Fahrbericht Audi Q7 (2019)
Zum Facelift ein bisschen E-Tron und Q8

Audi hat den Q7 überarbeitet: Der große SUV kann dank 48-Volt-Netz rekuperieren wie ein E-Auto und in allen Varianten sein Wanken stabilisieren. Wie sich das fährt.

Es soll ja Menschen geben, die große SUV nicht nur gut finden, sondern auch brauchen. Um bis zu sieben Personen zu transportieren und zusätzlich, sagen wir, ein Boot zu ziehen. Audi brachte das 352.000 Kunden, die einen Q7 der zweiten Generation wollten. Das Halbzeit-Ergebnis lässt vermuten, dass Generation II erfolgreicher wird als die erste, für die sich insgesamt 551.000 Käufer erwärmen konnten.

Trotzdem hat sich Audi bei der Modellpflege nicht lumpen lassen: Die zuweilen als harmlos bis uninspiriert kritisierte Front wirkt dank eines schnittigeren Single-Frames mit senkrechten Streben deutlich repräsentativer, Leuchten im Q8-Stil mit Laserlichtoption (2.400 Euro) lassen sie sportlicher, fast aggressiv aussehen, die prominent neben den vier Ringen platzierten Radarsensoren deuten schon an, dass die Überarbeitung auch mehr Assistenzsysteme gebracht hat. Neue Schweller gliedern die großen Blechflächen der Seite gefälliger, am Heck betonen schmalere Leuchten sowie eine Chromspange die Breite, darunter macht die Klappe ohne Falze oder Vertiefungen einen aufgeräumten Eindruck.

Unsere Highlights

Zwiespältige Touch-Screen-Bedienung

Im gewohnt hochwertig gemachten und schick aufgeräumten Interieur erwartet den Fahrer eine Bedienlandschaft wie im Q8: Zwei Touchscreens auf der Mittelkonsole, der obere für Infotainment und Fahrzeugeinstellungen, der untere für die Klimatisierung und die Sitze, deren Lehnen-, Längs- und Höhenverstellung sich allerdings weiterhin per Schalter seitlich an der Sitzfläche verstellen lässt. Lehnenweite, Schenkelunterstützung und Massagefunktion finden sich hingegen in den Menüs. Um die aufzurufen, drückt man auf die Sitzsymbole im untersten Touchscreen, um dann per Wischbewegung auf dem oberen Touchscreen die Untermenüs zu erreichen, wo dann wiederum mit Pfeilsymbolen die entsprechende Verstellung betätigt wird. Klingt kompliziert? Ist es auch.

Audi Q7 2019 Facelift
Audi / Marcus Werner
Fahren im Q7 klappt einfacher als die Massagesitze zu deaktivieren.

Gemessen daran gelingt die Bedienung erstaunlich intuitiv, was auffällt, wenn man ins Auto einsteigt, und erst nach dem Losfahren merkt, dass die Massagefunktion a) aktiviert ist und man das b) nicht möchte. Die Erfahrung zeigt aber auch: Ablenkungsfrei ist das nicht. Außerdem ist das haptische Feedback der Touchdisplays gewöhnungsbedürftig bzw. ersetzt eine optische Kontrolle nicht auf Anhieb. Für den Lichtschalter beispielsweise wäre ein herkömmlicher Schalter bediensicherer. Auch sonst hat die Touch-Bedienung so ihre Nachteile: Vergrößern der Navi-Karte mit der inzwischen klassischen Fingerspreizbewegung auf dem Display erfordert auf holprigen Straßen selbst als Beifahrer Konzentration und wer die Sprachsteuerung meidet, dürfte sich vermutlich bereits nach kurzer Zeit an den vielen Fingerabdrücken auf den schicken Displays stören.

Sehr einfach lassen sich die Informationen auf dem brillanten Head-up-Display (1.400 Euro) erfassen, was für die digitalen Instrumente (Virtual Cockpit) nur bedingt zutrifft – auch weil hier sehr viele Informationen zu erfassen sind und deren Priorität sich grafisch nicht immer gleich erschließt.

Fahren ist kinderleicht

Einfach ist hingegen das Fahren selbst. Bremse treten, Startknopf drücken, Taste am Wählhebel drücken und den nach hinten ziehen, um „D“ einzulegen, Bremse lösen und los geht’s. Trotz fast zwei Meter Breite und gut fünf Meter Länge ist der Q7 dank hoher Sitzposition und schlichtem Karosserielayout gut zu überblicken sowie erstaunlich einfach über engere Straßen zu steuern. Trotzdem hilfreich sind die Parksensoren und die Kameras mit Überblicksfunktion (1.150 Euro), wenn es ums Einparken geht. Weniger praktisch: Das System mit Umgebungskameras gibt es nicht in Verbindung mit der Anhängekupplung – dabei könnte man es doch zum Anhängen besonders gut brauchen.

Die beiden V6-Motoren (3,0-Liter-Diesel und -Benziner), die für erste Probefahrten zur Verfügung standen, sind kräftige Burschen. Sie lassen sich erstaunlich wenig unterscheiden. Weder die gefühlten Fahrleistungen noch das gut gedämmte Geräusch geben deutliche Hinweise, welchem Verbrennungsprinzip der Antrieb folgt. Gut, der Diesel schiebt mit mächtigem Drehmoment eher von unten, während der Benziner vor allem bei höheren Drehzahlen feuriger zu Werke geht. Beiden gemein ist allerdings ein leicht verzögertes Ansprechverhalten. Es wirkt, als müssten Lastanforderungen jetzt erst von einem WLTP-Komitee geprüft werden, ehe sie umgesetzt werden können. Selbst wer mit der linken Lenkradwippe niedrigere Gänge für höhere Drehzahlen in Eingriff bringt, kann die Verzögerung spüren.

Geschmeidiges Start-Stopp dank 48 Volt

Davon abgesehen bringen beide Sechszylinder den Q7 gut voran und gehen vertretbar mit dem Sprit um – mit klaren Vorteilen für den Diesel. Ein 48-Volt-Bordnetz mit Lithium-Ionen-Akku im Heck, Riemenstarter und entsprechend geschmeidigem Start-Stopp gibt es jetzt auch für die V6-Motoren. Bis zu 8 kW kann das System rekuperieren, also Bewegungsenergie als elektrische wieder in die Batterie zurückspeisen. Das geschieht, wenn der Fahrer im Geschwindigkeitsbereich zwischen 55 und 160 km/h vom Gas geht. Der Q7 rollt dann im Leerlauf bzw. segelt bis zu 40 Sekunden lang mit deaktiviertem Motor. Beim Gasgeben startet der Riemenstarter-Generator den Motor wieder – im Fahrbetrieb macht er das so geschickt, dass man es kaum spürt. Der Start-Stopp-Betrieb beginnt bereits bei 22 km/h. In der Praxis kann das System, so Audi, den Verbrauch um bis zu 0,7 Liter pro 100 Kilometer senken.

Das 48-Volt-System ermöglicht außerdem den Einsatz der sehr empfehlenswerten Wankstabilisierung (in Verbindung mit der Allradlenkung: 4350 Euro Aufpreis). Sie macht aus dem Q7 ein Auto, das Kurven trotz seiner Abmessungen überraschend routiniert abwickelt, eben ohne spürbare Seitenneigung. Das tut auch dem Komfort gut. Genauso wie die verbindliche Luftfederung für 2050 Euro Aufpreis. Sie ist für den Siebensitzer (1.500 Euro) verpflichtend und erlaubt eine Erhöhung der Bodenfreiheit für den Offroadeinsatz (+25 Millimeter) oder ein Anheben um 60 Millimeter und senkt die Karosse bei höherem Tempo (> 160 km/h) um 30 Millimeter ab.

Lieber kein Sportfahrwerk

Audi Q7 2019 Facelift
Audi / Marcus Werner
Mit Wankstabilisierung ist der Q7 sportlich und komofortabel unterwegs.

Der Komfort verschlechtert sich spürbar, wenn sich der Kunde für das Sportvariante der Luftfederung (2.300 Euro) entscheidet, die die Karosse 15 Millimeter tiefer legt. Der Q7 fährt sich damit sicher knackiger, aber der Federungskomfort leidet und selbst auf kleineren Unebenheiten verfällt das Fahrwerk in ein unangenehmes, hochfrequentes Hoppeln. Spürbare Abstriche beim Komfort bringen auch optionale größer Felgen (bis 22 Zoll) und Reifen mit entsprechend flacheren Schultern. Alles über 20 Zoll ist nach den ersten Eindrücken nicht empfehlenswert.

Hilfreicher dürfte die ebenfalls optionale Allradlenkung sein, die mit Einschlagwinkeln von bis zu 5 Grad den Wendekreis reduziert und bei niedrigerem Tempo miteinlenkt. Sie macht den Q7 behänder, was auf den kleinwinkligen Teststrecken in Irland durchaus spürbar war. Bei hohem Tempo zeigen die Hinterräder dann in die gleiche Richtung wie die Vorderräder, um das Fahrverhalten zu stabilisieren.

Wermutstropfen am Fahrwerk: Die Schmankerl kosten extra – und das nicht zu knapp: Für Luftfederung, Allradlenkung und Wankstabilisierung werden 6.400 Euro extra fällig. Selbst die für den SUV naheliegende Luftfederung ist genauso wenig Serie wie die dritte Sitzreihe. Das ist ein bisschen wie bei der irischen Fluglinie Ryanair: Du kaufst den Flug und zahlst danach extra fürs Gepäck, menschenwürdige Beinfreiheit, zeitnahes Einsteigen, Wasser, Kaffee. Da passt dann der Austragungsort der Fahrveranstaltung: Auf den engen Straßen des Ring of Kerry in Irland sind die meisten Zusatzoptionen fast unabdingbar.

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Fazit

Der Q7 wirkt dank neuer Optik sportlicher und erheblich präsenter, ist aber auch nach der Überarbeitung ein komfortabler und geräumiger SUV. Die Wankstabilisierung jetzt auch für die V6-Motoren anzubieten, ist eine gute Idee: Mit ihr und der Allradlenkung wirkt der Q7 beim Fahren agiler und kleiner, als die Abmessungen vermuten lassen würden.

Weniger erfreulich ist, dass die Fahrwerks-Tricks extra kosten und die WLTP-konforme Abgasreinigung den Motoren offenbar eine gewisse Anfahrschwäche beschert hat, an der auch die gelungene Mild-Hybridisierung nichts zu ändern vermag. Die Bedienung im aufgeräumten und hochwertig wirkenden Interieur könnte zudem einfacher sein.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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