Fiat E-Ducato (2021)
So fährt sich der Großtransporter unter Strom

Inhalt von

Fiat elektrisiert den Ducato. Mit 90 kW-Motor und zahlreichen Konfigurationen soll er den lokal emissionsfreien Transport regeln.

Fiat E-Ducato (2021) Fahrbericht
Foto: Fiat

In vielen Städten weltweit geht es in absehbarer Zeit nicht nur den Verbrenner-Pkw, sondern auch den gewerblichen Transportern mit konventionellem Antrieb an den Kragen. Die Kastenwagen-Armada, die eine moderne Großstadt mit Lieferungen sowie im Einsatz für Handwerk und Handel am Leben erhält, wird nach entsprechenden Fahrverboten eher früher als später auf den Einsatz des bewährten und robusten Dieselantriebs verzichten müssen.

Aus diesem Grund bringen sich die Hersteller der diversen Transporter längst in Stellung, haben entsprechende elektrifizierte Lösungen entwickelt. Einem davon gebührt besondere Aufmerksamkeit, dem elektrischen Fiat Ducato. Als europaweit meistverkaufter Transporter kommt dem Urgestein, das vor inzwischen 40 Jahren die Ära der schnellen, frontgetriebenen Transporter einleitete, eine Vorreiterrolle zu.

Unsere Highlights

Zur ersten Testfahrt trat der E-Ducato in seiner typischsten Konfiguration an: Als sechs Meter langer L4H2 Kastenwagen mit dem mittleren Hochdach deckt er nahezu alle Transportbedürfnisse ab. Daneben ist der E-Antrieb aber auch für die anderen verblechten Kastenwagen-Varianten ab L2, für den verglasten Kombi in L2 sowie für die Fahrgestelle von L2 bis L6 bestellbar.

Von außen ist dem E-Ducato auf den ersten Blick nichts von seinem alternativen Antriebskonzept anzumerken, außer bei einem genauen Blick nach unten, bei dem das leicht herausstehende Batteriepaket am Unterboden erkennbar ist. Diese Unauffälligkeit liegt daran, dass hier kein eigenständig entwickelter E-Transporter vor dem Betrachter steht, sondern der Standard-Ducato ganz pragmatisch nachträglich elektrisiert wird. Dazu werden die bis auf den Antrieb fertig gebauten Modelle aus dem Ducato-Werk im italienischen Sevel in eine Fiat-eigene Manufaktur überstellt, wo der E-Antrieb, die Batterien, die Leistungselektronik und die spezifischen Instrumente installiert werden.

Fiat E-Ducato (2021) Fahrbericht
Torsten Seibt
Nachträglich angebracht: Die Informationszentrale für den Elektroantrieb.

Dieser nachträgliche Umbau des eigentlich als Verbrenner geborenen Ducato lässt die Ausführung ein bisschen aufgesetzt wirken. Statt in das Entertainment-System integriert sind die E-Funktionen auf einem separaten Bildschirm auf dem Armaturenträger bedienbar. Es gibt weiterhin die mechanische Feststellbremse links neben dem Fahrersitz und bis hin zum mechanischen Zündschlüssel (!) unterscheiden sich die Bedienelemente nicht vom Standard-Ducato.

Der E-Ducato basiert auf der bisherigen Baureihe

Mehr noch: Fiat baut den E-Ducato auf der bisherigen Baureihe auf. Damit verzichtet man auf die zahlreichen Verbesserungen des im Sommer 2021 eingeführten "New Ducato" (hier geht es zum Fahrbericht dieses neuen Modells): unter anderem das überarbeitete Fahrwerk, das stark modernisierte Cockpit, die neue elektronisch geregelte Lenkung und etliche moderne Fahrassistenzsysteme. Und natürlich auf die Facelift-Front des neuen Jahrgangs.

Der Start des E-Ducato unterliegt einem streng geregelten Prozedere: Tür schließen, anschnallen, Schlüssel komplett durchdrehen, kurz warten, dann meldet sich der Kastenwagen betriebsbereit. Die Reihenfolge ist wichtig, ohne geschlossenen Gurt passiert beispielsweise gar nichts. Etwas unkonventionell fällt das Schaltschema aus, bei dem man den Fahrwahlhebel von Neutral (oben) auf Fahrt (Mitte) drücken muss, rückwärts geht es eine Stufe darunter. Ebenfalls über den Schalthebel wird die Rekuperation gesteuert. Dabei gibt es nur die Wahl zwischen "an" und "aus", um die Energierückgewinnung beim Ausrollen zu steuern, eine Feinjustierung über mehrere Rekuperationsstufen ist nicht möglich.

Das weitgehend geräuschlose Losfahren, bis rund 20 km/h begleitet vom sanften Singsang des AVAS (Acoustic Vehicle Alert System), ist man zwar inzwischen von zahlreichen anderen Stromern gewohnt, im Umfeld eines Kastenwagens mit üblicherweise rumpelig-kernigem Dieselgenagel wirkt es dennoch außergewöhnlich. Generell fährt sich der E-Ducato nicht anders als seine Verbrenner-Kollegen, mit über vier Metern Radstand, strammer Höhe und der unverbindlichen Lenkung lässt man es von Haus aus etwas gemütlicher angehen. Ist die Rekuperation vorgewählt, verzögert der Kasten bei vollständig gelupftem Fahrpedal extrem stark; eine entsprechend umsichtige Fahrweise ist angeraten.

Fiat E-Ducato (2021) Fahrbericht
Torsten Seibt
Geladen wird an gewohnter Stelle: Der E-Anschluss sitzt unter dem Serien-Tankdeckel.

Auffällig ist, wie zügig und vor allem irgendwie unbemerkt der E-Ducato auf Innerortstempo beschleunigt. Weil das akustische Feedback eines Verbrenners fehlt, ist der Prüfblick auf den Tacho sehr ratsam. Um bei den Fahrleistungen zu bleiben: Die lineare Beschleunigung ist im weiteren Verlauf dann doch deutlich von dem entfernt, was man von leistungsstarken E-Pkw kennt, aber das ist ja beim Vergleich eines Diesel-Ducato mit einem 200-PS-Kompakten nicht anders. Ein bisschen fühlt sich das an wie Trambahn fahren, fehlt nur noch eine schicke Klingel. Überholvorgänge, etwa auf der Landstraße an einem Erntefahrzeug vorbeihuschen, sollte man sich jedoch reiflich überlegen, das kann dauern.

Etwas dauern kann es auch auf der Autobahn. Das von hektischen Paketboten gewohnte Gequengel auf der linken Spur hat sich im Strom-Kasten erledigt, bei 100 km/h ist Schichtende. Angesichts der Scheunentor-Aerodynamik trägt das dazu bei, den Fahr-Akku nicht mit ein paar Kilometern Fullspeed leer zu blasen, denn der ist ohnehin nicht über die Maßen üppig dimensioniert. 47 kWh bunkert die Standard-Batterie, laut Fiat genügt das für 170 Kilometer Reichweite nach WLTP und bis zu 235 km im Stadtverkehr. Und dabei wird es in den allermeisten Fällen wohl bleiben. Denn für zusätzliche 32 kWh Kapazität in der größeren 79 kWh-Traktionsbatterie (Reichweite dann 280 km WLTP/370 km innerorts) möchte Fiat inklusive Mehrwertsteuer 19.754,00 Euro Aufpreis sehen. Das wird sich mancher Fuhrparkmanager dreimal überlegen.

Fiat E-Ducato – die Preise

Überhaupt macht die Preisgestaltung des E-Ducato klar, dass hier eher an Flottenbetreiber gedacht wird als an den kleinen Handwerker, der seinen alten Dieselkombi ersetzen möchte. Der kleinste L2H1-Kasten startet bei 65.926 Euro (55.400 Euro netto), für den im Fahrbericht bewegten L4H2 sind wenigstens 67.949 Euro (57.100 Euro netto) fällig. Aufgrund des Nettopreises fällt der E-Ducato damit in den reduzierten Fördersatz von 7.500 Euro Elektroauto-Prämie, was die Angelegenheit nur unwesentlich fröhlicher macht – einen neuen Diesel-Ducato bekommt man bereits ab rund 25.000 Euro.

Bei den Sonderausstattungen ist dabei noch viel Luft nach oben. Nicht nur mit den üblichen Verdächtigen (Assistenz-Systeme, Multimedia, Klimaanlage) lassen sich einige Taler investieren, auch bessere Ladefähigkeiten müssen bezahlt werden. Der (sehr empfehlenswerte) Elf-kW Wechselstromlader kostet 1.500, der mit 22 kW bereits 3.000 Euro Aufpreis (jeweils netto). Wer auch einmal mit maximal 50 kW an einer Schnellladesäule tanken möchte, investiert 2.500 Euro on top. Voll durchkonfiguriert inklusive großer Batterie entschwindet der Kastenwagen damit in Richtung 80.000 Euro. Netto.

Umfrage
Ihr Lieblings-Kasten?
18997 Mal abgestimmt
Der Ducato!Der Sprinter!

Fazit

Der neue E-Ducato macht ein bisschen ratlos. Denn einerseits ist es natürlich prima, dass Fiat nun auch einen alternativen Antrieb für Europas meistverkauften Transporter anbietet. Das fährt auch ganz manierlich, wenngleich alles andere als rasch – Beschleunigung und Maximaltempo legen den begrenzten Einsatz im städtischen Umfeld unbedingt nahe, das gilt auch für die überschaubare Reichweite.

Andererseits bleibt ein wenig der Eindruck, dass man es bei den verantwortlichen Fiat-Entscheidern nicht wirklich auf einen durchschlagenden Erfolg des Elektro-Ducato anlegt. Denn der nachträgliche, stellenweise hemdsärmelige Umbau, die verwendete Basis des alten Modells und die atemberaubenden Preise angesichts der allenfalls durchschnittlichen Leistungs- und Reichweitendaten wirken eher wie eine Verkaufsvermeidungs-Strategie.

Die aktuelle Ausgabe
MOOVE 01 / 2024
MOOVE 01 / 2024

Erscheinungsdatum 07.12.2023

Seiten