Verbrenner kaum schneller ist, so inszeniert er eben doch viel mehr Drama drumherum, mit Gangwechseln, Turbogeräuschen und Auspuffgebrüll. Das Soundmodul im Abarth 500e intoniert hingegen nur ein stets anschwellendes Summen in den Innenraum, das wenig mit dem Original-Sound gemein hat und bei etwa 80 km/h sich recht stechend ins Ohr legt. Etwas mehr Leistung hätte der 1.410 Kilogramm schwere Zwerg vertragen.

Scorpion-Modi

Drei Modi stehen zur Wahl: Turismo, Scorpion Street und Scorpion Track. Ersterer fährt Ansprechverhalten und Leistung etwas zurück, die Scorpion-Modi unterscheiden sich nur darin, dass der Track-Modus kein Einpedal-Fahren ermöglicht. Leider fehlt in den anderen Modi eine Option zur Deaktivierung, sodass man aufgrund der strammen Rekuperation beim Loslassen des Strompedals oft nickende Passagiere neben sich sitzen hat. Trotzdem ist der Elektro-Abarth vor allem auf der Straße sehr angenehm zu fahren. Er überhüpft Bodenwellen nicht mehr, sondern versucht es zumindest sie fahrwerksseitig auszubügeln. Er liegt stabil auf schlechten Straßen, zerrt nur noch leicht in der Lenkung. Auch die Bremspedalapplikation zeigt sich sehr gelungen, mit einer sauberen Überblendung von Rekuperation und hydraulischer Bremse und ausreichend straffem Pedalgefühl.

Das erhöhte Komfortniveau setzt sich auch im Inneren fort. Denn wie beim regulären 500e ist die Sitzposition weit weniger, nun, latrinenartig. Man sitzt integrierter, etwas tiefer und insgesamt viel bequemer. Die Sitze klammern nicht so arg wie beim 695, was aber nichts Schlechtes ist, da sie noch ausreichend Seitenhalt für das querdynamische Niveau des Cinquecento bieten. Hübsch: das Alcantara-Lenkrad und die Alcantara-Einlagen im Cockpit. Weniger hübsch: das viele Hartplastik und die teils winzigen Symbole auf dem zentralen Touchscreen, dessen Bedienung in den Hauptfunktionen noch recht logisch ist, in der Tiefe der Einstellungsmenüs jedoch recht verworrene Züge annimmt. Fond und Kofferraum sind zwar vorhanden, aber zeigen wenig Interesse daran, große Menschen oder Gepäckstücke in sich aufzunehmen, was bei 3,67 Meter Außenlänge aber auch nicht weiter verwundert.

Bei 37.990 Euro geht es los

54 Kilometer WLTP-Reichweite opfert der 500er im Zuge der Abarthisierung durch seinen um drei kWh höheren Schnittverbrauch. Ein vertretbares Opfer, kommt der Cinquecento ja ohnehin meistens im urbanen Gebiet zum Einsatz. Problematisch wird es nur dann, will man tatsächlich mal dahin, wo die Straßen leer und kurvig sind. Da sollte die Ladeinfrastruktur vor Ort ausgebaut sein, denn engagiert gefahren leert sich der Akku zügig. Findet sich eine entsprechende DC-Säule, lädt sie den Strom-Skorpion bei bis zu 85 kW in 35 Minuten von null auf 80 Prozent SOC. An der AC-Säule oder Wallbox dauert es bei dreiphasigen 11 kW vier Stunden und 15 Minuten von null bis 100 Prozent.

An die Preise kann man sich von zwei Seiten nähern: Geht man vom bereits wahrlich nicht günstigen Fiat 500e aus, sind die 3.000 Euro Aufpreis vertretbar. Absolut gesehen sind 37.990 Euro für einen 3,67-Meter-Zwerg mit mäßiger Reichweite eine feiste Ansage, auch da der eh schon teure Verbrenner-595 (165 PS) 9.500 Euro günstiger kommt. Bucht man dann noch das besser ausgestattete Turismo-Modell (Glasdach, 18-Zoll-Räder, Alcantara, JBL-Soundsystem, Soundgenerator und viele optische Leckereien) für 5.000 Euro Zuzahlung oder das Cabrio mit Rolldach für weitere 3.000 Euro extra, stehen bis zu 45.990 Euro für den Stromer auf der Rechnung. Weitere Optionen außer den Außenfarben bietet Abarth aktuell nicht an. Aber an dieser Stelle war es das auch schon, mit der Rationalität beim Abarth 500e. Trotz besserer Fahreigenschaften als je zuvor, trotz Elektroantrieb.

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Fazit

Als Stromer opfert der Abarth 500 ein Stück seiner sympathischen Rabaukigkeit zugunsten echter Fahrdynamik. Das kann man begrüßen oder bedauern. Er ist ein erwachsenes Auto geworden, dem weiterhin die Sympathien zufliegen dürften, trotz des dubiosen Soundgenerators. Die Preise sind äußerst ambitioniert, aber das bewahrte die Verbrenner-Varianten bisher auch nicht vor dem Erfolg.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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