Aston Martin DBS Superleggera (2018) im Fahrbericht
Das kann der Vanquish-Nachfolger mit 725 PS

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Astons neues Topmodell mixt die Grundzüge des DB11 mit Schub­gewalt, aggressiver Abstimmung, Aero-Tricks und einem gewagten Kleid. Stimmig oder übertrieben?

Sieben Modelle in sieben Jahren hat sich Aston Martin in seinem Next-Century-Plan zum Ziel gesetzt – sieben Modelle, alle komplett neu beziehungsweise komplett erneuert, Derivate wie Cabrios nicht mitgezählt. Es scheint, als meinten sie es ziemlich ernst mit der Aufbruchstimmung droben in Gaydon, Warwickshire.

Der erste Schritt raus aus der zuletzt nicht mehr ganz so glorreichen Vergangenheit geschah 2016 mit dem DB11. Er ist die Norm der Markenwerte, der klassische Aston Martin. Pfeilschnell, bildschön, aber eher engagiert als fokussiert. Im Jahr darauf kam sein Gegenpol, Modell Nummer zwei, der Vantage, der sich stärker differenziert als bisher. Optisch, aber auch fahrdynamisch. Das Ergebnis: ein Sportwagen, und endlich ein waschechter. Inzwischen schreiben wir 2018, Jahr drei im Plan. Und das hier ist das Modell dazu. Es basiert auf dem DB11, verknüpft dessen Gran-Turistik aber mit dem Feuereifer eines Vantage. Sein Vorname: DBS. Sein Nachname: Superleggera. Und ich trau mich fast zu wetten, dass Sie beides schon mal irgendwo gehört haben.

Unsere Highlights

Vanquish-Erbe und Filmstar

Der DBS taucht erstmals 1967 auf. Damals soll er den DB6 ersetzen, wird der erste Aston mit V8, aber schnell wieder aussortiert. Vierzig Jahre später kommen die drei Buchstaben zurück. Der zweite DBS beerbt den damaligen Vanquish, ehe er seinerseits von einem Vanquish beerbt wird – von jenem, den nun wiederum er hier, der dritte DBS, beerbt. Oder um die Historie etwas boulevardesker auszukleiden: Der alte DBS war Lazenbys Bond-Auto, spielte zudem an der Seite von Roger Moore, Tony Curtis und einem Ferrari 246 Dino in „Die 2“.

Der neuere stand ebenso im Geheimdienst Ihrer Majestät und wurde dabei vor allem für seinen Auftritt in „Ein Quantum Trost“ berühmt, als er eine Horde Alfa so lange die Uferstraße des Gardasees entlangprügelte, bis nichts mehr von ihnen übrig war – und nicht sehr viel mehr von ihm. Großes Kino, by the way. Die Geschichte des „Superleggera“-Anhängsels erzählt sich nicht ganz so plakativ. Übersetzt heißt „Superleggera“ so viel wie „superleicht“, was auf den aktuellen DBS trotz einer Ersparnis von 72 Kilo gegenüber dem DB11 nur sehr bedingt zutrifft. CFK-Körperteile einerseits, Doppelverglasung andererseits – das beißt sich. Unterm Strich: 1.693 Kilo. Trockengewicht. Uff!

Hinter „Superleggera“ verbirgt sich jedoch auch das ehemalige Mailänder Karosseriebau-Unternehmen Touring. Bereits in den 30ern hatten die Italiener ein Konstruktionsprinzip entwickelt, bei dem die Karosseriebleche – ähnlich wie im Flugzeugbau – direkt mit einem Rahmen verbunden werden. Skelett und Haut verstärken sich dadurch quasi gegenseitig, was die Steifigkeit erhöht und das Gewicht reduziert. Bis zum Aus von Touring 1966 basierten viele renommierte Sport- und Rennsportwagen auf der patentierten Superleggera-Idee – darunter auch die Aston-Ikonen DB4 und DB5. An den Haaren herbeigezogen ist die Verbindung also nicht, zumal zwischen den Fertigungsverfahren von damals und heute durchaus prinzipielle Parallelen existieren. Speziell mit dem DBS haben die aber nichts zu tun.

Aston Martin DBS Superleggera
Max Earey
Kaum Rollneigung dank eines straffen aber nicht ruppigen Fahrwerks.

Mit Doppeldiffusor und 900 Nm

Seine Eigenständigkeit ist dennoch unübersehbar. Der feine Dress seiner Ausgangsbasis ist nur noch in den Proportionen existent. Der Frontgrill wurde zu einem Schlund geweitet, das Dach entblößt seine konstituierenden Kohle­fasern, das Heck trägt eine steile Spoilerlippe, die aber nur die Spitze des Eisbergs ist.

Der DB11 organisiert seine Aerodynamik weitestgehend hinter den Kulissen. Über Schächte in den C-Säulen strömt Luft in eine Art Unter-der-Haut-Kanalisation im Heck­deckel. Dort wird sie zugunsten von Anpressdruck verdichtet und über einen Spalt wieder abgeführt. Diese Katakomben übernimmt der DBS eins zu eins, allerdings verstärkt er ihre Wirkung mittels seiner Finne eklatant. Sie komprimiert den Luftstrom am Auslass, wodurch ein Hochdruckgebiet entsteht, das den Heckbereich von oben auf die Straße drückt. Von unten packt gleichzeitig ein sogenannter Doppeldiffusor mit an. In der Formel 1 inzwischen verboten, ist er hier ein wesentlicher Faktor der 180 Kilogramm Gesamtabtrieb, die der DBS bei den 338 km/h Vmax generiert.

Vorne ist derweil der massiv leistungsgesteigerte Frontmittelmotor erwacht. 5,2 Liter. V12. Laderduo. Eine Eigenentwicklung, die nun 725 PS und 900 Nm zur Hinterachse pumpt – 117 beziehungsweise 200 mehr als im DB11. Der Motor selbst blieb substanziell unverändert, das reguläre Automatikgetriebe jedoch wäre unter der Muskelmasse zerbröselt, weswegen der DBS auf die robustere Version des ZF-Achtstufers umsattelt. Das Schaltgefühl bleibt zwar genauso schnittig wie bisher, aufgrund der kürzeren Übersetzung und des massiven Antritts dürfte die Schaltstrategie aber etwas defensiver ausfallen: Shortshifts als Zeichen des Respekts.

Urgewaltig, aber kontrollierbar

Mein lieber Scholli, bolzt der Apparat los: In 3,4 Sekunden sollen 100 km/h anstehen. Oder noch beeindruckender: die 4,2 Sekunden, in denen er von 80 auf 160 beamt. Gründe zu zweifeln? Höchstens die Traktion. Selbst beim Losstürmen im vierten Gang merkt man, wie sich die Sperre reinknien muss, wie sie sich innerlich zusammenreißt, um alles auf Zug zu halten. Trotzdem hat man nie das Gefühl, beim Gasgeben unverschuldet in eine Drehmomentlawine geraten zu sein. Im Gegenteil: Die Urgewalt ist wohldosierbar, man entscheidet immer selbst, wie heftig man von ihr mitgerissen wird. Und wie weit. Zum anderen liegt das Beauty-Beast deutlich satter als der im Vergleich fast labberige – Pardon – legere DB11. Die sensible Lenkung kettet sich direkter an der Aufhängung, die ihrerseits aggressiver abgestimmt wurde: mehr Sturz, mehr Festigkeit in der Kinematik. Beim Einlenken baut der DBS viel schneller viel mehr Seitenführung auf, das stramme, aber nicht zu ruppige Fahrwerk killt weite Teile der Rollneigung, die breiteren Reifen unterfüttern das Coupé mit Extragrip. Dennoch sind die Eindrücke am Ende zwiegespalten, was daran liegt, dass der DBS Philosophien vereint, die sich eigentlich zuwiderlaufen. Der DB11 ist ein perfekter GT, der Vantage ein Eins-a-Sportwagen, der DBS beides nur zum Teil.

Aston Martin DBS Superleggera
Max Earey
Stefan Helmreich findet die Urgewalten des neuen Aston Martin DBS Superleggera wohldosierbar.

Bleibt noch die Frage, wie die Neuentwicklungsgeschichte weitergeht. Was wir wissen: Schritt Nummer vier, der DBX, geht in eine andere Richtung – ins Crossover-Segment. Unsere Vorfreude hält sich daher in Grenzen. Gleiches gilt für die beiden Lagonda-Modelle. Bei ihnen wird es um Luxus gehen, um E-Motorik, um Zukunft. Fehlt? Einer. Er ist das sportliche Highlight des Next-Century-Vorhabens, wird an Planstelle fünf oder sechs erscheinen und – so viel steht fest – ein reinrassiger Mittelmotor-Sportwagen werden. Wow! Wie gesagt: Sie scheinen es ernst zu meinen.

Vorstellung Aston Martin DBS Superleggera

Bullig breit und mit einem gigantischen Frontgrill steht der neue Aston Martin DBS Superleggera da, als wolle er die ganze Welt einsaugen. Unten rechts und links an der Front sitzen weitere, transparente Lufteinlässe, die den Blick auf die Ölkühler freigeben, was wunderbar technisch aussieht. In der Fronthaube klaffen zwei große Belüftungsöffnungen – diese sollen optisch unterstreichen, dass unter dieser Haube ein hart arbeitendes 5,2-Liter-Zwölfzylinder-Aggregat sitzt. Viele Bauteile lassen sich gegen Aufpreis aus Karbon bestellen – unter anderem das Dach, die Dachholme und sogar das Front-Logo sowie der Heckschriftzug. Das Frontlogo gibt es gegen einen nicht genannten Aufpreis aus massivem Gold – ein besonders in der arabischen Welt gerne genommenes Ausstattungsmerkmal.

Die Räder haben serienmäßig einen Durchmesser von 21 Zoll. Rundum kommen Karbon-Keramikbremsen zum Einsatz, vorne ein Sechskolben-System mit 410-Millimeter-Scheiben, hinten mit vier Kolben und 360-Millimeter-Scheiben. Als Reifen sind herstellerspezifische „A7“ Pirelli P-Zeros (vorne 265/35 auf 9,5 J und hinten 305/30 auf 11.5 J Felgen) vorgesehen. Die beiden Doppelendrohre rechts und links im Heck machen mit fetten Blenden auf dicke Hose. Der Klang der Abgasanlage lässt sich serienmäßig über Klappen steuern, aber eine Abgasanlage aus Titan kostet extra.

Sitzprobe

Zum Türöffnen muss man bei Aston Martin erstmal den bündig in der Tür sitzenden Griff herausklappen – die Engländer hatten dieses Feature schon Jahre bevor es Tesla für sein Model 3 mit entgegengesetzter Klapprichtung übernahm. Der Einstieg über die winzigen DBS-Logos auf den Karbon-Einstiegsleisten funktioniert trotz der tief montierten Sitze relativ komfortabel, da das Lenkrad unten abgeflacht ist. Oben ist es ebenfalls abgeflacht, aber anders, was seltsam aussieht. Allerdings fasst sich der Volant wegen seiner griffigen Oberfläche und des dicken Lenkradkranzes super an.

Erstaunlich: Der Sportler vermittelt das Raumgefühl einer Limousine. Vorne haben große Menschen richtig viel Platz und selbst wenn die Sitze weit nach hinten geschoben sind, können im Fond immer noch Kinder bequem sitzen. Aston Martin hat hier die Kundschaft aus Amerika und neuerdings auch Russland klar im Blick. Die Sitze selbst sind bequem und straff gepolstert und bieten guten Seitenhalt, optional gibt es eine Sitzbelüftung. Die Sitzgrafik mit eingenähten Winkeln findet sich auf der Bespannung des Dachhimmels wieder. Die Lenkradsatelliten kommen genauso wie der Drehdrücksteller mit Touchpad in der Mittelkonsole vom Kooperationspartner Mercedes und fügen sich harmonisch ins Gesamtbild ein. Rechts und links vom rahmenlosen Innenspiegel sitzen die stylischsten Sonnenblenden-Spiegel der Fahrzeug-Branche: Hinter einem leicht gleitenden Slider funkelt ein extrem schmales aber sehr breites Spiegelband – das erinnert irgendwie an Ultra Panavision 70, also an das breiteste aller Breitbild-Filmeformate. Im Cockpit ist alles ergonomisch und super zu erreichen. Eine kleine Überraschung ist die trotz des abfallenden Daches recht gute Übersicht nach hinten.

Aston Martin DBS Superleggera
Aston Martin
Bequeme Sportsitze und viel Platz im Innenraum des Aston Martin DBS Superleggera.

Leichtbau-Chassis

Das Aluminium-Leichtbau-Chassis des DBS Superleggera ist eine Weiterentwicklung des DB11-Chassis. Die Räder an der Vorderachse werden von geschmiedeten Doppelquerlenkern geführt, an der Hinterachse kommt ein Multi-Link-System zum Einsatz. Die adaptiven Dämpfer gehören zum Serienumfang. Sie werden von den drei Modi GT, Sport und Sport+ beeinflusst. Im Vergleich zum DB11 liegt der DBS Superleggera um fünf Millimeter tiefer. Zur Serienausstattung des DBS Superleggera gehören unter anderem schlüsselloser Zugang, eine 360-Grad-Kamera, ein Reifendruck-Kontrollsystem, Einparksensoren sowie ein Einparkassistent. Das Audio-System beherrscht den Übertragungsstandard DAB+ und lässt sich via Bluetooth und USB mit anderen Geräten koppeln. Das Navi ist genauso Serie wie der Wi-Fi-Hub (WLAN-Zugang für mobile Endgeräte). Wer ein bisschen mehr ausgeben möchte, bekommt eine Audioanlage von Bang & Olufsen.

V12-Turbo mit 725 PS

Der 5,2-Liter-Twin-Turbo-V12 sitzt zwar unter der Fronthaube, aber für eine nahezu optimale Gewichtsverteilung (51 zu 49 Prozent zwischen vorn und hinten) ist er niedrig und möglichst weit hinten positioniert. Das Aggregat leistet 725 PS bei 6.500/min und generiert ein maximales Drehmoment von 900 Newtonmetern auf dem breiten Drehzahlband von 1.800 bis 5.000/min. Damit rast der Engländer in 3,4 Sekunden von null auf 100 km/h, 100 Meilen pro Stunde (161 km/h) sind nach 6,4 Sekunden erreicht, maximal sind 340 km/h drin. Die Zwischenbeschleunigung von 80 bis 161 km/h (50 bis 100 Meilen pro Stunde) im vierten Gang erledigt der GT in hervorragenden 4,2 Sekunden. Den Verbrauch hat Aston Martin noch nicht endgültig bekanntgegeben – er dürfte im Schnitt bei um die 11,6 Liter pro 100 Kilometer liegen.

Aston Martin DBS Superleggera
Aston Martin
Der 5,2-Liter-V12-Twin-Turbo-Motor leistet 725 PS. Er sitzt weit hinten und unter einer Dreiecks-Domstrebe.

Schalten übernimmt eine Achtgangautomatik von ZF, Gangwechsel kann der Fahrer über feststehende Lenkrad-Schaltwippen auch selbst initieren. Der Gewichtsverteilung zuliebe ist das Getriebe in Transaxle-Bauweise (über der Hinterachse) montiert und über eine Karbonwelle mit dem Motor verbunden ist. Ein mechanisches Sperrdifferential soll die Traktion verbessern, Torque Vectoring soll den 1.693 Kilogramm schweren „Superleggera“ (italienisch für superleicht) handlicher machen.

Markstart und Preis

Der neue Aston Martin DBS Superleggera ist in Deutschland ab Ende 2018 zu haben, die Preise beginnen bei 274.995 Euro. Die bereits als Erlkönig gesichtete Cabrio-Variante dürfte ein Jahr später auf den Markt kommen.

Fazit

Der neue Aston Martin DBS Superleggera stürmt gewaltig los, wobei seine Momente immer wohl dosierbar bleiben. Seine Lenkung ist sensibel, sein Fahrwerk ist stramm aber nicht zu ruppig, zudem reduziert es die Rollneigung stark. Der Eindruck bleibt aber zwiegespalten, da der gleichzeitig ein GT und ein Sportwagen sein möchte.

Technische Daten
Aston Martin DBS Superleggera Coupé 770 Ultimate
Grundpreis286.100 €
Außenmaße4715 x 1970 x 1285 mm
Kofferraumvolumen270 l
Hubraum / Motor5204 cm³ / 12-Zylinder
Leistung566 kW / 770 PS bei 6400 U/min
Höchstgeschwindigkeit340 km/h
Verbrauch12,4 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten