Jeep Grand Cherokee Trackhawk Fahrbericht
Dampf. Hammer. Jeep.

Es gibt eine ganze Menge vernünftigere Möglichkeiten, rund 120.000 Euro auszugeben, als für den Jeep Grand Cherokee Trackhawk mit seinem 710-PS-V8. Aber nur ganz wenige, die genauso lustig sind. Ein Fahrbericht vom Ritt auf der Kanonenkugel.

Jeep Grand Cherokee Trackhawk Fahrbericht
Foto: Alberto Alquati

Passiert einem ja öfter: Der Nachbar prahlt mit seinem neuen 911er, in der Scheune stapelt sich das Geld und droht zu verschimmeln, die Familie (mit Hund) will in Urlaub. Aber flott! Für solche Zwecke hat Jeep schon seit 2006 eine passende Antwort im Angebot, den Grand Cherokee SRT. Der hatte bereits bei seinem Debüt nichts mehr mit Gelände im Sinn, dafür aber viel Spaß unter der Haube. Anfangs 426 PS aus dem 6,1er Hemi-V8, heute sind es 468 PS aus 6,4 Liter Hubraum. Stets klassisch frei ansaugende Motoren, die eigentlich nur bei sehr verwöhnten Menschen den Gedanken an Leistungsmangel aufkommen ließen.

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Jeep Grand Cherokee Trackhawk Fahrbericht
Alberto Alquati
Macht Musik: Der Schraubenkompressor singt sein Lied zum Bass des V8

Aber reicht das heute denn wirklich noch, sind weniger als 500 PS tatsächlich genug in einem SUV? Kann man sich derart untermotorisiert überhaupt blicken lassen? Bekanntlich beantworteten gerade in jüngster Zeit einige Sportwagenbauer, die nun auch auf schlechtwegetauglich machen, diese Frage mit einem klaren „Nein“. Und es kam, wie es kommen musste. Da sich in den Weiten des Fiat-Chrysler-Konzerns ein Aggregat findet, das engagierte Tuner bereits in diverse Jeeps gesteckt haben, lag die Lösung ohnehin nahe. Der Hemi 6.2 Supercharged V8-Motor mit fettem Kompressor und noch fetterem Beat machte ursprünglich nur im Dodge Challenger und Dodge Charger Hellcat Musik, bis er auf den Speiseplan der Jeep-Verantwortlichen kam. Und der Trackhawk geboren wurde.

Jeep Grand Cherokee Trackhawk: Extrem

Der Jeep Grand Cherokee Trackhawk ist in jeder Hinsicht extrem. Nicht nur der teuerste, mit 710 PS auch der stärkste Serien-Jeep aller Zeiten, Kompressor sei Dank. Weil allerdings die gelieferten 868 Newtonmeter Drehmoment in kürzester Zeit Müsli aus dem Serien-Antriebsstrang machen würden, ist nicht nur der Motor neu. Verstärkte Automatik, verstärkte Antriebswellen, verstärktes Verteilergetriebe. Adaptives, individuell einstellbares Fahrwerk. Riesen-Bremsanlage von Brembo. Launch Control. Ein in dutzenden Positionen individualisierbares Setup von Lenkung, Getriebe und Motorsteuerung. Das Ganze verpackt in ein spoilerbewehrtes Gehäuse mit Kühllufteinlässen, die in Quadratmetern gemessen werden.

Dennoch zeigt sich der Jeep Grand Cherokee Trackhawk beim ersten Fahrtermin nicht schrill überzeichnet. Die muskulöse Optik passt, trägt nicht zu dick auf. Und beim Einstieg wartet eine opulente Lederlandschaft auf hohem Niveau, samt dezenter „Trackhawk“-Signets im Innenraum verteilt. Der Ausstattungsumfang baut auf dem „normalen“ Jeep Grand Cherokee SRT auf, keine Spur von athletischer Askese. Irgendwoher muss das Leergewicht ja auch kommen. Nun könnte man bei übertriebener Langeweile erst einmal umständlich die persönlichen Präferenzen im Setup einstellen, doch unter uns: Kann man sich sparen. Die „Normal“-Einstellung von Getriebe und Motorsteuerung genügt vollauf für Gänsehaut, das erste Mal stehen die Armhaare bereits unmittelbar nach dem Druck auf den Startknopf in Reih und Glied.

Was folgt, ist gar nicht so sehr blankes Inferno, sondern einfach nur brutaler Druck. Löblicherweise haben die Jeep-Techniker auf eine dieser aktuell so beliebten Klappenauspuffanlagen verzichtet, statt Proleten-Gebrüll schon knapp über Standgas gibt sich der Jeep Grand Cherokee Trackhawk als Gentleman-Rakete. Der tiefe, dumpfe Bass aus den vier armdicken Endrohren lässt keinen Zweifel daran, welche Urgewalt wenige Meter weiter vorne brodelt. Beeindruckend ist vor allem, dass es völlig egal ist, bei welchem Tempo und welcher Drehzahl der Fuß schwer wird. Dieser Motor hat, so fühlt es sich an, keine Leistungs- und Drehmomentkurve, sondern nur einen direkt mit dem Gaspedal verbundenen Attacke-Moment. Jeder Druck mit dem rechten Fuß wird sofort und ansatzlos in massiven Vortrieb umgesetzt. Und da ist es dir tatsächlich einerlei, ob die Gänge jetzt in 250 oder 160 Millisekunden gewechselt werden (das ist der Unterschied zwischen dem Sport- und dem Track-Modus).

Nicht nur geradeaus schnell

Jetzt ist das mit dem schnell geradeaus fahren bei ausreichend Leistung nicht unbedingt Hexenwerk und nur mäßig erfüllend, wenn in der ersten Kurve ein grimmig bewegter Kleinwagen außen vorbeizieht. Aber der Jeep Grand Cherokee Trackhawk kann auch mit engen Serpentinen unbedingt etwas anfangen. Hier kommt dann allerdings tatsächlich der Fahrprogramm-Drehschalter ins Spiel, denn der regelt auch die Kraftverteilung zwischen den beiden Achsen – 30:70 im Track-Modus, 40:60 im Automatikprogramm und 50:50 in der Einstellung „Snow“. Das spürt man an der mehr oder minder deutlichen Tendenz des 2,5-Tonnen-Macho, den Hintern aus der Kurve zu hängen oder lieber in der Totale seitwärts zu drängen. Bis es soweit ist, braucht es auf griffiger Straße allerdings Übermut und vor allem ein per Einstellung entschärftes ESP (eine Restregelung bleibt immer am Ball, das ist vielleicht sogar besser so). Ganz klar jedoch, eine Rennstrecke, wie es der Name des Trackhawk suggeriert, ist keine besonders befriedigende Betätigung. Sondern richtige Arbeit, wie wir bereits bei einem früheren Date auf dem Rundkurs der FCA-Teststrecke im italienischen Balocco erfahren durften. Für messerscharfes Handling ist das Gewicht zu hoch, die Dämpfer (auch im Sportmodus) zu verbindlich und die Lenkung diesen gewissen Tick zu vage.

Das Gute daran ist jedoch die unbedingte Alltagstauglichkeit des Jeep Grand Cherokee Trackhawk, der im Gegensatz zu einem Sportwagen nicht nur abenteuerlich schnell, sondern auch total praktisch ist. Nicht nur des Platzes oder der Anhängelast (drei Tonnen, dafür haben sie extra den Ölvorrat des Hellcat-Motors um 1,2 Liter erhöht) wegen. Auch, weil er bei Bedarf ganz brav ist und sehr komfortabel dahinrollen kann, mit hintergründigem Gegrummel und sanftmütigem Fahrwerk.

Fazit

Für 710 PS in einem SUV muss man nicht lange nach einem vernünftigen Grund suchen. Es gibt keinen. Aber solange es noch kein Gesetz gegen Fahrspaß gibt, hat so etwas eine unbedingte Existenzberechtigung. Zumal der Jeep Grand Cherokee Trackhawk sowohl in Sachen des Alltagskomforts als auch der sehr sportlichen Fahrweise keine Kompromisse verlangt, nur als rennstreckentauglich sollte man ihn nicht missverstehen. Was als Fahreindruck vor allem bleibt: Ein Wagen, bei dem man sich alle zwei Kilometer auf der Autobahn eine rote Ampel wünscht, um neu durchzuladen. Oder einen Tunnel. Oder einen Tunnel mit Ampel. Dem Verband der Tankstellenpächter gefällt das.