Fahrbericht Porsche Boxster Spyder (981)
So fährt der schnellste Boxster aller Zeiten

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Nach dem Cayman GT4 kommt der Boxster in den Genuss des Motors aus dem 911 Carrera S. Wir drehen eine Runde im stärksten und schnellsten Boxster aller Zeiten. Der Spyder feiert den Abschied vom Sechszylinder-Saugboxer mit Krawall.

Porsche Boxster Spyder (981), Fahrbericht
Foto: Frank Ratering

Modelle wie dieses hier bedürfen ja eigentlich immer eines triftigen Grunds: eines runden Baureihengeburtstags zum Beispiel, oder irgendeines Firmenjubiläums, das, wenn es dann doch nicht so ganz zur Markteinführung passt, zur Not auch mal zurechtgebogen wird. Egal, der Anlass ist in der Regel jedenfalls ein freudiger.

Beim Boxster Spyder ist das anders, denn er ist so was wie der Schlussakkord, der Rausschmeißer, der Grabredner, der mit bebender Stimme noch mal für den Saugmotor laudatiert, ehe man seine Zunft im Zuge der nahenden Modellpflege aus Boxster und Cayman verbannt. Traurig? Wahr!

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Die Vierzylinder-Turbos kommen!

Und auch wenn das mit den neuen Vierzylinder-Turbos womöglich gar nicht so furchtbar grausig wird, wie wir jetzt alle schon zu wissen glauben, so gut wie das hier wird es nicht. Kann es gar nicht, hundertpro. Dabei ist die Idee mit der Spyder-Variante nicht mal neu. Anno 2009 gab es dasselbe Konzept schon mal, auf Basis von Baureihe 987. Das Motto damals: ein bisschen stärker, ein bisschen leichter, ein bisschen herber, ein bisschen exklusiver und ein bisschen teurer als das zugrundeliegende S-Modell.

Beim 981er fallen diese vielen Bisschen nun zum Teil eine ganze Ecke größer aus. Schon zwangsläufig, weil der Posten des einstigen Spyder mittlerweile fest vom GTS besetzt ist. Den entscheidenden Unterschied macht der Motor: der Drei-Achter aus dem 911 Carrera S, der kürzlich schon den Cayman zum GT4 beförderte, hier aus Gründen der Modellhierearchie aber zehn PS weniger, also 375 PS leisten muss.

Elfer-Motor im Boxster Spyder

Überhaupt hat recht viel mit Hierarchie zutun: Intern sei es ein ewiger Kampf gewesen bis der Elfer-Motor endlich die Freigabe für seine Nebenbeschäftigung als Mittelmotor bekam, ein Kampf der Cayman-Boxster-Mannen, die schon länger wollten, ein Kampf der 911-Abteilung, die zum Schutze ihres Denkmals immer wieder abblockten, ein Kampf um Kompetenzen also, aber einer der sich auszahlt: 4,5 Sekunden auf 100, 290 Spitze, äußerst fix!

Schon im Elfer mag einem der Motor nahe gehen, näher als im Boxster Spyder kam er einem bislang aber noch nie. Räumlich betrachtet ebenso wie emotional: Wie er zubeißt, die gut 1.300 Kilo Roadster aus dem Drehzahlkeller boxert, blitzsauber lastwechselt, ab 3.500/min an Intensität zulegt, wie die Sechsgangschaltung nebenan in ihre extrakurzen Gassen rastet, ihn immer wieder auf die Leistungsspitze bei 6.700/min treibt, und vor allem wie er währenddessen klingt: Zirpen im Standgas, Kreissägen beim Hoch-, Röhren beim Ausdrehen, Brabbeln sobald man den Gasfuß lupft – und das ganze je nach Gusto entweder pur oder aufgebauscht durch die zuschaltbare Sportabgasanlage. Zusammengefasst: zum Niederknien.

30 Kilo wurden beim Porsche Boxster Spyder (981) eingespart

Bei aller Antriebseuphorie: natürlich stimmen auch die Rahmenbedingungen. 30 Kilo haben sie der Boxster-Karosserie abtrainiert, primär durch Weglassen. Überall wurde Dämmung eingespart, Klimaanlage und Infotainment lassen sich – ach wie großzügig – aufpreisfrei abwählen, die engen Sitzschalen bestehen aus Kohlefaser, und selbst Details wie die Stoffbänder zum Öffnen der Türen sind angeblich nicht nur Gags, sondern leisten tatsächlich ein kleinen Leichtbau-Beitrag.

Der Großteil, zehn Kilo um genau zu sein, entfällt jedoch auf das manuelle Stoffverdeck. Es erfordert anfangs ein bisschen Nippel-durch-die-Lasche-Geschick, nach ein-, zwei Trainingseinheiten entblättert man den Boxster Spyder aber ohne Wutanfälle. Außerdem ist die Kapuze im Gegensatz zum Vorgänger nun voll Vmax- und Waschanlagen-kompatibel – was ruhig auch als eine Art von Kompromisslosigkeit verstanden werden darf.

Wie er sich geschlossen fährt? Ganz ehrlich, wir haben es nicht ausprobiert. Das Offenfahren dafür umso ausgiebiger. Schon beim Cruisen wuschelt die Toskana recht impulsiv durch den Innenraum, ehe er sie einem auf den verknäuelten Nebensträßchen regelrecht in die Nebenhöhlen presst. Geraden inhaliert er wegen des Motors fulminanter als jeder Boxster zuvor, und auch in Kurven legt er spürbar zu. An den GT4 reicht er allerdings nicht ganz heran. Statt auf der Kinematik des 911 GT3 basiert er auf dem detailmodifizierten Fahrwerk des Boxster GTS.

20 Millimeter tiefer, Lenkübersetzung vom Turbo, das war’s im Wesentlichen. Dennoch: Grip und Traktion sind allgegenwärtig. Beim Einlenken, selbst wenn man den Radius am Limit noch mal nach innen korrigiert, und beim Herausbeschleunigen, wenn die gesperrte Hinterachse zart auf der Power slidet.

Porsche Boxster Spyder (981) gibt automatisch Zwischengas

Völlig egal, wie sehr sich der Asphalt auch windet, er bekommt den Spyder nicht abgeschüttelt. Er krallt, twistet, hechtet heraus, schlägt einen Haken nach dem anderen, bremst enorm, stößt beim Runterschalten automatisch mit Zwischengas die Drehzahl hoch, um dann wieder in den nächsten Scheitelpunkt zu stechen. Scharf, filigran, exakt, ultra beweglich  – vom Gefühl her fast ein bisschen wie diese Butterfly-Messer, mit denen die Obercoolen früher immer rumgefuchtelt haben, bestimmt erinnern Sie sich. Einziger Unterschied: wehtun kann man sich eigentlich nicht.

Was schmerzt, ist am Ende jedenfalls nur die Aussicht auf die Vierzylinderinvasion. Man solle sich aber keine Sorgen machen, heißt es aus Porsche-Kreisen, da jedes neue Modell immer besser würde als sein Vorgänger. Wie auch immer, dem Spyder kann‘s nur recht sein. Er wird als vorerst letzter Saugmotor-Boxster in den Annalen stehen.

Und das heißt im Umkehrschluss: günstiger als für die offiziellen 79.945 Euro Grundpreis wird er auf absehbare Zeit nicht mehr zu bekommen sein.

Technische Daten
Porsche Boxster Spyder Spyder
Grundpreis79.945 €
Außenmaße4414 x 1801 x 1262 mm
Kofferraumvolumen280 l
Hubraum / Motor3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung276 kW / 375 PS bei 6700 U/min
Höchstgeschwindigkeit290 km/h
Verbrauch9,9 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten