Citroën 2CV & ë-Berlingo Fourgonnette
Die Rückkehr der Wellblech-Ente

Citroën verdreht die Geschichte vom hässlichen Entlein: Bei Karosseriebauer Caselani verwandelt sich der ë-Berlingo in einen hübschen Wellblech-Schwan mit dem Look des Citroën 2CV Fourgonnette und so zu einem exklusiven, weil limitiertem Vergnügen. Also dann watscheln wir los.

Vieles war im heute so gern verklärten Früher bestimmt besser. Doch harte Arbeit? Die fiel wohl noch nie leicht. Zumal schon damals allerhand Waren vom viel zitierten A ins oft weit entfernte B transportieren werden mussten. Wie sich das heute anfühlt?

Das erfahren wir heute gemeinsam. Also nehmen Sie Platz auf dem Beifahrersitz des 2CV-Kastenwagens, was Fourgonnette frei übersetzt heißt und wie der französische Volksmund noch heute aktuelle Berlingos ruft. Anschnallen erübrigt sich natürlich in einem von 1951 bis 1978 produziertem Oldtimer. Dafür saßen Sie wohl selten so bequem auf einem lederbespannten Campingstuhlgestänge.

Unsere Highlights

Kaum Leistung, wenig Gewicht

Lehnen Sie sich also ruhig entspannt zurück und drehen Sie mal das Retro-Kofferradio an. Okay, das sorgt zwar für Musik, doch versteht man die kaum, denn das kleine 600 Kubik-Ententriebwerk legt sich gerade mächtig ins Zeug, um die nächste kaum sichtbare, aber dennoch vorhandene Steigerung zu erklimmen. Ursprünglich war der Zweizylinder-Alu-Boxer mal 9 PS schwach, verdreifachte seine Leistung mit den Baujahren. Dieses 68er-Modell beschleunigten so einst 18, nach der Restauration sogar 24 Pferde. Wobei hier keine Ackergäule oder Rennpferde lostraben, denn selbst die stärksten Erpel knacken kaum die hunderter Marke.

Der zieht schneller als ein Schatten

Ein beherzter Zug an der Revolver-Schaltung und diese rutscht zurück aus der höchsten "S"-Stellung – dabei steht das "S" bestimmt nicht für schnell – in den dritten Gang. Und siehe da, schon bremsen wir den Verkehr hinter uns etwas weniger stark. Bösen Blicke lassen sich durch die Doppeltürfenster im Heck ohnehin nicht ausmachen. Viel mehr gedulden sich die Hinterherfahrenden gern, denn allzu oft sieht man hierzulande so ein perfekt erhaltenes Exemplar nicht, obwohl einst fast 1,25 Millionen Exemplare des 2CV-Fourgonnette entstanden.

Die Legende vom Eierkorb darf nicht fehlen

Ja, der erste frontgetriebene Transporter seiner Zeit war eben ein günstiges Arbeitstier, das der Überlieferung nach einen Korb gefüllt mit Eiern bruchfrei über ein Feld schaukeln sollte. Heute rutschten im Heck die Wein- und Baguettekisten auf der holzvertäfelten Ladefläche munter hin und her, während Geschwindigkeitsmesser und Tankanzeige im Takt der Kurven schwanken. Apropos: Halten Sie sich besser gut fest – nicht, dass es hier einen Griff dafür gäbe. Enten-typisch stemmt sich die Fuhre nicht den Kurvenfliehkräften entgegen, viel mehr wankt die 2CV wie ein Fischkutter in schwerem Seegang. Doch darin liegt vielleicht der Reiz, wie ich sehe, oder grinsen sie immer so viel? Ja, bei so viel Zuneigung kommen wir uns schnell näher. Für mehr Ellenbogenfreiheit klappen Sie aber nicht gleich die Türen auf, sondern bitte nur die Scheiben hoch.

Das geht ihnen alles etwas schnell mit uns? Okay, dann nehmen wir einen Gang raus und biegen am nächsten Kreisverkehr in die Altstadt des beschaulichen Dreieichs ab, anstatt unsere Ware im Industriegebiet auszuliefern. Also schnell Einlenken, was ein leichtgängiges und gleichzeitig raumgreifendes Manöver ist, selbst ohne Servounterstützung am fingerdicken Lenkrad auf meinem Schoß. Auf dem Kopfsteinpflaster zeigt der Kastenwagen mit seinen liegenden Schraubenfedern abermals, wofür französischer Federungskomfort einst stand. Dazu schwingt er auf langen Wellen mit weichen Wogen, auch dann noch, wenn diese schon ein paar (Kilo-)Meter zurückliegen.

Ruhig ist es im ë-Berlingo

Ja, da spüren Sie die Leichtigkeit von gerade mal einer Halbtonne Automobil. Und wäre der alte 2CV noch ein Stück kompakter geraten, er würde tatsächlich ins Heck des aktuellen Berlingo passen und dabei kaum dessen 800 kg-Nutzlast ausreizen. Also dann lassen Sie uns in die elektrisierte Familienvariante umsteigen. Der Zeitsprung könnte größer kaum sein, meinen Sie? Wie recht Sie haben. Leider ist der Retro-Charm im Inneren des Wellblech-Berlingo schnell verflogen, denn hier zeigt er sich nahezu unverändert. Lediglich die güldene Casaliani-Plakette verweist auf die limitierte Edition von gerade einmal 200 Exemplaren.

Schauen Sie also lieber mal über das ausklappende Head-up-Display auf die geriffelte Motorhaube und damit auf den komplett erneuerten Vorderwagen. Ja, von der vanartig-komfortablen Sitzposition wirkt der neue Berlingo im Vergleich wie ein Dampfer, der nun langsam und geräuschlos ablegt. Kein Verbrenner, der den Hochdachkombi durchschüttelt oder Holzkisten, die haltlos im Heck umherrutschen. Zudem bleibt die zweite Sitzreihe in all ihrer Variabilität erhalten, während die Hutablage das Heck gern in mehreren Ebenen zum Weinlager umgestaltet. Doch Achtung, merken Sie sich gut, in welcher der unzähligen Ablagen Sie ihr Hab und Gut oder gar die Ladekabelage verstecken, denn im Berlingo verschwinden Schlüssel, Sonnenbrillen und -hüte schneller als Socken in der Waschmaschine.

Was eint neuen und alten 2CV Fourgonnette?

Was den Alten und Neuen trotz Altersdiskrepanz eint, ist die Entspanntheit der Fortbewegung. Statt wie andere überpowerte E-Autos loszujagen, stromert der Berlingo mit 100 kW eher gemächlich. Ja, er schwimmt zügig im Verkehr bis höchstens Tempo 135 mit und wankt zwar gekonnter, aber ebenso ungern durch Kurviges. Vorankommen im Eco-Modus schont die allenfalls theoretisch möglichen 280 km WLTP-Reichweite. Nicht die Welt? Dabei verdreht der Franzose selbst Tesla-Jüngern an der nächsten Ladesäule den Kopf, denen Elons Innovationsgeist plötzlich gar nicht mehr so wichtig erscheint, während sich der ë-Berlingo gemächlich mit bis zu 100 kW elektrischen Saft reinzieht.

Kein Wellblech, sondern GFK

Ja, es ist tatsächlich die Hülle, die begeistert und nicht nur was drinnen steckt. Anders als die meisten vom Windkanal gezeichneten Stromer verkörpert dieser Elektro-Transporter den Charme der Vergangenheit. Und das kommt nicht von ungefähr, denn der detailverliebte Umbau in der Karosserie-Schmiede Caselani ist aufwendig. Dort in der Nähe von Mailand stellen ein – sagen wir frankophiler Italiener, der mit einer Ente bereits die Sahara durchquerte, und ein ebenso Auto-verrückter deutscher Industrie-Designer – diesem Retro-Transporter auf die Räder. Dazu strippen sie den Vorderwagen und modellieren mit Blech- und GFK-Teilen dem Berlingo die Gesichtszüge der alten 2CV. Wobei der Stellantis-Konzern gern mithilft und die Lampen vom alten Jeep Wrangler spendiert. Ab der A-Säule klebt und schraubt einer von nur 25 Mitarbeitern die GFK-Paneele auf das alte Blech. Die Glasfasermatten entstehen vorher ebenfalls in Handarbeit.

Unikate fast zum doppelten Preis

Klar, dass so viel Aufwand seinen Preis hat: Das Karosserie-Kit kostet rund 20.000 Euro. Puh, eine Menge Holz, meinen Sie? Nun, Geld sparen geht auch, denn das Retro-Blechkleid passt auch der nutzwertorientierte Handwerkervariante mit Verbrennungsmotor sowie der XL-Karosserie. Zudem können Sie auch ihren bereits vorhandenen Berlingo zu Caselani nach San Salvatore di Sospiro bringen. Und sollten Sie doch leer ausgehen, können wir Ihnen den geräumigeren Typ H auf Citroën Jumper Basis empfehlen, der seit mehreren Jahren weggeht wie warmes Baguette.

Umfrage
Klassische Zeiger-Instrumente oder Bildschirm - was bevorzugen Sie?
1316 Mal abgestimmt
Ich mag Bildschirme - die zeigen viel mehr an und die Grafik ist auch noch variabel.Ich mag die alten klaren Zeigerinstrumente - da gibt es keine Ablenkung.

Fazit

Die Hülle des Citroën 2CV Berlingo Fourgonnette begeistert. Caselani verwandeln den sonst eher eigenwilligen Berlingo in ein charmantes Retromobil. Der Elektro-Transporter kommt dem Charme der Vergangenheit sogar am nächsten. Und das, obwohl der ë-Berlingo alle Geräusche des alten 2CV Zweizylindermotors samt Loch im Kühlergrill für die Kurbel eliminiert. Eigentlich schade, dass lediglich 200 Umbauten entstehen werden.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten