Fahrbericht des neuen Range Rover Velar (2017)
Mit dem SUV-Neuling auf Erprobungstour in Norwegen

Wie eine Kette verbinden die Brückenbauwerke kleine Inseln zum Atlanterhavsveien an der norwegischen Atlantikküste. Dort kamen der neue Range Rover Velar und wir uns näher.

Range Rover Velar, Front Exterieur
Foto: Nick Dimbleby

Es gibt ja einiges, wofür man Norwegen mögen kann, die Erfindung des Skifahrens etwa. Oder dass die wahlberechtigte Bevölkerung es bei zwei Volksabstimmungen ablehnte, der Europäischen Gemeinschaft beizutreten. Und nicht zuletzt für die Atlantikstraße.

Die ist keine zehn Kilometer lang, besteht aus einer Folge kleiner Brücken, die mehrere Inseln am Eingang zum Kvernesfjord verbinden, und wurde vor fast 30 Jahren als Mautstraße gebaut. Weil die Straße mehr Einnahmen abwarf als erwartet, wurden die Mautstationen abgebaut. Die Brücken sind seit 1999, fünf Jahre früher als geplant, kostenfrei befahrbar. Auch das ist Norwegen.

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Range Rover Velar, Seite Exterieur
Nick Dimbleby
Der neue Range Rover Velar: In der gesamten Fahrzeugpalette der Range Rover Modelle verzeichnet nur der Evoque kleinere Abmessungen.

Weil es Anfang Juli ist und der Polarkreis nicht so weit, blinzelt die Sonne über den Atlantik. Der Range Rover Velar parkt unauffällig am Straßenrand. Auffällig dagegen ist, dass – anders als oft kolportiert – kaum jemand Elektroauto fährt. Viele SUV, aufgelockert durch ein paar angejahrte Volvo-Kombis, stromern über die Brücken. Da ist so ein Range Rover kein großes Ding, scheint es.

Der Velar ist ja deutlich flacher als die meisten seiner Markenbrüder, nur der Evoque unterbietet ihn in der Höhe um ganze fünf Zentimeter. Bei ziemlich genau 4,8 Metern Außenlänge verleiht ihm das eine kräftige gestreckte Silhouette, die eher an Geländekombis vom Schlage eines Audi A6 Allroad oder Volvo V90 Cross Country erinnert. Doch dass der Neue ein Range Rover ist, erkennen vermutlich sogar Uninteressierte auf den ersten Blick.

Ein Minimum an Bedienelementen im Cockpit

Die Front mit den etwas verkniffen blickenden LED-Scheinwerfern und dem dicken Schriftzug auf der Haube erinnert schon sehr stark an die massigeren Markenbrüder, das Heck mit den ebenfalls LED-befeuerten Rücklichtern ebenso. Das Funkgerät quäkt, heißt vermutlich losfahren. Die Türgriffe fahren aus, einsteigen, Motor an, Getriebedrehknopf auf D, Schulterblick, ein Hauch Gas, auf die Straße einbiegen.

Draußen malt die Mitternachtssonne orange Muster auf die Wolken, drinnen im Velar ist es kühl und aufgeräumt. Die Zahl der Schalter und Bedieneinheiten, vermeldet der etwas blumige Pressetext, sei auf ein absolutes Minimum reduziert. Das stimmt, zum Betätigen der meisten Funktionen muss über einen der beiden 10,2-Zoll-Monitore getoucht und gewischt werden. Kann man mögen, muss man nicht, sieht allerdings tatsächlich cool aus. Das System heißt Touch Pro Duo und wird auch in weitere Konzernprodukte einziehen, also gewöhnt man sich mal besser daran. Nach einiger Eingewöhnung funktioniert es auch ganz gut.

Range Rover Velar, Cockpit Interieur
Nick Dimbleby
Neues Cockpit-Design: Das Touch Pro Duo Infotainment-System bietet 2 verschiedene 10,2-Zoll-Bildschirme in der Mittelkonsole.

Die Navi-Karte zeigt gerade das schmale Asphaltband über die Inseln an, irgendwo über den Velar schwebt die Drohne und macht womöglich gerade jenes Bild, das Sie in diesem Artikel sehen. Dann quäkt wieder das Funkgerät, die Sonne ist immer noch nicht im Atlantik verschwunden, 50 Kilometer noch bis nach Molde, Ende eines Arbeitstages.

Der hat viel früher begonnen, auf einem schmucklosen kleinen Flughafen zwischen schneebedeckten Bergen und graublauen Fjorden. Da fahren wir hinauf, heißt es, und jemand deutet nach rechts oben, wo Felsen und Schneefelder mit tief hängenden Wolken verschwimmen.

Der Velar steht silbrig glänzend neben einem orangen Land Rover Discovery, eine kurze Einweisung, dann geht es los. Dabei bräuchte man die gar nicht, außer beim erwähnten Touch Pro Duo ist die Bedienung vertraut. Einen D300 haben sie uns zur ersten Ausfahrt hingestellt, mit Allradantrieb und Automatik, Dreiliter-V6-Diesel, 300 PS und 700 Nm, in der Topversion HSE mindestens 86.750 Euro teuer.

Bei unserem Auto stünden allerdings mindestens 90.150 Euro auf dem Preiszettel, der Aufpreis von 3.400 Euro ist für das R-Dynamic-Paket fällig. Es umfasst neben den schwarz mattierten Dekorelementen einen besonders feinen Stoffdachhimmel, Edelstahlpedale, Schaltwippen für das Automatikgetriebe sowie Spiegelkappen in Narvikschwarz. Was ja hier immerhin ganz gut passt, denn die nordnorwegische Hafenstadt ist keine 1.200 Straßenkilometer entfernt.

Zu den serienmäßigen Annehmlichkeiten des Velar D300 HSE zählen neben dem drehmomentgewaltigen Selbstzünder und der sehr überzeugend auftretenden Neunstufenautomatik die Matrix-LED-Scheinwerfer, 21-Zoll-Räder, Topsitze mit Massagefunktion und das große Fahrerassistenzpaket mit allem. Da sollte man es ein paar Stunden durch Norwegen gut aushalten.

Velar D300 – Vielseitigkeit die überzeugt

Zumal die Kilometerfresserei bei Tempo 80 – schneller darf nur auf den Autobahnen des Landes gefahren werden – gern mal von Fährüberfahrten unterbrochen wird. Auf denen gibt es Kaffee und das Verbot, in Fußballschuhen herumzulaufen. Die Straße von der letzten Fähre nach Trollstigen wird von Ortschaft zu Ortschaft schmaler, die Fahrbahnkanten sind weggenagt, und wenn einer entgegenkommt, fahren die rechten Räder auch mal übers Gras.

Nichts, was die Luftfederung des Velar ernsthaft in Verlegenheit brächte. Trotz der großen Räder bügelt sie das meiste weg, ab und zu poltert es ein wenig aus den Radhäusern. Nichts Ernstes.

Dann kommt Trollstigen, eine Passstraße, die aussieht, als sei sie 3.000 Meter hoch in den Alpen, dabei sind wir kaum höher als auf der Schwäbischen Alb. Die Straße stürzt sich durch einige Kehren und über einen Wasserfall ins Tal – Pflichtprogamm für Norwegen-Touristen. Das ist an den vielen Motorrädern und Reisebussen zu erkennen, und auch daran, dass ein Lachsbrötchen mit Kaffee umgerechnet 30 Euro kostet.

Die Kehren bewältigt der Range mit seiner feinfühligen Lenkung lässig, an den Bussen tastet er sich vorsichtig vorbei. Hinter dem Pass biegt die Straße um ein paar Fjorde, zwischendurch suchen wir uns ein paar Kilometer Schotterstraße aus, damit dem Terrain-Response-System nicht zu langweilig wird. Verbotsschild am Waldweg? Gibt es hier nicht. Ein weiterer Grund, Norwegen zu mögen.

Fazit

Der erste Crossover von Range Rover schein gut gelungen: ordentlich Platz, toller Komfort, feine Verarbeitung und insgesamt ein sehr gepflegter, stimmiger Fahreindruck. Da sollte es auch mit den Verkäufen gut klappen.

Technische Daten
Range Rover Velar D300 4WD R-Dynamic HSE
Grundpreis86.337 €
Außenmaße4803 x 2041 x 1685 mm
Kofferraumvolumen673 bis 1731 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung221 kW / 300 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit241 km/h
Verbrauch6,6 l/100 km