Alpine A110S
S wie Sport - wir fahren die nachgeschärfte Alpine

Renault nimmt sich die Alpine vor. Mehr Leistung, strafferes Fahrwerk: macht 10.700 Euro extra. Oh, oh oder oh là lá?

Alpine A 110 S, Fahrbericht, 2019, Exterieur
Foto: Roman Raetzke

Seien Sie jetzt mal ganz leise, öffnen das Fenster und lauschen. Nein, nicht dem bratpfannenbewehrten Ehestreit nebenan. Es muss ganz still sein, dann kann man es hören. Das Zähneklappern der Alpine-Fans. Vor Furcht. Normalerweise ist die Ankunft eines aufgewerteten Sportmodells ja Grund zur Freude. Doch bei der A110S könnte das anders sein, zieht die Basis A 110 ihren Reiz gerade aus der Beschränkung aufs wesentliche. Auf die Essenz. Nicht zu wenig, vor allem aber: Nicht zuviel Leistung, Gewicht, Strenge, Technik. Gekonnt ausbalanciert, so röhrte sie sich mit ihrem 252 PS starken 1,8-Liter-Vierzylinder in die Herzen, ach sagen wir ruhig: aller. Selbst Typen, die sich sonst eher springende Pferde, Propeller oder Sterne stechen lassen würden, sind im Alpine-Fanclub. Womit das geklärt wäre.

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Mittendrin. Und dabei!

Klar ist: wenig Gewicht hilft immer. Ob Beschleunigung, Durchzug, Bremsen, Handling. Du musst Dynamik und Freude nicht mit technischen Aufwand herbei- oder zurückzaubern, sie ist einfach da. Selbst sensibel federn konnte schon die Basis. Ebenso wie feinfühlig lenken und Kurven flott und ohne Drama aber mit großer Freude nehmen. Freude, die auf den Fahrer überspringt, denn er wird eingebunden, mitgenommen statt isoliert danebenzustehen, übercoacht von Algorhythmen, Stellmotoren und Steuerventilen. Im besten Sinne analog, die Alpine.

Alpine A 110 S, Fahrbericht, 2019, Interieur
Roman Raetzke
Die Lenksäule ist in Neigung und Reichweite verstellbar und umfasst auch das Aluminium-Schaltwippenpaar.

Was uns nun endlich zur A110S bringt mit ihren 50 Prozent strafferen Federn, angepassten Dämpfern und 100 Prozent steiferen (und leichten, weil hohlen) Stabilisatoren. Und jetzt 292 PS. Letztere schaden schonmal nichts. Wie auch, das Gaspedal arbeitet ja stufenlos, alles kann, nichts muss. Es liegt am Fahrer, ob er die Leistung (Drehmoment wie gehabt 320 Nm) komplett an die Räder bringen möchte, den um 0,4 bar höheren Ladedruck und das um 400 Umdrehungen angehobene Drehzahllimit auskostet. Vor allem auf der Geraden gar keine so blöde Idee, denn was hilft es, wenn Du dir in den Kurven den Hintern wundfährst, um auf der nächsten Geraden von irgendwelchen Hatchback-Bubis abgezogen zu werden. Wir reden jetzt natürlich von Rennstrecken-Trackdays, nicht dem täglichen Arbeitsweg, ähemm. So oder so: das mit dem Abziehen wird jetzt schwieriger, die 1.114 Kilogramm schwere S geht energischer nach vorn, speziell ab 5.000/min. Leistungsgewicht 3,8 kg/PS, 0-100km/h in 4,4 Sekunden, 260 Spitze. Läuft

Kammscher Kreis live

Und trotz der Begeisterung für die bisher nachgiebige Federung, die spürbare Rollneigung, auf die man sich erst kurz eichen musste, bevor man dem Handling-Braten traute: Auf schnellen, gepflegten Pisten (nicht nur bei Trackdays) kann so ein strafferes Fahrwerk schon mehr anrichten. Bisher ließ die Alpine hier ja bewusst ein wenig Potenzial liegen. Vorbei. Jetzt gilt’s: wie gehabt Mittelmotor, kurzer Radstand, bloß alles eine Etage näher am Asphalt (exakt liegt die Karosserie vier Millimeter tiefer). Und mit breiteren Reifen in eigener Spezifikation (Michelin Pilot Sport 4 in 18 Zoll, vorn 215/40, hinten 245/40), die dank Dreiecksquerlenkern eh vorbildlich plan am Boden kleben, sich noch verwegener ums Handling und noch immer nicht sonderlich um gewichtsindizierte Fliehkräfte kümmern müssen. Kammscher Kreis, wir sind dein Fan. Selbst wenn es mal darüber hinaus geht, die Alpine bleibt smooth. Durchaus nicht selbstverständlich, denn wer Federn und Dämpfer strafft, Grip erhöht, Handling zuspitzt, der erlebt gern mal Haftung, Haftung, Haftung – und Abriss. Dazwischen? Nix. Höchstens große Augen. Ganz kurz. Und wildes Lenken. Bis zum Einschlag.

Alpine A 110 S, Fahrbericht, 2019, Interieur
Roman Raetzke
Das abgeflachte Sportlenkrad mit Moduswahlschalter zeichnet sich durch eine orangefarbene 12-Uhr-Markierung aus.

Streng aber gerecht. Immer.

Für Anfänger und FortgeschritteneNicht bei der A110S. Strenger vielleicht, drahtiger, aber immer noch fair. Später anbremsen mit den 320er-Brembos (bisher optional, hier Serie), flinker einlenken. Untersteuern? Schon beim Standardmodell kein Thema bleibt die S noch strikter beim kleinen Radius, selbst in engen Ecken oder Spitzkehren. Die Reifen haften länger, das Eigenlenkverhalten ist neutraler, effizienter. Du kannst früher und härter zurück ans Gas, die feine Regelelektronik ein weiten oder sich öffnenden Kurven stets so viel Leine wie möglich, hält den Mittelmotor-Sportler unter Last schön auf der Wunschlinie. Wer diese verändern möchte, kann nach wie vor mit dem Gaspedal nachhelfen. Kontrolliertes Lupfen dreht das Heck ein, wieder aufs Gas und die Alpine marschiert erneut vorwärts.

Die Lastwechselreaktionen kleiner, das Tempo höher, der Spaß nach wie vor kolossal. Und selbst sich wenn mal keine Rennstrecke vor die Räder wirft, die Alpine A110 beherrscht auch als S noch den Tanz mit der Nebenstrecke, sei sie auch zerfurcht. Etwas trockener als bisher, aber nicht störrisch hält sie nach wie vor tiptop Bodenkontakt. Und der Innenraum? Nüchterner, kühler, mit Dynamica statt Steppleder. Reine Geschmackssache. Anders als die A110S an sich, denn die gefällt Anfängern wie Fortgeschrittenen.

Fazit

Schon die Basis-Alpine ist ein Riesenspaß, lebt von cleverer Reduktion, charmanter Dynamik. Habhaft, emotional, involvierend. Die A110S, stärker und straffer setzt einen drauf, würzt die Beschleunigung obenraus nach, geht in Kurven bei Bedarf energischer ran, bremst härte, fährt neutraler und effizienter. Ob man es braucht? Das muss jeder selbst entscheiden. Spaß macht sie jedenfalls.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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