Aiways U6
China-E-SUV mit eigenem Antrieb

Hey, der sieht aber cool aus! Mit seinem expressiven und stimmigen Design hat das neue SUV-Coupé U6 von Aiways gute Chancen auf Matches beim E-Auto-Tinder. Was der China-Stromer neben optischem Chic, einer selbstentwickelten E-Maschine mit 218 PS plus 63 kWh-Akku sonst noch in petto hat, klären wir beim Fahrbericht.

In Deutschland ruckelt es noch ein wenig chinesischen Startupper Aiways. Trotz reparierter Lieferketten flutscht es in der Münchner Overseas-Zentrale nicht so richtig mit dem Modellnachschub. Dabei flutscht der U6 dank seines günstigen cw von unter 0,25 eigentlich widerstandsärmer durch den Wind als sein kürzerer und höherer SUV-Bruder U5.

Unsere Highlights

Vom Style-Fortschritt gegenüber diesem ganz abgesehen. Okay, Design bleibt Geschmackssache, aber das 4,80 Meter lange SUV-Coupé hat beste Chancen auf Matches beim Auto-Tinder. Manche raunen sogar leise Polestar, wenn sie ihn sehen. Ein Eindruck, der auch nach dem Einsteigen bleibt, denn den Innenraum möbelten die Aiways-Truppe buchstäblich auf. Luftiges Raumgefühl trifft auf ein je nach Farbkombination fast schon frech-pfiffiges Ambiente – weder kaltherzig reduziert, barock glitzernd oder großflächig bebildschirmt. Im Gegenteil, der U6 wirkt gleichermaßen Weltmarkt-gängig wie Europa tauglich. Und dabei durchweg hochwertig verarbeitet, mit ansprechenden Materialien und grundsätzlich sorgfältigen Passungen. Bequeme Sitze in etwas hoher Position runden den Eindruck ab.

Alles mit Touch und alles unter Kontrolle

Auf Display-Exzesse verzichtet Aiways ebenso wie auf Bediensperenzchen. So zeigt der 8,2-Zoll-Schirm vor dem Fahrer essenzielle Informationen wie Tempo und Ladestand, alles Weitere läuft über den in der Mitte montierten, hochauflösenden und berührungsreaktiven 14,6-Zoll-Hauptscreen. Hier ertoucht man einen wesentlichen Teil der Funktionen. Grafisch liebevoll, teils detailverliebt inszeniert, jedoch nicht sofort bis ins Detail durchschaubar. Und wegen der teils kleinteiligen Bedienfelder nicht durchgängig während der Fahrt zu bedienen, ohne den Blick lange von der Straße zu wenden. Mit etwas Gewöhnung funktioniert es zwar, was die Trauer über den Verlust physischer Bedienelemente (außer solchen am Lenkrad) nicht völlig vertreiben kann. Andererseits gilt es jede Menge Technik zu domptieren. So warten in unterschiedlichen Menüebenen unter anderem die Einstellungen der elf Assistenzsysteme, die mit 22 Radar- und Kamerasystemen (Sensorik und Software gemeinsam mit Continental und Mobileye entwickelt und appliziert) sowohl das Umfeld als auch den Fahrer im Blick haben.

Von Zeigefingern, Routenführungen und Bedienwalzen

Zur Seite schauen? Durch die Gegend träumen? Vielleicht sogar am Steuer eine rauchen? Vergessen Sie es, der U6 hebt sofort den akustischen Zeigefinger. Puh, so übergriffig kann sich Zukunft anfühlen. Bei der Navigations-Gestaltung verzichtet Aiways auf eine ins Auto integrierte Navigation, nutzt stattdessen das via Apple Carplay oder Android Auto gekoppelte Smartphone. Grundsätzlich smart, nicht nur wegen der stets aktuellen Updates, sondern auch der "Pump"-App, die dank Zugriff auf die Fahrzeugdaten optimierte Routenführungen samt Ladestopp-Planung mit Echtzeit-Daten anbietet. Allerdings hängt die Exaktheit der Navigation von der Netzqualität ab. Ebenso durchgängig wie serienmäßig: das große Glasdach, eine vielfarbige und vielseitige Ambientebeleuchtung sowie eine klangstarke Magnat-Musikanlage. Ebenfalls Serie: der auffällige Fahrstufenregler, der optisch an den Gashebel eines Flugzeugs erinnert und dessen Bedienwalze der eines Gasgriffes beim Motorrad ähnelt.

Vorderradscharren? Höchsten kurz bei Volllast

Sobald "D" drin ist, summt der U6 los. Leise und stressfrei mit straffem Abrollen und insgesamt ordentlichem Federungskomfort. Und einer Lenkung, die weder superdirekt noch zu Tode sediert, den vorderradgetriebenen 1,8-Tonner grundsätzlich entspannt und mit ausreichender Präzision durch die Stadt, über Schnellstraßen und durch Kurven aller Art führt. Wer sich auf das Ansprechen aus der Mittellage konzentriert, wünscht sich hier allerdings mehr Feinsinnigkeit, eine exaktere Rückmeldung könnte ebenfalls nicht schaden. Dennoch lässt sich der U6 auf trockenen Pisten ebenso problemlos positionieren wie auf nassen oder komplett schneebedeckten. Winterurlaub mit den E-Chinesen ist also ebenso problemlos wie Pässefahren oder Landstraßentouren. Wir haben es im verschneiten Dezember vorab probiert und der Aiways hat geliefert. Einzig bei Volllast können wegen des Vorderradantriebes schonmal kurz die Räder scharren, dafür bleibt das Heck von Antriebseinflüssen verschont, logisch. Einstellbare Rekuperationsstufen helfen bei der Energierückgewinnung, ändern aber nicht am recht teigigen Bremspedalgefühl.

Kultiviert und sparsam

Sehr erfreulich hingegen: der Antrieb an sich. Ein neuer, von Aiways nunmehr selbst entwickelte und produzierte Permanent-Synchronmotor mit 218 PS und 315 Newtonmetern. Er dreht mit maximal 16.000/min etwas höher als viele Mitbewerber und kann laut der Ingenieure durch die größere Drehzahlspanne kleiner und leichter bauen, da weniger magnetisch aktives Material nötig ist. Rund 15 Prozent Gewicht will man so gespart haben, größtenteils Erze und seltene Erden. Die E-Maschine läuft jedenfalls ebenso kultiviert wie kräftig, die 6,9 Sekunden auf 100 glauben wir zumindest gern. Ebenso die Reichweite von 400 Kilometern, jedenfalls bei entspannter Fahrweise, für die sich der U6 mit relativ niedrigen Praxisverbräuchen zwischen 16 und 18 kWh bedankt. Auf der Autobahn nimmt der bei 160 abgeregelte U6 dann rund 21. Der aus dem U5 bekannte 63 kWh-Akku mit den 24 CATL-Modulen wird per serienmäßiger Wärmepumpe temperiert (die auch für die E-Maschine und den Innenraum zuständig ist) und lädt mit bis zu 90 kW am Schnelllader und 11 kW an der Dreiphasen-Wallbox. Hier bietet der Wettbewerb zum inzwischen mehr. Immerhin steht der U6 für eine typische 20 bis 80 Prozent Ladung erträgliche 35 Minuten an der Ladesäule, ein Vollhub an der Wallbox soll sieben Stunden dauern.

Etwa so lange wie unsere heutige Tour, auf der sich der U6 als angenehm zu fahrender, komfortabler Elektro-Kumpel mit ordentlich Platz für Menschen und Gepäck (bis zu 1.260 Liter Kofferraumvolumen) erweist. Einer der dich lieber entspannt ans Ziel bringt als permanent das Reifengummi der Vorderräder auf die Karkasse herunterzuhobeln. Insofern keine schlechten Aussichten für das rund 45.000 Euro teure SUV-Coupé. Zumindest für alle, die sich mit dem Kauf bei Euronics sowie Service und Betreuung bei ATU-Partnern in Deutschland arrangieren können.

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Fazit

Optisch interessante Bereicherung des Elektrosegments mit hochwertiger Anmutung, großzügiger Ausstattung, viel Platz und sparsamem Motor. Alle die mit einem distanzierten Handling und Bremspedalgefühl teils kleinteiliger Bedienung und einem speziellen Servicekonzept leben können, sollten sich das recht preiswerte chinesische SUV-Coupé einmal ansehen.