Ferrari 458, Lamborghini Aventador, Maserati Gran Cabrio
In Traumautos über Traumstraßen

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Ein Ausflug mit Ferrari 458 Speciale A, Lamborghini Aventador Roadster und Maserati Gran Cabrio MC auf der Straße unserer Träume im Tunnelmekka am Gardasee.

Ferrari 458 Speciale A, Lamborghini Aventador Roadster, Maserati Gran Cabrio MC
Foto: Achim Hartmann

Sie tragen klangvolle Namen wie Sirene, Grazie, Muse oder Furie und sind wie Weihnachtsgeschenke für das Sportfahrerherz. Auspacken heißt heute: mit Ferrari 458 Speciale A, Lamborghini Aventador LP 700-4 Roadster und Maserati Gran Cabrio MC die Küstenstraße des Gardasees aus dem winterlichen Tiefschlaf wecken und die wohl schönsten Tunnel der Welt unsicher machen.

18.01 Uhr, auf geht's zur Bescherung. Normalerweise ist „Gardasee“ ein Synonym für niederschlagsarme, mediterran-milde Winter. Heute hat es den ganzen Tag geregnet, doch wir hätten es nicht besser treffen können. Geschlossene Hotels und Kneipen, kaum Touristen und noch viel besser: keine Blech- und Motorradkarawane, die sich im Schneckentempo wie an einer Perlenkette über das Asphaltband der Küstenstreifen wälzt – Riva del Garda, Nago-Torbole und Limone gleichen Geisterstädten. Die Einsamkeit ist hier wie ein Sechser im Lotto. Rund 15 Millionen Urlauber fallen jährlich über die Region her.

Keine Zeit verlieren und schnell den marineblauen Zündschlüssel mit dem legendären Dreizack nach vorne drehen. Plötzlich ist das Sommerflair auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wieder da. Der 4,7-Liter-Achtzylinder des Maserati Gran Cabrio MC prustet heiser röhrend mit Joe-Cocker-Gedächtnisstimme auf. Anschließend erinnert der gurgelnde Leerlaufbass des bei Ferrari entwickelten und gebauten 90-Grad-V8-Saugers mit 460 PS an die klassischen 60er-Jahre-Sportboote mit rotbrauner Mahagoniholz-Beplankung, die stolz den Namen des nördlichsten Gardaseestädtchens Riva tragen.

Ähnlich elegant wie mit einem Rivaboot, kann man auch mit der vom Coupé Gran Turismo MC Stradale abgeleiteten Cabrioversion ablegen. Ohne Bocken setzt die ZF-Wandlerautomatik mit sechs Gängen das Cabriolet in Bewegung. Manche nennen das Getriebe antiquiert, doch der Alltagskomfort bietet Tiefenentspannung wie ein Italo-Espresso.

0-100 km/h in 4,9 Sekunden und maximal 289 km/h – die Frage nach Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit stellt sich im Gran Cabrio selten. Rennstrecken überlässt es anderen, öffnet dafür lieber in 28 Sekunden behutsam sein elektrisches Stoffverdeck und cruist anschließend gemütlich dahin. Lenkung und Fahrwerk sind genauso komfortabel ausgelegt wie die bequemen Sitze im Interieur.

Gemütlich gleich langweilig? Von wegen, da gibt es ja noch die Klappenabgasanlage. Schon der normale Modus des Auspuffs brüllt die wenigen Touristen aus dem Erholungsschlaf. Dafür reicht Streicheltempo und ein Gasstoß knapp über Leerlaufdrehzahl.

Unser Lieblingsknopf im Gran Cabrio MC: Die Sporttaste, die korrekterweise eigentlich Megaphon-Taste heißen müsste. Ein Druck auf selbige, und der Maserati verrät, dass seine Zulassung wohl nur nach einem von Grappa und Zigarren dominierten Dinner mit den Regelhütern über die Bühne gegangen sein kann. Unglaublich, wie emotional das Maserati-Cabrio seinen V8 bereits bei Spielstraßentempo durch die leeren Gassen von Riva del Garda schmettert.

Zwischen den historischen Häusern treffen wir Angelo, der uns spontan in seine Wohnung einlädt. Aus dem zweiten Stock könnten wir Maserati, Ferrari und Lambo doch noch viel besser fotografieren. Neid und Missgunst wie in Deutschland gibt's hier nicht, wir treffen nur extrem freundliche und sehr stolze italienische Hubraumfans. So muss das sein!

Ciao Angelo, wir müssen weiter zur ultimativen Tunneljagd: Raus aus Riva und rein ins erste Tonstudio namens Gardesana Orientale. Dahinter versteckt sich die Küstenstraße des Ostufers. Einige Aufwärmkurven später trifft das Trio infernale auf den ersten Höhepunkt. „Navene 1.686 m“ verkündet das Schild am Eingang der Passage, die aus kürzeren Tunneln und längeren Galerieabschnitten besteht. Runterschalten, Volllast und genießen. Eine erste Überdosis Hochdrehzahlschall kratzt am italienischen Tunnelputz.

Lamborghini Aventador Roadster in 2,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h

Wurde hier nicht? Doch, wurde. Daniel Craig alias James Bond wurde in dieser Gardasee- Galerie anno 2008 im 007-Streifen „Ein Quantum Trost“ gejagt. Dabei versucht Bond mit seinem Aston Martin DBS zwei Alfa 159 zu entwischen. Während man noch darüber sinniert, warum 007 sich mit seinem 517-PS-V12-Aston bei der wilden Verfolgungsjagd gegen die Alfa-Mittelklassebüchsen so schwertut, holt eine prägnante Stimme ins Hier und Jetzt zurück.

„Want to change the car?“, hallt es in Englisch, aber mit prägnanter italienischer Färbung aus einem dunkelblauen Alfa 159, der neben Ferrari, Maserati und Lamborghini hält. Nein, nicht die Bond-Bösewichte, sondern zwei Uniformierte steigen aus. Carabinieri steht auf der Alfa-Tür. Keine Fragen nach offiziellen Fotogenehmigungen, nur glänzende Polizistenaugen. „Bellissima, bellissima“, hören wir später noch zwei Mal aus anderen Streifenwagen. Die Ordnungshüter, abwechselnd in Alfa 159 oder Fiat Punto unterwegs, sind glücklicherweise auch auf unserer Seite.

Prima, dann kann jetzt noch ambitionierter an den Schaltwippen gezupft werden. V12- Saugmotor, 6,5 Liter Hubraum, 8.250/min Maximaldrehzahl, 700 PS, Allrad – der Lamborghini Aventador LP 700-4 Roadster schert aus dem Maserati-Windschatten aus. Fast hatten wir sie vergessen – diese detonationsartigen Schaltschläge. Anders als im Huracán mit Doppelkupplungsgetriebe treibt im Aventador Roadster noch das automatisierte ISR-Getriebe sein Unwesen. Während in der Strada-Einstellung Gangwechsel-Schaltpausen für Kopfnicken sorgen, schießen jetzt die Schaltstufen im Corsa-Modus innerhalb von nur 50 Millisekunden rein. Letzteres sorgt entweder für Kopfklatscher am feinen Ledersportsitz mit eingesticktem Stierlogo oder für strammes Training der Nackenmuskulatur. „Old school“ nennen manche die Funktionsweise des nicht ganz perfekten Getriebes, „Charakter“ sagen wir. An die Schaltschläge mit der Sanftheit der viel zitierten Abrissbirne werden wir uns noch in 20 Jahren mit einem spitzbübischen Lächeln erinnern.

Vor allem die Roadster-Version ist eine Droge für Sound-Fetischisten. Klar, unter Last erreicht das V12-Gewitter seinen Höhepunkt, doch wahre Klanggourmets brauchen kein Vollgas, sondern verlieben sich in das Orchester beim Gaslupfen und anschließendem Schiebebetrieb. Beim Ausrollen mit Motorbremse basst, wummert und gewittert der Keil so, dass manch alter F1-V12 fast neidisch wird. Kurzer Zwischengedanke: Wer kam eigentlich auf Idee, Turbomotoren zu bauen?

Nicht die kostbare Gardasee-Einsamkeit mit solchen Fragen verschwenden. 2,9 und 9,2 Sekunden – wir kennen die nackten Zahlen der Roadster-Beschleunigung über die 100- und 200-km/h-Marke noch von unserem letzten Aventador-Test (siehe sport auto 3/2014). Auch ohne Messgerät ähneln sie sich heute vermutlich. Anders als damals, auf unserer weitläufigen Test- und Messpiste, erreicht das Aventador-Erlebnis heute eine andere Dimension. Nicht nur beim Schritttempo durch die engen Gassen der italienischen Uferstädtchen, auch beim Sprint in den verwinkelten Tunnelpassagen fühlt sich der Supersportler wie ein Jumbojet bei der Landung auf einem kleinen Sportflugplatz an. Kein Wunder bei 4.780 Millimetern Länge und 2.030 Millimetern Breite. Inklusive Außenspiegeln ist er übrigens satte 2.265 Millimeter breit.

Beim Anbremsen auf den Bodenwellen tänzelt das Heck des mit Pirelli-Winterreifen besohlten Mittelmotor-Denkmals. Man muss nicht auf der Hut sein, aber ein bisschen proaktiv am Lenkrad mitarbeiten sollte der Pilot schon. Miura, Espada, Countach, Diablo – Machos waren alle großvolumigen V12-Lambos schon immer, und auch der Aventador ist alles andere als ein Softie.

Wir wechseln den Opernsaal. Das nächste Konzert steigt auf der Gardesana Occidentale, der Schwester-Küstenstraße der Orientale, am Westufer des Gardasees. Die zwischen 1927 und 1932 erbaute Occidentale stellte die erste Straßenverbindung zwischen Riva im Norden und dem südlichen Teil des Sees her. Achtung, aufgehorcht, jetzt kommt die schönste Info: Für die ersten 28 Kilometer der Küstenstraße mussten 74 Tunnel in die Steilhänge gesprengt werden. Lechz, lecker!

Ferrari 458 Speciale A mit Schalldruckpegel von 127 dB(A)

Noch mehr läuft das Wasser im Mund beim langsamen Abfahren der von uns ausgeguckten Wertungsprüfung zwischen dem Ortsende von Riva del Garda und Limone zusammen. Erst ein hochmoderner, 1,8 Kilometer langer Tunnel, dann eine Röhre aus massivem Naturstein mit gelblich gleißender Beleuchtung, der ein verwinkeltes Galerie-Tunnel-Labyrinth ohne Beleuchtung folgt. Hier treffen wir auf die eingangs angesprochenen Tunnelschönheiten Sirene, Grazie, Muse und Furie. Mehr Traumstraßen-Romantik geht nicht.

Zurück zum WP-Start in Riva del Garda: Manettino-Drehregler auf dem Ferrari-Lenkrad auf „Race“ drehen, anschließend den in einem Meer aus Kohlefaser sitzenden Launch-Knopf auf der Mittelkonsole drücken. Startautomatik aktiv, Gaspedal auf die Bodengruppe zimmern, die Drehzahl pendelt sich bei 3.000/min ein – Bremse lösen, und das 458-Speciale-A-Projektil feuert ab. Während fünf LED-Schaltlampen hektisch im Lenkradkranz immer wieder nacheinander aufflammen, schreit der 4,5-Liter-V8 mit 605 PS jähzornig bis zur Drehzahlgrenze bei 9.000/min. Akustisch dreht der Saugmotorheld fünfstellig. Der Soundtrack wärmt dabei fast ein bisschen die alten Grand-Prix-Erinnerungen aus Monaco auf, als Schumi noch für die Scuderia durch den legendären Tunnel unter dem einstigen Loews-Hotel bretterte.

Dritter, vierter, fünfter Gang. Der erste Tunnel ist videoüberwacht, doch die Sucht nach Hochdrehzahl ist stärker. Wenn einer in der Videozentrale die 458-Sektorzeiten stoppt, sind es hoffentlich die begeisterten Carabinieri von vorhin. Egal, in dieser nächtlichen Einsamkeit treffen wir die Occidentale nie wieder.

Wir könnten jetzt hier ausschweifend dozieren, etwa über ausgeklügelte Technikdetails wie die aktive Aerodynamik mit variablen Klappen in der Frontschürze, im Unterboden und am Heckdiffusor, doch heute stehen Emotionen im Vordergrund. Der 458 Speciale A – A für aperta, also offen – macht keinen Hehl daraus, wer die Präzisionswaffe des Trios ist. Anbremsen, Einlenken, Schalten – alles läuft verzögerungsfrei wie per Gedankenübertragung ab. Bodenwellen und Spannungsrisse kratzen nicht. Er bügelt über den jahrzehntealten Asphalt, als gälte es, einen neuen Rekord auf seiner Hausstrecke in Fiorano aufzustellen.

Wahnsinn, was für eine massive Klangwelle der Open-Air-Speciale wie ein Akustik-Tsunami durch die Tunnel spült. Doch wer hat die Nase vorn beim Surround-Sound-Erlebnis? Heute zählen keine Rundenzeiten oder Beschleunigungswerte, sondern nur feister Tunnelrock. Zwischen Zahnbürste und Unterhose findet sich, zufällig, aber nur ganz, ganz zufällig, ein Dezibel-Messgerät im Ausflugsgepäck. Schnell dem Fotografen sein Dreibeinstativ entreißen und das Teil flugs in einer Tunnelecke aufstellen. Weiter geht das Konzert.

Als erstes Röhrgerät hämmert das Maserati Gran Cabrio MC seine Verbrennungsmusik mit ausgedrehtem zweiten Gang unter Volllast in Richtung Messmikrofon. Was wir schon immer wussten, bestätigt jetzt das Schalldruckmessgerät mit 101,6 dB(A) bei einer Vorbeifahrt in rund zwei Metern Entfernung. Der Dreizack klingt nicht nur laut, sondern ist es auch.

Umstieg in den Aventador Roadster. Sein V12-Gewitter grollt noch dunkler und dramatischer, aber ist es auch wirklich lauter als der Maserati-V8? Anlauf nehmen, Vollgas, und wieder wird der zweite Gang ausgedreht. Die Lamborghini-Klangwolke schlägt sich mit einem Höchstwert von 114,4 db(A) auf dem Digitaldisplay nieder. Und das Cavallino Rampante? Wischt unscharf mit wollüstigem Rennwagenkreischen durchs Bild und hinterlässt einen Schalldruckpegel von 117,2 dB(A). In Hockenheim hätten sie uns bei solchen Werten lebenslanges Streckenverbot erteilt.

Doch wenn wir schon einmal mit 28 Zylindern so ein rauschendes Fest feiern, erheben wir noch schnell eine andere Messgröße. Vollgasstöße im Stand, mit jeweils 30 Zentimetern Abstand zum Abgasschlot. Jetzt bröckeln gleich die ersten Gesteinsstücke von den Tunnelwänden. 119,7 dB(A) zimmert der Maserati aufs Display, 129,6 dB(A) sind es für den Lamborghini, und den krachenden Höchstwert des Tages liefert der Ferrari: 130,7 dB(A).

Stichflammen beim Aventador

Auch ein startender Düsenjet in 100 Metern Entfernung ist kaum lauter. Das Highlight spuckt jedoch der Lamborghini aus seinen viereckigen Auspufföffnungen – eine 50 Zentimeter lange, hellblaue Stichflamme. Blick auf die Uhr, jetzt aber Schluss mit dem Spielkram und zurück ins Hotel. Das Gefühl auf der Rückfahrt ist wie früher nach einer ausgedehnten Disco-Nacht – erschöpft, glückselig, aber ein spürbar taubes Trommelfell. „Man hat euch gehört“, empfängt uns der Nachtportier im 15 Kilometer entfernten Hotel weit nach Mitternacht. Unglaublich, wie gut das Seewasser den Schall trägt. Ein Absacker an der Hotelbar muss für Fotograf und Testmannschaft jetzt noch drin sein.

Zwei Jacky-Cola, drei Radler, ein Weißbier und eine Cola ohne Jack Daniels stehen später auf der Rechnung. Dreimal dürfen Sie raten, wem die alkoholfreie Cola gehört hat. „Jungs, ich muss noch einmal raus – zu Sirene, Grazie, Muse und Furie. Bis morgen früh!“

Technische Daten
Ferrari 458 Speciale SpecialeLamborghini Aventador LP 700-4 Maserati GranCabrio MC
Grundpreis232.530 €321.300 €155.780 €
Außenmaße4571 x 1951 x 1203 mm4780 x 2030 x 1136 mm4910 x 1915 x 1380 mm
Kofferraumvolumen230 l150 l173 l
Hubraum / Motor4497 cm³ / 8-Zylinder6498 cm³ / 12-Zylinder4691 cm³ / 8-Zylinder
Leistung445 kW / 605 PS bei 9000 U/min515 kW / 700 PS bei 8250 U/min338 kW / 460 PS bei 7000 U/min
Höchstgeschwindigkeit325 km/h350 km/h291 km/h
Verbrauch13,3 l/100 km16,0 l/100 km14,5 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten