Fahrbericht neuer BMW M4 GTS (2016)
BMW M4 auf Porsche-911-GT3-Niveau

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Dank 500 PS, exzessivem Karbon-Einsatz und extrem performanceorientierter Fahrwerksauslegung singt BMW mit dem M4 GTS im Konzert der ganz großen Sportstars mit. So fährt der dynamischste M4.

BMW M4 GTS, Fahrbericht, 04/2016
Foto: BMW

Es ist eine moderne Unsitte, Autos auszuverkaufen bevor es sie offiziell zu kaufen gibt. Der M4 GTS ist so ein Fall. Die Markteinführung finde im Frühjahr statt, erzählt BMW zunächst, um dann bereits im Februar freudestrahlend zu verkünden, dass alle 700 Exemplare nun doch schon vergriffen seien.

Ob gerecht, oder nicht: Man musste schnell sein, um einen zu erwischen - und man wird schnell bleiben müssen, sauschnell, in jeglicher Hinsicht. Eine 7:28er-Zeit hat BMW als eine Art Werksangabe für die Nordschleife herausgegeben, womit der M4 GTS mal eben zwanzig Sekunden schneller ist, als sein Vorgänger, der M3 GTS.

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BMW M4 GTS, Fahrbericht, 04/2016
BMW
Mächtig: Der S55B30-Motor im M4 GTS leistet 500 PS, 69 mehr als im normalen M4.

BMW M4 GTS mit 500 PS und weniger Gewicht

Die Herangehensweise blieb im Grunde dieselbe wie vor sechs Jahren: Leistung rauf, Gewicht runter, dazu ein Fahrwerk ohne Elektronik-Firlefanz und on top ein Aerokit, das in seiner radikalsten Stellung sogar von der StVZO disqualifiziert. Allerdings merkst du schon beim Einsteigen, dass da diesmal noch mehr Schweiß drinsteckt. Schweiß und Herzblut. Gerade im Innenraum wirkte der Vorgänger immer etwas provisorisch. Lapidare Verblendungen, Lenkradtasten, die ins Leere liefen, und diese billigen Zielflaggensticker im Einstieg, die auch von einem dieser Ramschständer stammen könnten, wie sie mit Aufbügel-Stinkefingern behangen gern mal an Rasthofkassen rumstehen.

Im BMW M4 GTS jedoch mischt sich Zweckmäßigkeit nun mit Exklusivität: Über weite Teile des Cockpits erstreckt sich Alcantara, die Türen sind mit extraleichtem Gewebe aus nachwachsenden Rohstoffen verkleidet, das mit seiner unbehandelten, rauen Oberfläche auf sehr rudimentäre Art, sehr edel anmutet; und selbst die Zuziehschlaufen sind mehr als Leichtbaupropaganda, was man spätestens dann feststellt, wenn man sechspunktvergurtet dahockt und vergessen hat, die Tür mitzunehmen.

Nur eines fehlt am Ende: die letzte Konsequenz: Die manuelle Klimaanlage könnte man ihm gerade noch so durchgehen lassen, aber was, bitte schön, soll der ganze iDrive-Schnick und Parkpiepser-Schnack? Freunde, doch nicht in so einem Auto - und wenn schon, dann wenigstens nicht serienmäßig.

BMW M4 GTS, Fahrbericht, 04/2016
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Stabil: Tendenziell übersteuert auch der GTS, lässt sich aber besser auf der Ideallinie halten als der M4.

BMW M4 GTS mit Rennsportfahrwerk

Aber gut, der gesamte Rest trifft das Thema perfekt: Das Gewindefahrwerk mit modifizierten Stabis und Stützlagern, das sich in Höhe, Zug- und Druckstufe verstellen lässt, bringt einen richtig intensiv mit der Fahrbahnoberfläche in Kontakt; der Reihensechser kommt über die Sport­abgasanlage mit Titan-Endschalldämpfer und den entrümpelten Innenraum nun deutlich klarer zur Geltung als beim Standard-M4, der ja mit einem Identitätsproblem akustischer Natur zu kämpfen hat; und dann ist da natürlich noch dieser rennsportromantische Blick nach hinten mit dem Hochfeststahlkreuz des Überrollbügels im Vordergrund und dem Heckleitwerk, das das Heck bei 200 km/h mit über 40 Kilo auf die Straße presst.

Der Flügel besteht wie Heckdeckel, Motorhaube, Dach und etliche Bauteile im Background aus Kohlefaser, was zusammen mit der doch recht einschneidenden Innenraumdiät gerade mal 30 Kilo Ersparnis gegenüber dem regulären M4 einbringt - jaja, die Luft ist dünn geworden mittlerweile. Aber natürlich greift die M-GmbH das Leistungsgewicht von beiden Seiten an: Im Zähler stehen 1.510 Kilogramm, im Nenner nun glatt 500 PS - 69 mehr als im Standardmodell.

Wasser marsch!

Dabei bleibt der Dreiliter-Reihensechszylinder in seinen Wesenszügen praktisch unverändert. Bedeutet: zwei extrem spontane Mono-Scroll-Turbolader, Schmiedekurbelwelle, langhubige Zylinderarchitektur und dasselbe Drehzahllimit jenseits der 7.000/min. Die große Frage: Wodurch entsteht die Mehrleistung? Die Antwort: Mit Hilfe von Wasser!

Dazu muss man vorwegschicken, dass insbesondere Turbomotoren zum Klopfen neigen, also zu unkontrollierten Verbrennungen aufgrund hoher Brennraumtemperaturen - je hochgradiger die Aufladung, je eher. Dem wird zwar über die Ladeluftkühlung entgegengewirkt, das geht aus physikalischen Gründen aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Und da kommt das Wasser ins Spiel. Unter Volllast wird es als feiner Nebel in den Sammler gesprüht und kühlt die Verbrennungsluft. Die Folge ist eine reduzierte Klopfgefahr und letztlich Spielraum für mehr Ladedruck: 1,2 bar sind es im M4, deren 1,5 nun im GTS.

BMW M4 GTS, Fahrbericht, 04/2016
BMW
Illegal: In der maximalen Abtriebsstellung verliert der M4 GTS die Straßenzulassung der StVZO.

Der notwendige Wasserspeicher befindet sich ebenso wie das Pumpsystem unter dem Ladeboden des Kofferraums. Er fasst fünf Liter, was auf der Rennstrecke laut BMW genauso lange reicht wie der Kraftstoff. Im Alltagsbetrieb sei ein Nachfüllen des Wassers sogar nur bei jedem fünften Tankstopp erforderlich. Und sollte man doch mal trocken laufen, regelt die Elektronik Zündzeitpunkt und Aufladung entsprechend zurück - um 50 auf 450 PS, sodass das ganz große Drama ausbleibt.

BMW M4 GTS mit Power und Sound

Natürlich birgt die Wassereinspritzung Effizienzvorteile, und natürlich werden sie die Downsizing-Diktatoren eines Tages für ihre Zwecke instrumentalisieren, einstweilen dient sie jedoch nur einer Sache, der guten. Und, heiliger Bimbam, ist die gut! Nun muss man ja ein bisserl aufpassen mit Tourenwagen-Assoziationen, seit sie in der DTM da so ein Kasperltheater aufführen die ganze Zeit. Aber wenn du um die Strecke dübelst, im Windschatten von Claudia Hürtgen, die als erziehungsberechtigte Pfadfinderin vorausfährt, fühlt sich das schon alles sehr rennsportlich an.

Von vorn prasseln die Abriebbatzen auf die Scheibe ein, die von den Formel-1-Testtagen liegengeblieben sind, am Heck tost ein Feuerwerk aus Krakeelen, Posaunen, Lastwechselhaubitzen und - hört, hört - endlich ein bisschen Reihensechsappeal im Unterton. Und dazwischen sitzt man selbst. Richtig tief, um den Schwerpunkt nicht zu ruinieren, eingespannt zwischen der Lenkung, die sich durch das radikale Set-up noch fester an die Handgelenke zurrt, und dem Punch des Motors, der - wenn ab rund 5.000/min das Wasser einspritzt - schon spürbar saftiger kommt als beim 50 Nm schmächtigeren Standard-Aggregat.

Gebremst wird mit der Keramik-Compound-Anlage, geschaltet per Doppelkuppler. Ausschließlich. Das passt zwar nicht so wirklich zum Leichtbauprinzip, weil der Siebengangautomat roundabout 25 Kilo mehr wiegt als der Handschalter mit sechs Gängen. Aber es passt - ehrlich gesagt - schon zum Flair, wenn du da am Lenkrad hoch- und runterpaddelst und die Gänge auf die Hinterachse klatschen. So humorlos und so unterhaltsam.

Und er geht schneller ums Eck

Aber gut, dass er nicht ganz unerotisch sein würde, war ja schon ein bisschen vorherzusehen, und auch der dramatisierte Schub ist letztendlich nichts weiter als die logische Folge einer Leistungssteigerung. Was er querdynamisch abzieht, übertrifft die Erwartungen dann aber doch - vor allem weil er trotz des neu hinzugewonnen Eifers im Handling nicht verkrampft.

Der normale M4 ist ein Hallodri. Ständig drückt er aus der Hüfte, will übersteuern statt bloß ideal linieren, sodass du meistens am Austarieren bist zwischen "noch neutral" und "schon im Drift". Der GTS scheint diesen Mittelweg nun selber herzustellen. Er nutzt dasselbe Aktiv-Differenzial, bekommt dadurch Kurveneingangs denselben Heckdrall eingeimpft, allerdings fängt er die Ausläufer besser ab: mit dem querstabilisierten Fahrwerk, mit den Sportreifen und in ganz fixen Ecken auch mit der Aerodynamik. Aber - jetzt kommt das Entscheidende - er wird davon eben nicht zum stocksteifen Oberlehrer, der dich vom Brems- zum Scheitelpunkt doziert. Zumindest nicht zwangsweise.

Wer es autoritär mag, kann es haben: Dann laminiert sich der M4 GTS mit abartiger Seitenführung in Kurven hinein, bleibt nahezu ungerührt von Seitenneigung und lässt dich trotzdem alles spüren, jeden noch so feinen Belagwechsel, das Limit, wo es anfängt, wo es erreicht ist oder überschritten, und auch diesen querdynamischen Höhepunkt, wenn sich die Bodenhaftung ganz minimal zu lösen beginnt - und natürlich immer zuerst an der Hinterachse. Einzige Bedingung: Man muss sich ein klein wenig zusammenreißen für diese GTS-exklusive Seite des M4, darf nicht zu sehr hudeln beim Einlenken und sollte progressiv Gas geben beim Herausbeschleunigen, weil die Traktion trotz der größeren Raddimensionen noch immer eine etwas labile ist.

Ignoriert man das, kommen ein paar Charakterstückchen des ursprünglichen M4 zum Vorschein, nur dass dessen notorischer Quertrieb im GTS aufgrund der ganzen kinematischen Optimierungen, gesitteter, weicher, akkurater und vor allem eben nur dann abläuft, wenn man ihn als Fahrer initiiert.

Wer mosert da, dass BMW keinen echten Sportwagen hinkriegt? Keiner? Ach so. Fein.

Technische Daten
BMW M4 GTS Coupé M4 GTS
Grundpreis142.600 €
Außenmaße4671 x 1870 x 1383 mm
Kofferraumvolumen445 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung368 kW / 500 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit305 km/h
Verbrauch8,8 l/100 km