Audi E-Tron GT Quattro / RS E-Tron GT
Der Taycan von Audi hat mehr Reichweite

Ein Audi mit Porsche-Technik ist bedauerliches Badge-Engineering? Der E-Tron GT ist ein gutes Gegenbeispiel: Eigenständig, markentypisch, ohne Verwechslungsgefahr – und sehr attraktiv.

Audi E-Tron GT quattro RS E-Tron GT
Foto: Audi

Im Volkswagen-Konzern ist gleiche Technik bei unterschiedlichen Marken Gang und Gäbe. Dass 80 Prozent aller von Volkswagen weltweit gebauten Pkw den Modularen Querbaukasten (MQB) als technische Basis nutzen, macht den Konzern erst profitabel.

In den oberen Fahrzeugklassen ist der technische Individualismus ausgeprägter. Zwar stehen Audi Q7/Q8, Bentley Bentayga, Lamborghini Urus und Porsche Cayenne mehr oder weniger auf der gleichen Plattform und der Porsche Macan nutzt den Unterbau des Audi Q5. Aber ein Porsche Panamera und ein Audi RS7 haben so wenig miteinander zu tun, wie ein Lamborghini Huracan mit dem Porsche 911 oder ein Boxster mit dem TT.

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Beim elektrischen Audi RS7 ist das anders – im Sinne der Synergien besser: Auf der J1-Plafform des Porsche Taycan baut Audi den E-Tron GT – Antrieb, Fahrwerkshardware, Bodengruppe mit 93-kWh-Batterie (85 kWh netto) einschließlich Aussparungen namens Fußgaragen – alles vom Porsche.

Audi E-Tron GT quattro RS E-Tron GT
Audi
Die Aussparungen in der Batterie schaffen schon im Taycan Platz für die Füße der Passagiere,

Audi freut sich über die Porsche-Technik

Audi-Chefdesigner Marc Lichte bedankt sich von Herzen: "Ohne diese großartige Plattform hätten wir kein so tolles Auto machen können. Die Proportionen sind fantastisch" – und gleichen dem Porsche aufs Haar. Länge 4,99 Meter (2,7 Zentimeter mehr als beim Porsche), Breite 1,96 Meter, Höhe nur 1,41 Meter (2,9 Zentimeter höher als der Taycan). Laut Lichte sind die Proportionen das Wichtigste bei der Gestaltung der Außenhaut. Bei denen ist aber dann Schluss mit den Gemeinsamkeiten zum Taycan. Nur die Frontscheibe teilt sich der Audi mit dem Porsche – das können selbst Experten nach eingehender Prüfung nicht mit Sicherheit bestätigen. Dass der ganze Rest nach Audi aussieht schon.

Die markentypischen Scheinwerfer fassen einen invertierten Single-Frame-Grill ein und sitzen nicht im Ende von ausgeformten Radhäusern. Die Haube dazwischen ist leicht konkav nach innen gewölbt statt konvex wie beim Powerdome eines Verbrenners, sie fällt aber nicht so ab, wie beim Taycan. Die Seitenlinie betont die Batterie durch eine keilförmig ausgeformten Schwellerbereich und die hinteren Radhäuser sind deutlich extremer, fast schon obszön muskulös ausgeformt. Am Heck macht das nach außen breiter werdende Leuchtband mit senkrechten LED-Elementen klar, dass hier ein Audi fährt.

Audi E-Tron GT quattro RS E-Tron GT
Audi
Die dicken Backen am Heck des RS E-Tron GT erinnern an den RS6.

Zwei Modelle: Audi E-Tron GT quattro und RS E-Tron GT

Die extrem dicken Backen hinten erinnern mehr noch an den RS6 als an den RS7 mit ähnlich flach abfallenden Heck. Prompt stellt Audi mit dem E-Tron GT auch das erste elektrische RS-Modell vor: Der RS E-Tron GT fungiert als Top-Modell. Mit 598 PS (646 PS Peakleistung) und 830 Nm maximalem Drehmoment sortiert er sich brav unter dem Taycan Turbo (625/680 PS, 850 Nm) ein. Eine Entsprechung zum Taycan Turbo S ist mit der Bezeichnung RS eigentlich ausgeschlossen. Der RS E-Tron kostet 138.200 Euro (Taycan Turbo: 153.016 Euro) und rechtfertigt seinen höheren Preis gegenüber dem Einstiegsmodell Audi E-Tron GT Quattro mit besserer Serienausstattung die unter anderem bereits Luftfederfahrwerk, Hinterachslenkung, vollvariable Hinterachs-Quersperre, Karbondach und Karbidbremse (spezielle, nichtrostende Beschichtung der Scheiben).

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Die Bremsscheiben des RS E-Tron GT sind serienmäßig mit Karbid beschichtet.

Der E-Tron GT Quattro hat natürlich auch weniger Leistung: 476 PS (530 PS Peakleistung) und 630 Nm (640 Nm im Peak) lassen ihn in 4,1 statt in 3,3 Sekunden (RS) auf 100 km/h beschleunigen, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 245 statt bei 250 km/h abgeregelt. Dafür unterbietet er mit 99.800 Euro knapp die sechsstellige Preismarke und den des 14 bzw. 41 PS (Peak) stärkeren Taycan 4S (mit gleicher Batterie und Wärmepumpe: 112.782,10 Euro). Eine Wärmepumpe ist Serie im E-Tron GT Quattro Serie und nicht nur deshalb schafft er mehr Reichweite: Audi prognostiziert nach WLTP durchschnittlich 488 Kilometer, beim RS sollen es 472 Kilometer sein.

Effizienz, Aerodynamik und Reichweite

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Auf die Aerodynamik verwandte Audi viel Mühe.

Der Porsche Taycan 4S mit Wärmepumpe (plus 773,50 Euro) schafft nach WLTP maximal 464 Kilometer. Das überrascht mit Blick auf den für die Reichweite entscheidenden Luftwiderstand. Da die Stirnfläche sich kaum unterscheiden dürfte, müsste der cW-Wert den größten Einfluss haben. Den gibt Audi mit 0,24 an, Porsche mit 0,22, für alle Modelle, außer den Turbo S (0,25), allerdings im Range-Modus im Tiefniveau und geschlossenen Kühlluftklappen. Ein paar Unwägbarkeiten sind da also noch drin, aber bei der Windschlüpfigkeit kann Audi zumindest keinen schlechteren Job gemacht haben als Porsche. Das könnte zum Charakter der Autos passen: Der Porsche gibt eher den viertürigen Sportwagen, der Audi ist mehr reisegleitender Gran Turismo, was man auch beim Fahren spüren soll. So hat Audi nach eigener Aussage viel Wert auf Komfort gelegt. Beim Fahren testen lässt sich das erst im März, beim Händler steht der E-Tron GT im Mai 2021. Da lässt sich dann auch testen, wie sich der Sound des Audi von dem des Porsche unterscheidet.

Innen sind nur die Platzverhältnisse wie beim Porsche

Differenzierung ist auch innen viel zu beobachten: Im Audi ist Armaturenträger dreidimensional mit etlichen Tiefen gestaltet, wirkt weniger flächig als im Porsche, selbst die Türinnverkleidungen sind unterhalb der Fensterbrüstungen, die nach vorne aufeinander zulaufen und effektvoll die Linien der Haube aufnehmen, eingezogen. Auch innen gibt es laut Marc Lichte gerade mal ein Gleichteil mit dem Taycan: die Verkleidung der B-Säule. Das dürfte angesichts der profanen Funktion noch weniger auffallen als bei der Frontscheibe.

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Es gibt das Interieur des E-Tron GT auch lederfrei.

Ins Auge stechen dürfte lederfreie Designpaket. Dabei sind die Sitze entweder in einer Kombination aus Kunstleder und dem Stoff Kaskade oder einem Mix aus Kunstleder mit dem Microfasermaterial Dinamica bezogen. In beiden Fällen kommen recycelte Materialien zum Einsatz – etwa Polyesterfasern, die aus alten Plastikflaschen hergestellt worden sind, Textilien oder Faserreste aus Webkanten. Das Material Dinamica hat laut Audi Ähnlichkeit mit Alcantara, der Stoff Kaskade, dessen Nahtgrafik sich am Look des Singleframe orientiert, erinnert an Naturfasern wie Wolle.

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Der Knieraum im Fond ist ausreichend.

Keine spürbaren Unterschiede zum Taycan gibt es erwartungsgemäß beim Platzangebot: Dank 2,9 Meter Radstand ist der Knieraum im Fond üppig, auch wenn vorne große Personen vorne Platz nehmen. Auf den Kopf achten müssen auch die vor allem beim Einsteigen. Mit dem Dachhimmel in Berührung kommen Fondpassagiere je nach Statur so ab 1,90 Meter Körpergröße. Beim Kofferraum hinten gibt Audi mit 405 Liter fast 40 Liter mehr an als Porsche, vorn 85 Liter (Porsche: 81 Liter).

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Der "Frunk" fasst 85 Liter - auf jeden Fall jede Menge Ladekabel.

Assistenzsysteme in Hülle und Fülle

Die beiden Audi E-Tron GT Modelle haben Frontkollissionswarnung und Spurverlassensassistent serienmäßig und bieten gegen Aufpreis zahlreiche weitere Systeme nach Paketen zusammengefasst. Unter anderem zu haben sind adaptiver Fahrassistent, prädiktiver Effizienzassistent, (Remote-)Parkassistent und Umgebungskameras. Separat zur Wahl steht außerdem der Nachtsichtassistent zur Verfügung.

Umfrage
Dass der Audi E-Tron GT die Technik vom Porsche Taycan hat, finde ich ...
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... unproblematisch und ziemlich clever... der Marke Audi nicht würdig - wo bleibt der Vorsprung durch Technik, wenn das Flaggschiff geklaut ist?

Fazit

Unabhängig davon, wie groß der Markt für viertürige Elektro-Coupés zu sechsstelligen Preisen ist: Porsche Taycan und Audi E-Tron dürften sich kaum in die Quere kommen. Denn selbst wenn die Unterschiede beim Fahren nicht so groß sind, wie versprochen, beim Design sind sie auffällig. Wer dafür kein Auge hat, dem bleiben immer noch Markenlogo, Preis sowie Image als Differenzierung. Und obwohl der Antrieb bei beiden elektrisch sowie nahezu gleich ist, klingen die beiden Autos sogar anders.

Technische Daten
Audi E-Tron GT Quattro Audi RS E-Tron GT Quattro RS
Grundpreis106.000 €145.500 €
Außenmaße4989 x 1964 x 1413 mm4989 x 1964 x 1414 mm
Kofferraumvolumen490 l435 l
Höchstgeschwindigkeit245 km/h250 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten