Aston Martin Vanquish Coupé im Fahrbericht
Im Supersportwagen zu 007

Wo Bond herkommt, da wollen wir hin: in die schottischen Highlands südlich des Städtchens Glencoe. Natürlich in einem Aston Martin – dem modellgepflegten Vanquish.

Aston Martin Vanquish Coupé, Impression, Frontansicht
Foto: Wolfgang Groeger-Maier

Woher kommt James Bond? 007, der legendäre Geheimagent Ihrer Majestät – in den Fünfzigern erfunden von Autor Ian Fleming. Das Mysterium seiner Herkunft zieht sich durch sämtliche Romane und Filme. Bis der Showdown des bisher letzten Streifens, „Skyfall“, die Antwort liefert. Während die Kamera über die schottischen Highlands rund um Glencoe schwenkt, sagt M, Bonds Chefin: „Hier sind Sie aufgewachsen.“ Und da wollen wir hin.

Natürlich treten wir die Reise standesgemäß in einem Aston Martin an. In „Skyfall“ durchquert der Kino-Agent in seinem alten Dienstwagen DB5 von London aus ganz England bis nach Schottland und erreicht schließlich die Highlands. Wir folgen den Spuren im modellgepflegten Aston Martin Vanquish, dem 253.995 Euro teuren Supersportwagen. Er leistet nun 567 PS (plus drei) und 630 Nm (plus zehn). Ebenfalls neu: die ZF-Automatik mit acht Gängen (plus zwei).

Den standesgemäßen Vortrieb ermöglicht uns ein gewisser Mark Cassady, der das Triebwerk zusammengefügt hat; das verrät eine Plakette auf dem Sechsliter-V12. Als Schrulligkeit kann man das nicht mehr lobpreisen, seit auch weniger exklusive Marken den Namen des Mechanikers auf dem Motor verewigen – diese sind leider selten klangvoll und oft ähnlich unaussprechlich wie Gälisch, die schottische Ursprache.

Mit dem Aston Martin Vanquish zu Besuch bei Nessie

Nein, schrullig ist an einem Aston Martin Vanquish eher schon der Zündschlüssel mit Glasbesatz. Oder die aus dem Vollen gefrästen Metallregler und die elektrische Sitzverstellung seitlich an der Mittelkonsole. Dann wäre da noch der Antagonismus aus berührungsempfindlichen Tastern hinter Glas als letztem technischen Schrei und dem zwischen Schweller und Fahrersitz angebrachten Handbremshebel – einem technischen Relikt, das selbst Ferrari seit Jahrzehnten abgelegt hat. In einem Aston Martin ist vieles eigentümlich; Parallelen zu den Schotten lassen sich unschwer entdecken. Doch Eigenheiten formen schließlich einen Charakter. Und den haben die Highlander so zweifellos wie ein Vanquish.

Das nördlichste Land der britischen Insel ist vor allem für Whisky, Haggis und Schafe bekannt. Letztere grasen jenseits der schmalen Sträßchen, die sich als grobmaschiges Netz über die Highlands legen und in Deutschland als geteerter Wirtschaftsweg deklariert wären. Selbst mit A gekennzeichnete Fernstraßen entpuppen sich häufig als bestenfalls leidlich ausgebaut. Auf einer von ihnen sind wir mit dem Aston Martin Vanquish unterwegs: der A 82, die Glasgow mit Inverness verbindet, einer Stadt am Loch Ness – Nessie, Sie wissen schon, das See-Ungeheuer. Natürlich haben wir unserer Neugierde gehorcht und sind an den sagenumwobenen See gepilgert. Natürlich waren der Himmel dramatisch und unheilvoll verhangen und das Wasser dunkelgrau. Natürlich war nichts von Nessie zu sehen.

Doch das Hinterland ist spektakulär: Wir wischen vorbei an putzigen Mäuerchen, cruisen mit dem Aston Martin Vanquish über pittoreske Brücken, über die sich ein Baldachin aus Baumwipfeln spannt. Wir schlagen uns durch grüne Höllen, nehmen steil in den Himmel ragende Anstiege und stürzen uns in harte Kompressionen. Schafe einmal ausgenommen, ist meilenweit kein Leben zu entdecken.

Der Aston Martin Vanquish schlängelt sich überall durch. Selbst als die ohnehin schon schmalen Wege noch enger werden und an die Piste in „Skyfall“ erinnern. Streng genommen wären das Einbahnstraßen – sind sie aber nicht. Verglichen mit dem zierlichen DB5 ist der Neue ein echter Wonneproppen, doch er weiß sich geschickt zu bewegen. Einen Fehltritt wollen wir uns hier auf keinen Fall erlauben; die Moorlandschaft beginnt gleich hinterm Bankett. Sie ist mit totem Holz gespickt. Als wären die Stämme Gedenksteine unvorsichtiger Wanderer.

Kulisse stand in der südenglischen Heide von Hankley Common

Es fällt nicht schwer, die düstere Stimmung von „Skyfall“ nachzuempfinden. Wie kein zweiter 007-Streifen verliert sich der jüngste in einer endzeitlichen Düsterkeit. Schottisches Klischeewetter als Herold des dramatischen Showdowns. Man kann sich keinen besseren Drehort vorstellen, um die Thematik klarzustellen: Bond reist in seine Vergangenheit, die nebulös im Dunkeln liegt.

Es ist dieser unheimliche Gegensatz aus sich weit öffnender Landschaft und tief hängenden Wolken. Sie drücken aufs Panorama – und auf die Stimmung. Die Szenerie wird immer unwirklicher; man meint, direkt in den Dreh von „Skyfall“ zu geraten, so sehr ähnelt die Landschaft den Bildern im Film. Hier musste nichts getrickst oder verfremdet werden: Südlich von Glencoe sieht es tatsächlich so aus. Dann sollte doch eigentlich demnächst das „Skyfall“-Haus erscheinen.

Das kann es aber nicht, denn es ist wie Bond selbst reine Fiktion – nur für den Filmdreh aufgebaut und danach wieder zerstört. Tatsächlich stand die Kulisse des Bauwerks auch nicht in den Highlands, sondern in der südenglischen Heide von Hankley Common. Der modernen Filmtechnik samt Nachbearbeitungsmöglichkeiten ist es zu verdanken, dass sich der wahre Drehort nicht verrät.

Aston Martin Vanquish – „To vanquish“ heißt „bezwingen“

Wir finden auf unserer Route ähnlich einsam gelegene Anwesen. Würde man „Skyfall“ nicht mit dem bedrohlich grauen Herrenhaus aus dem Film assoziieren, so könnte man sich glatt einen dieser Höfe als Bonds Elternhaus vorstellen. Nur der luxusumwobene Aston Martin Vanquish wirkt in dieser von Reichtum nicht gerade gesegneten Gegend wie ein Wesen aus einer anderen Welt: Alleine für den Gegenwert des schwelgerisch vernähten Leders ließe sich wohl der eine oder andere schottische Landsitz erwerben. Und obwohl er nicht einmal einen Auftritt in „Skyfall“ hat, lässt sich die Brücke zwischen Film und Fahrzeug leicht schlagen: Das englische Verb „to vanquish“ bedeutet auf Deutsch so viel wie „bezwingen“. Und 007 bezwingt am Ende nicht nur seinen Gegner – sondern vor allem die Geister seiner Kindheit.

Technische Daten
Aston Martin V12 Vanquish
Grundpreis262.950 €
Außenmaße4728 x 1912 x 1294 mm
Kofferraumvolumen187 l
Hubraum / Motor5935 cm³ / 12-Zylinder
Leistung424 kW / 576 PS bei 6750 U/min
Höchstgeschwindigkeit323 km/h
Verbrauch12,8 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten