Audi R8 Spyder im Fahrbericht
Unterwegs im offenen Audi-Supersportler

Allradantrieb, Aluminium-Karosserie, V10-Mittelmotor: Für den Supersportler R8 kamen nur die besten Zutaten in Frage. Drei Jahre nach dem Start des Coupés serviert ihn Audi jetzt als Spyder mit viel Sonne und Wind.

Audi R8 Spyder
Foto: Audi

So fühlt es sich also an, wenn Lebensgeister zurückkehren – nach endlosen Wochen salzkrustiger Windschutzscheiben und ganztägigem Licht-an. Und wie schnell das geht: Binnen 19 Sekunden krempeln Hydraulikpumpen im Audi R8-Boden das gefütterte Verdeck auf und sorgen für dieses Kribbeln im Gesicht, wenn Sonnenstrahlen bündelweise auf die Haut prasseln. Also zurücklehnen und mit zwei Fingern am Lenkrad gemütlich die Cote d’Azur entlang, um Brandungsrauschen, Meeresduft und Pastelltöne einzusaugen? Nichts da.

Der V10 wird unter freiem Himmel intensiver wahrgenommen

Schließlich hat der Audi R8 Spyder seine eigenen Naturgewalten zu bieten. Gleich beim Anlassen braut sich hinter den Passagieren ein zehnzylindriger Sturm zusammen, der unter freiem Himmel deutlich intensiver wahrgenommen wird als im Audi R8 Coupé - vor allem, wenn die unterdruckgesteuerten Soundklappen im Auspuff je nach Drehzahl und Last Donnergrollen dazumischen. Deshalb mit dem kurzen Alu-Hebel der offenen Schaltkulisse Gang eins einklacken und in der Stadt erst mal schön niedertourig losfahren. Bei gemäßigtem Tempo verschont der Spyder seinen Fahrer mit lästigem Testosteron-Gehabe. Wie ein zu groß geratener Audi TT lässt er sich kraftarm dirigieren, nimmt schon bei turbo-dieseligen 1.500/min willig Gas an und federt im Normalmodus seiner adaptiven Dämpfer für einen Supersportler erstaunlich nachsichtig über Gullideckel.

Auch als Spyder ist der R8 die alltagstaugliche Alternative zum Gallardo

Wer sich für das sequenzielle Getriebe entscheidet (7.400 Euro), kann sich sogar automatisch den passenden Gang servieren lassen. Auch als Spyder will der R8 also die alltagstaugliche Alternative zum Brutalo-Bruder Lamborghini Gallardo sein, mit dem er sich das Gros der Technik teilt. Lullt dann noch das serienmäßige Bang & Olufsen-Soundsystem ein, gerät das Kraftwerk im Kreuz leicht in Vergessenheit. Doch es weiß auf sich aufmerksam zu machen: Wer bei Erreichen des Ortsausgangs Vollgas gibt, ist gut beraten, das unten abgeflachte Lenkrad beidhändig festzuhalten. Da keine Turbos vorgespannt werden müssen, fällt der Direkteinspritzer ansatzlos über alle vier Räder her. Sind Sauger unten herum nicht schlapp? Nicht, wenn sie 5,2 Liter Hubraum haben und schon ab 1.000/min 400 Nm abwerfen, um dann zwischen 4.000 und 8.000/min ihren zweiten Wind zu entfachen.

Verdeckmimik sowie Versteifungen sorgen für 100 kg Mehrgewicht

Apropos Wind: Da die steil stehende Heckscheibe nicht am Verdeck hängt, darf sie sich beim Offenfahren als Windschott nützlich machen und die Verwirbelungen vom Innenraum fernhalten. Kein ganz neuer Trick, doch er funktioniert bis Landstraßentempo bestens. Umgekehrt lässt sich die beheizbare Scheibe auch bei geschlossenem Stoffdach versenken. Dass es beim Normsprint nicht ganz zur prestigeträchtigen Drei vor dem Komma reicht, lässt sich verschmerzen. Verdeckmimik sowie zusätzliche Versteifungen gegenüber dem Coupé kosten mit ihren 100 Kilo Mehrgewicht die entscheidenden zwei Zehntel. Sein Beschleunigungsvermögen auf bis zu 313 km/h sorgt in jedem Fall dafür, dass Insassen das Lachen vergeht. Und wem das Lachen vergeht, der hat vorher zumindest gelächelt.

Der R8 Spyder begeistert mit spontanem Einlenken

Etwa darüber, dass der offene Audi dank modelltypischem Alu-Chassis nicht mehr wiegt als die zweiradgetriebene V8-Konkurrenz vom Schlage eines Aston Martin V8 Roadster oder Ferrari California. Oder dass ihn der variable Allradantrieb mit hecklastiger Auslegung samt traktionssteigerndem Sperrdifferenzial aus engen Kehren springen lässt wie Simon Ammann vom Schanzentisch. Alu-Rahmen sorgen jedoch nicht nur für weniger Gewicht, sondern auch für hohe Steifigkeit – Rennradfahrer kennen das. Verdeckkasten und Motorrahmen stellen sich als tragende Teile ebenfalls möglichen Verwindungen entgegen. Beste Voraussetzungen also für die doppelten Dreieckslenker rundum, die Räder besonders präzise zu führen.

Tatsächlich begeistert der Spyder mit spontanem Einlenken sowie viel Rückmeldung in der Lenkung, gibt schon auf den engen Küstenstraßen einen ersten Eindruck von seinen möglichen Kurvengeschwindigkeiten. Die Trockensumpfschmierung sorgt schließlich für ausreichend Öl bis zu Querbeschleunigungen von 2 g und ermöglicht nebenbei, dass der ölwannenlose Zehnzylinder schwerpunktsenkend tief eingebaut werden kann. Trotz vergleichsweise geringem Karosseriezittern schummeln sich auf schlechten Pisten allerdings leichte Stöße bis in die Lenkung vor.

Auch der Innenraum überzeugt

Insgesamt gelingt dem Audi R8 Spyder gekonnt der Spagat aus mediterraner Mittelmotor-Exotik und teutonischer Perfektion bis ins Detail. So sorgen etwa gleich drei in jedes Gurtband eingearbeitete Mikrofone für brauchbare Telefonqualität selbst bei offenem Verdeck. Auch der übrige Innenraum entspricht mit üppig bemessenen, über einen weiten Bereich verstellbaren Sitzen, oberklassigen Materialien und präzise rastenden Alu-Reglern dem, was man von Autos jenseits der 150.000 Euro erwartet – gerade bei Supersportlern jedoch oft vergeblich. Bleibt also nur noch zu hoffen, dass die Sonne bis zu seiner Händlerpremiere am 26. März schon mal fleißig Kraft sammelt.


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Technische Daten
Audi R8 Spyder 5.2 FSI Quattro
Grundpreis165.900 €
Außenmaße4440 x 1904 x 1244 mm
Kofferraumvolumen100 l
Hubraum / Motor5204 cm³ / 10-Zylinder
Leistung386 kW / 525 PS bei 8000 U/min
Höchstgeschwindigkeit313 km/h
Verbrauch14,9 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten