Ford E-Transit im Fahrbericht
Der beste Elektro-Transporter der Welt?

Ford bringt den neuen E-Transit in zahlreichen Varianten und erfindet dazu ein neues Ökosystem namens Ford Pro für Lade- und Service-Management. Jetzt konnten wir den bis zu 269 PS starken Elektro-Transporter erstmals fahren.

Ford E-Transit 2022 Fahrbericht
Foto: Ford

Während die Wettbewerber reihum längst mit elektrisch angetriebenen Kastenwagen und Transportern auf dem Markt präsent sind, war es bei Ford bislang relativ still zu diesem Thema. Das Abwarten könnte sich allerdings gelohnt haben, denn so hatten die Entwickler auch Zeit, die Konkurrenz zu checken und Lösungen anders zu denken. Herausgekommen ist der neue E-Transit, ein vollelektrischer Transporter in der 3,5-Tonnen-Klasse.

Schon die Leistungsangaben lassen aufhorchen, denn der Elektro-Transit bietet bereits in der Basis 135 kW/184 PS und wahlweise eine Performance-Variante mit 198 kW/269 PS. Beiden E-Maschinen gemeinsam ist das maximale Drehmoment von 430 Nm. Das ist erheblich mehr als der Wettbewerb zu bieten hat. So treten der elektrische Fiat Ducato (hier im Fahrbericht) und seine Stellantis-Derivate mit 90 kW-Maschine an. Die Elektro-Version des Mercedes Sprinter ist mit 85 kW ähnlich schütter motorisiert.

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Stärkster E-Transporter auf dem Markt

Auch bei der Umsetzung geht Ford eigene Wege. Der Hersteller setzt statt der im Wettbewerb üblichen Frontantriebsstruktur, bei welcher quasi der Verbrenner gegen ein Paket aus E-Maschine und Leistungselektronik ersetzt wird, auf ein komplettes, im Heck integriertes Antriebsmodul. Das wird einfach in der Produktion unter den Fahrzeugrahmen verschraubt (Details in der Bildergalerie) und bringt so ganz nebenbei auch noch zwei weitere große Vorteile: Konstruktionsbedingt setzt der Ford E-Transit damit auf Schraubenfedern statt der in dieser Klasse üblichen Blattfedern; außerdem sind die Räder einzeln aufgehängt. Das verspricht schon in der Theorie einen deutlichen Komfort-Vorsprung gegenüber anderen Transportern mit ihren kostengünstigen Starrachsen.

Ford E-Transit 2022 Fahrbericht
Ford
Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern im Antriebsmodul an der Hinterachse, das gibt spürbar besseren Fahrkomfort als bei Standard-Transportern.

Einziges Manko dieser Konstruktionsweise ist der Platzbedarf des Antriebsmoduls, wodurch die Ladekante des Transporters 40 Millimeter höher liegt als beim ebenfalls erhältlichen Verbrenner-Transit mit Hinterradantrieb. Für Kunden, die eine besonders niedrige Ladehöhe benötigen und deshalb üblicherweise zum Fronttriebler greifen, wird es jedoch eine optionale absenkbare Luftfederung für die Hinterachse geben.

Einheitlicher Akku mit 77 kWh

Vor dem Antriebsmodul ist das bei allen Varianten einheitliche, flüssigkeitsgekühlte Batteriepaket verbaut, das mit 77 kWh Kapazität (68 kWh nutzbar) aufwartet – auch dies deutlich jenseits der E-Transporter anderer Hersteller. Nach WLTP soll das für eine elektrische Reichweite von bis zu 317 Kilometern genügen. Der serienmäßige Dreiphasen-Lader für Wechselstrom an Wallbox und Ladesäulen bringt ein akzeptables Ladetempo von acht Stunden für den komplett leergefahrenen Akku auf 100 Prozent. Zwischenladen unterwegs mit Gleichstrom-Schnellladern lässt sich mit 115 kW zwar nicht auf dem Level von Highend-E-Limousinen erledigen, aber auch hier ist das Ladetempo insgesamt praxistauglich (15 auf 80 Prozent in 34 Minuten).

Noch ein Vorsprung des E-Transit: Mit bis zu 1.720 Kilogramm Nutzlast lässt er den Wettbewerb deutlich hinter sich zurück. Das gilt außerdem für die Variantenvielfalt. Während andernorts teilweise nur Kastenwagen mit E-Antrieb angeboten werden, liefert Ford auch Doppelkabiner- und Einzelkabiner-Fahrgestelle, drei verschiedene Radstände und zwei Varianten bei der Dachhöhe für die Kastenwagen. Insgesamt kommt der E-Transit damit auf 25 verschiedene Konfigurationen.

In Sachen Assistenzsysteme ist der neue E-Transit ebenfalls gut aufgestellt. Bereits die Basis-Ausstattung hat unter anderem Fahrspur-, Notbrems-, Seitenwind- und Scheinwerferassistent an Bord. Die höherwertige Trend-Variante ist außerdem unter anderem mit Tempomat, Regensensor, Parkpilot und Spurhalte-Assistent ausgerüstet. Diese Optionen lassen sich im Paket aber auch für den E-Transit Basis bestellen.

Modernes Cockpit, vollständige Sicherheitsassistenten

Selbst im Cockpit haben die Ford-Entwickler so ziemlich alles richtig gemacht. Während in anderen E-Transportern manche Details aussehen wie selbstgebastelt, wirkt hier alles aus einem Guss und passend zum Kennzeichen E. Dazu gehört beispielsweise der Fahrregler, aber auch die Elektro-spezifischen Instrumente, die allerdings nicht volldigital dargestellt werden, sondern nur mit einem zentralen Info-Monitor aufwarten. Besonders überzeugend ist das große Zentral-Display, auf dem sich die speziellen E-Funktionen vom Fahrprogramm über die Standklimatisierung bis zur Ladestation-Suche abrufen lassen.

Ford E-Transit 2022 Fahrbericht
Ford
Der Umgang mit dem großen Kasten ist mühelos, trotz der Größe ist er voll stadttauglich.

Passend zu alldem fällt das Fahren mit dem E-Transit dann auch aus, der sich für ein Nutzfahrzeug dieser Größe ausgesprochen einfach und sicher bewegen lässt. Starten, Drehregler auf Fahrstellung – und es kann losgehen. Die elektrische Feststellbremse löst sich automatisch und der Testwagen, ein L3H3 mit knapp sechs Metern Länge, nimmt mühelos Fahrt auf. Durch die hinten montierte E-Maschine dringt kaum ein Arbeitsgeräusch des Motors bis zum weit entfernten Fahrersitz; die Fahrt läuft bis zum Innerorts-Tempo praktisch geräuschfrei ab. Unter Berücksichtigung des langen Radstands, mit dem sich naturgemäß keine engen Haken schlagen lassen, lässt sich der E-Transit auf der Testfahrt anstandslos und stressfrei durch den dichten Großstadtverkehr Barcelonas dirigieren.

Schon mit der Basis-Maschine sehr zügig

Die gefahrene 135 kW-Variante geht bereits mit ordentlichem Elan zur Sache, wenn von der Ampel abgelegt wird – da lassen sich auch Pkw-Fahrer kurzfristig irritieren. Auf Schnellstraße und Autobahn nimmt der große Kasten ebenfalls rasch Fahrt auf und bringt ein weiteres Detail zur Geltung, das ihn von der Konkurrenz abhebt: Bis zu 130 km/h sind bei den 3,5-Tonnen-Varianten freigegeben, bevor der Begrenzer eingreift. Das genügt auch für längere Fahrten, wenngleich dann die elektrische Reichweite deutlich schneller zur Neige geht.

Die Hinterachs-Konstruktion löst im realen Verkehr ein, was sie von den Daten her verspricht. Im Gegensatz zu Standard-Transportern dieser Klasse ist der von hinten durchgereichte Federungskomfort um Klassen besser als bei den üblichen preiswerten Konstruktionen mit Starrachse und Blattfedern. Sowohl unbeladen als auch mit Last im Kasten ist das alles weit entfernt vom sonst in solchen Fahrzeugen gewohnten Getrampel und Gestoße.

Ford E-Transit: Die Preise

Bliebe noch die unvermeidliche Frage nach dem Preis, denn Sonderangebote sind elektrisch angetriebene Autos ja eher selten. Beim Ford E-Transit gilt in dieser Disziplin ebenfalls, dass das Angebot besser ist als bei anderen Herstellern. Auch hier als Beispiel der Fiat E-Ducato, als Verbrenner Europas meistverkaufter großer Transporter, als Referenz: Hier startet der zum Testwagen vergleichbare L4H2-Ducato mit 90 kW E-Maschine und 47 kWh-Batterie bei 57.100 Euro netto. Bei Ford sind es für den ähnlich großen E-Transit mit 30 kWh mehr Batteriekapazität, 62 PS mehr Leistung, 30 km/h höherer Endgeschwindigkeit und nicht zuletzt besserer Ausstattung 56.454 Euro netto.

Ford E-Transit 2022 Fahrbericht
Ford
Der Preis ist E-Auto-typisch kein Schnäppchen, aber der E-Transit ist gut ausgestattet.

Los geht es beim Ford E-Transit mit dem mittleren Radstand (3,30 Meter, L2) bei 55.845 Euro, die stärkere Maschine mit 198 kW/269 PS kostet 2.125 Euro Aufpreis. Für die höherwertige Trend-Ausstattung sind 2.075 Euro zu investieren. Abzüglich der aktuell noch gültigen deutschen Förderprämie von 7.500 Euro (alle Euro-Angaben netto ohne Mehrwertsteuer) landet der E-Transit damit rund 7.000 Euro oberhalb der heckgetriebenen Dieselvariante mit 170 PS und Schaltgetriebe.

Ford nimmt die Markteinführung des E-Transit, dem in Kürze weitere Elektro-Transporter auch in den kleineren Kategorien folgen werden, außerdem zum Anlass für die Markteinführung von Ford Pro. Mit diesem Angebot sollen die kompletten Dienstleistungen rund um das Fahrzeug, vom Verkauf und Finanzierung über den Werkstattservice, Ladeinfrastruktur bis hin zu Telematikdiensten etwa zur Flottenüberwachung, gebündelt werden. Auch ein mobiler Werkstattservice, mit dem sich laut Ford rund 70 Prozent aller anfallenden Wartungs- und Servicearbeiten zeitsparend beim Kunden vor Ort durchführen lassen, gehören zu diesem Paket.

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Fazit

Mit dem E-Transit lässt Ford den Wettbewerb buchstäblich alt aussehen. Und verdeutlicht, wie groß die Entwicklungssprünge in der E-Mobilität binnen kürzester Zeit sind. Der E-Transit ist komfortabler, variantenreicher und reichweitenstärker als die vergleichbaren Elektro-Transporter anderer Hersteller und hat mit bis zu 269 Elektro-PS auch noch erheblich mehr Leistung. Tatsächlich fällt es, abgesehen vom systembedingt hohen Preis, wirklich schwer, einen Kritikpunkt an diesem Fahrzeug zu finden, das aktuell wohl als der beste Elektro-Transporter auf dem Markt bezeichnet werden darf. Hier muss die Konkurrenz schnell nachziehen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Gleichzeitig ist der neue E-Transit auch für Aufgaben jenseits des Warentransports erstmals eine überdenkenswerte Alternative, Stichwort Freizeitmobile. Mit der elektrischen Reichweite von über 300 Kilometern und der hohen Motorleistung haben sowohl Selbstausbauer als auch die Anbieter fertiger Kastenwagen-Wohnmobile nun eine Möglichkeit, auf die alternative Antriebsart umzusteigen. Mit den bisherigen Angeboten an E-Transportern war dies nur mit großen Kompromissen denkbar.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten