Honda Civic Type R im Fahrbericht
R wie radikal

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Unter den Kompaktsportlern nahm der Civic Type R von Honda schon immer eine Sonderrolle ein. So extrem wie die Neuauflage war er aber noch nie. Wir konnten den radikalen Extremisten fahren.

Honda Civic Type R Fahrbericht
Foto: Honda

Neuer Honda Civic Type R mit Turbo – kein Grund zum Wehklagen

Wir erinnern uns: Vor fünf Jahren schickte Honda den letzten Civic Type R in Rente, ein futuristisch anmutender Kompaktsportler, rundum kräftig bespoilert und mit unzeitgemäßer, aber herrlicher Drehorgel unter der Haube – der Zweiliter-Sauger entwickelte seine Höchstleistung von 201 PS erst bei schwindelerregenden 7.800/min, das maximale Drehmoment von 193 Nm lag erst bei 5.600/min an. Aber diese Zeiten sind vorbei, im neuen Civic Type R schwenkt Honda erstmals auf Turboaufladung um.

Unsere Highlights

Dennoch gibt es für Fans keinen Grund, wehmütig zu werden. Honda ist sich bewusst, was man seiner Type R-Gemeinde schuldig ist und legt nun nicht nur eine Schippe drauf. Gegenüber dem Neuen wirkt der Vorgänger fast schon schüchtern – und das will was heißen. Mit üppigem Heckflügel, riesigem, von zwei Doppelendrohren flankiertem Diffusor, ausgestellten vorderen Kotflügeln und mächtiger Frontschürze scheint er direkt aus der WTCC auf die Straße abzubiegen – fehlt nur noch die Startnummer.

Gang rein und ab

Der extrovertierte Auftritt ist keinesfalls nur Show, schließlich hat sich Honda auf die Fahnen geschrieben, den schnellsten Fronttriebler in der Kompaktklasse auf die Räder zu stellen. Dafür haben die Japaner unter der Haube kräftig aufgerüstet: Der neue Zweiliter-Turbo-Vierzylinder mit Direkteinspritzung und VTEC-Ventilsteuerung gibt stolze 310 PS bei 6.500/min ab und stemmt satte 400 Nm zwischen 2.500 und 4.000/min auf die Kurbelwelle – so viel Power lässt in der Serie sonst keiner ausschließlich auf die Vorderräder los.

Wie praktisch, dass der Civic Type R zum ersten Kennenlernen in der Boxengasse des Slovakiaring in der Nähe von Bratislava parkt. Er empfängt uns mit kräftig ausgeformten Sportsitzen, die den Fahrer ordentlich in die Zange nehmen und so gepolstert sind, dass der Hüftpunkt insgesamt 30 Millimeter tiefer liegt als im konventionellen Civic – eine zu hohe Sitzposition wie im Vorgänger ist hier kein Thema mehr. Tür zu, Gurt anlegen, Startknopf drücken – der Vierzylinder grummelt dumpf. Die rechte Hand schiebt mit dem kurzen Aluknauf den ersten Gang rein und ab.

Brembo-Bremsanlage zeigt sich unbeeindruckt

Der Vierzylinder schiebt gewaltig an und dreht trotz Aufladung locker bis an den roten Bereich bei 7.000/min. Leuchtdioden über dem Digitaltacho fordern zum Griff an den Alu-Schaltknauf auf, eine kurze Bewegung aus dem Handgelenk und der nächste Gang ist drin. Unter optimalen Bedingungen soll der Type R in 5,7 Sekunden von Null auf 100 km/h sprinten und bis auf 270 km/h beschleunigen – dazu muss die Gerade aber lang genug sein.

Hier ist sie das nicht, am Ende der Start-Ziel zeigt der Tacho 215 km/h – höchste Zeit für einen kräftigen Tritt in die Eisen. Die Brembo-Bremsanlage, deren Vierkolben-Sättel auf die vorn gelochten Scheiben (350 Millimeter Durchmesser) hinter den 19-Zöllern beißen, zeigt sich von dieser Prozedur auch nach mehreren Runden unbeeindruckt. Anschließend einlenken, der Type R klinkt sich innen am Kurvenradius ein, und am Scheitelpunkt wieder voll aufs Gas steigen.

Im Honda Civic Type R steht das R für Racing

Zerren am Lenkrad? Kaum zu spüren. Schieben über die Vorderräder bei zu ungestümem Tritt aufs Gas? Kaum vorhanden, der mit adaptiven Dämpfern und mechanischer Differenzialsperre ausgerüstete Fronttriebler kommt mit den rohen Kräften des Turbo-Vierzylinders erstaunlich gut zurecht. Eine Komfort-Stellung für die Dämpfer gibt es allerdings nicht, im neuen Honda Civc Type R steht das R schließlich für Racing.

Statt dessen geht es noch schärfer: Ein Druck auf den roten Knopf links vom Lenkrad, und der Type R wechselt in den +R-Modus. Das heißt: Lenkung strammer, Dämpfung straffer, Motor- Ansprechverhalten  noch schärfer und das ESP hält die Zügel noch lockerer. Zudem wechselt leuchten die Instrumente rot statt weiß und der Bordcomputer blendet zusätzlich Angaben wie etwa Öldruck und –temperatur, Runden- oder Beschleunigungszeiten ein.

Civic Type R ist alltagstauglich

Allerdings spielt sich das wahre Leben auch im Type R nicht nur auf der Rennstrecke ab. Und ja, er ist alltagstauglicher als er auf den ersten Blick aussieht – mit vier Türen (als erster Civic Type R), großem Kofferraum (die Hälfte mehr als ein Golf R), akzeptablem Komfort (außer in +R) und auch auf langen Strecken nicht zu hoher Geräuschkulisse (unterhalb von 4.000/min).

Und der Preis? Los geht’s bei 34.000 Euro, mit GT-Pack inklusive Extras wie etwa den empfehlenswerten Parksensoren vorn und hinten, dem Navigationssystem oder zahlreichen Assistenzsystemen kostet der Type R 36.500 Euro. Ach ja, sparsam kann er auch sein – er braucht 7,3 l/100 km, wenn er wie im NEFZ bewegt wird. Also nicht auf der Rennstrecke.

 

Technische Daten
Honda Civic Type R 2.0
Grundpreis28.290 €
Außenmaße4270 x 1785 x 1445 mm
Kofferraumvolumen456 bis 1352 l
Hubraum / Motor1998 cm³ / 4-Zylinder
Leistung148 kW / 201 PS bei 7800 U/min
Höchstgeschwindigkeit235 km/h
Verbrauch9,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten