Audi e-tron Vision Gran Turismo
So fahren 815-Elektro-PS auf der Rennstrecke

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Ursprünglich hatten die Audi-Designer den Sportwagen nur für virtuelle Rennen auf der PlayStation 4 entwickelt. Jetzt ist aber auch ein echter Audi e-tron Vision Gran Turismo im Einsatz. Wir konnten den elektrischen Rennwagen schon fahren.

In dem Zweisitzer sollen Kunden und Gäste von Audi die Stadtkurse der Formel E ab dem Rennen in Rom (14. April) als Beifahrer erleben können. Das Einzelstück haben die Mitarbeiter im Audi-Vorseriencenter in elf Monaten entwickelt und gefertigt. Audi-Chefdesigner Marc Lichte sagt zum Realität gewordenen Spielkonsolen-Auto: „Obwohl man bei dem Entwurf eines virtuellen Autos viel mehr Freiheiten hat und Dinge konzipieren kann, die in der Realität nur schwer umsetzbar sind, wollten wir dennoch kein rein fiktives Konzept auf die Räder stellen. Unser Ziel war ein voll funktionsfähiges Auto“. Angeblich hat der Vision Gran Turismo nichts mit dem e-tron GT zu tun, ein Sportwagen mit der Technik des Porsche Mission e, den Audi für 2020 angekündigt hat.

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Drei Motoren und mehr als 800 PS

Vielmehr befindet sich internen Informationen zufolge ein DTM-Chassis unter der Kohlefaser-Außenhaut. Offizielle Sprachregelung: Es handelt sich um ein Einzelstück, das auf einem Rohrrahmen basiert. Zwar lassen die Proportionen des e-tron Vision einen Verbrenner unter der Fronthaube vermuten (wenngleich der Motor hierfür sehr flach bauen müsste…); dennoch wird der Zweisitzer ausschließlich elektrisch angetrieben.

Der Audi e-tron Vision Gran Turismo hat den rein elektrischen, permanenten Allradantrieb e-tron quattro mit variabler Kraftverteilung. Drei je 200 kW (272 PS) starke Elektromotoren treiben die Studie an: zwei der Motoren bewegen die Hinterachse, der dritte die Vorderachse. Dort befindet sich zusätzlich ein Differenzial.

250 km/h Höchstgeschwindigkeit – theoretisch

In die Motoren ist ein Eingang-Getriebe integriert, das derzeit auf maximal 225 km/h übersetzt ist; theoretisch sollen aber auch für 250 km/h möglich sein. Die Systemleistung beträgt 600 kW (815 PS). Das Leergewicht soll bei nur 1.450 Kilogramm liegen – damit käme der Elektro-Rennwagen auf ein Leistungsgewicht von 1,78 Kilogramm pro PS. Die Gewichtsverteilung soll zwischen Vorder- und Hinterachse ausgewogen sein. Audi gibt an, der e-tron Vision Gran Turismo beschleunige 0 auf 100 km/h in etwa 2,5 Sekunden und in 8,5 Sekunden auf 200 km/h

Daten, die man glaubt, sobald man selbst das Fahrpedal voll durchgedrückt hat. Doch zuvor muss man sich zunächst an der Verrohrung des Sicherheits-Käfigs vorbei und über den enorm breiten Schweller ins Cockpit zwängen. Typisch Rennwagen eben, denn nichts anderes ist der e-tron Vision, wenngleich er auch nur im Rahmenprogramm der Formel-E unterwegs sein wird.

Fünfpunktgurt schließen, die Hosenträger fest anziehen. Erster Blick nach draußen: Direkt vor dem Auto ist nichts zu sehen, die sichtbare Außenwelt beginnt geschätzt nach 15 Metern. Startprozedere. Zunächst den Killswitch für die Zündung aktivieren; dieser weckt die Elektronik. Einen Startknopf im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Stattdessen drückt man bei getretenem Bremspedal den N-Knopf, der bei einem Straßenmodell normalerweise für den Leerlauf steht. Anschließend teilt man dem e-tron über die D-Taste mit, dass es gerne losgehen darf.

Sanfter Druck aufs Fahrpedal. Unter hochfrequentem Sirren rollt der Rennwagen los. Es geht auf das Oval der Rennstrecke in Neuburg an der Donau, dem Audi-eigenen Testtrack. Gerade für die erste Runde ist es gut, dass das Oval aus drei Spuren besteht und damit sehr breit ist. So fällt es leicht, sich an die schlechte Übersichtlichkeit zu gewöhnen – und an die direkte Lenkung. Wie heute üblich, besteht das Lenkrad nur aus zwei Haltegriffen. Umgreifen ist nicht vorgesehen, der Lenkeinschlag stark limitiert.

Kein ABS, kein ESP

Fahrhilfen gibt es nicht, auch kein Renn-ABS. Also auf der ersten Runde zunächst die Kohlefaser-Bremsanlage zumindest halbwegs aus ihrer Kältestarre wecken. Dabei will das linke Pedal zwar stark, aber nicht zu heftig getreten werden. Stark, weil die Anlage keinen Bremskraftverstärker hat. Nicht zu heftig, weil sonst die kalten Slicks stehen bleiben. Leichtes Rumpeln kündet davon, dass ein unbeherrschter Bremsversuch in der Vergangenheit bereits ein leichtes Plateau in die Gummis gerubbelt hat.

Die Bremse ist warm (genug). Vollgas. Oder richtigerweise Vollstrom. Ansatzlos reißt es den Rennwagen nach vorn, während das Sirren lauter wird. Der Schub ist nicht halb so brutal, wie man es vermutet hätte. Aber dafür sehr, sehr nachhaltig. Die Leistung lässt selbst Richtung Tempo 200 nicht spürbar nach. Und 200 sind wirklich erstaunlich schnell erreicht. Bremsen, progressiv. Also weich anfangen, dann sukzessive nachlegen. Und ebenso weich aber bestimmt einlenken. Denn, wie bereits erwähnt, der Lenkwinkel ist begrenzt, die Kurve aber eng. Am besten, man fährt sie von außen an, und zieht nachdrücklich nach innen.

Kein Wanken, kein Schwanken

Ohne zu wanken und deutlich leichtfüßiger als die große Karosserie vermuten lässt, umrundet der e-tron die Spitzkehre. Und man erhält zumindest eine Ahnung, wie das Ganze flutschen könnte, wenn man mehr als zweieinhalb Runden fahren und sich mit dem Boliden anfreunden könnte. So, wie die beiden offiziellen e-tron-Chauffeure, die ehemalige DTM-Pilotin Rahel Frey aus der Schweiz oder Le-Mans-Sieger Dindo Capello aus Italien. Sie werden den Zweisitzer im Rahmen der Taxifahrten wohl eher an die Grenzen zu bringen. Gelegenheiten dazu wird es genug geben: Der e-tron Vision Gran Turismo kommt 2018 bei allen europäischen Formel-E-Rennen und bei zahlreichen weiteren Veranstaltungen zum Einsatz.