Kia Niro EV
So fährt der kompakte Elektro-SUV

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Der neue Kia Niro kommt auch wieder als E-Version. Kann der elektrische Kompakt-SUV auf unserer ersten Testfahrt überzeugen?

Kia Niro EV Elektro-SUV Fahrbericht
Foto: Kia

Als Kia den Niro Anfang 2019 in einer vollelektrischen Variante auf den Markt brachte, war die Elektroauto-Gemeinde in Deutschland einigermaßen aus dem Häusl. Der Kompakt-SUV überzeugte (mit der größeren der beiden verfügbaren Batterien) durch reichlich Gute-Laune-Leistung, praxistaugliche Reichweite und einen attraktiven Preis. Entsprechend stapelten sich bei immer längeren Lieferzeiten die Bestellungen bei den Kia-Händlern.

Etwas mehr als drei Jahre danach hat sich der elektrische Niro als feste Größe im Markt etabliert, doch die Pionier-Rolle des E-Niro ist in einem inzwischen enorm gewachsenen Angebot ein bisschen verblasst. Das soll der nun als Niro EV bezeichnete Nachfolger wieder ein wenig zurechtrücken, wozu nicht nur die neue Baureihen-Plattform mit modernisierter Technik, sondern auch die Beseitigung einiger Kritikpunkte am Vorgänger beitragen soll.

Unsere Highlights

Leistungsdaten bleiben fast gleich

An den Grunddaten der zweiten Generation Elektro-Niro hat sich zunächst einmal nichts Wesentliches geändert. Lediglich die schwächer motorisierte Variante mit kleinerem Akku wird nicht mehr in Deutschland angeboten; die Nachfrage war zu gering. Es bleibt damit beim Antriebsmotor (permanenterregte Synchronmaschine) mit 150 kW/204 PS und dem 64 kWh-Akku. Die neue Batterie legt bei der Kapazität ein wenig zu (64,8 statt bisher 64 kWh) und fällt überdies zehn Kilo leichter aus. Die Antriebsmaschine wurde im maximalen Drehmoment zurückgenommen, was jedoch auf die Fahrleistungen keinen Einfluss hat: Mit 7,8 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h und einer elektronisch begrenzten Höchstgeschwindigkeit von 167 km/h kann der Niro EV nach wie vor recht zügig unterwegs sein. Der Verbrauch soll sich bei verhältnismäßig sparsamen 16,2 kWh/100 km bewegen, die Reichweite hat leicht auf 460 km zugelegt. Im reinen Stadtbetrieb soll der Niro EV sogar bis zu 604 Kilometer ohne Ladestopp packen, was den Wagen auch für Menschen ohne eigenen Ladeanschluss am persönlichen Parkplatz interessant macht.

Zugelegt haben die Abmessungen auf der neuen K3-Plattform (20 Kilogramm leichter als die alte): Die Außenlänge wächst um 65, der Radstand sowie die Außenbreite um je 20 Millimeter. Auf den ersten Blick erkennbar ist das nicht, der gut proportionierte Kia Niro EV reiht sich optisch auch weiterhin nahtlos ins Kompakt-Segment ein und wirkt nicht übertrieben wuchtig. Dabei hat der Niro EV gewichtsmäßig abgespeckt, ist 50 Kilogramm leichter als der bisherige E-Niro.

Interieur orientiert sich am EV6

Völlig neu ist natürlich das Interieur, wo der frühere E-Niro wegen seiner damals bereits drei Jahre alten Verbrenner-Basis für ein modernes Elektroauto ein bisschen spröde daherkam. Mit der neuen Architektur samt integriertem Panorama-Display (Serie ab Vision) zieht der neue Look der Marke ein, wie er im großen EV6 zuerst eingeführt wurde. Prinzipiell ist die Bedienbarkeit des neuen Modells recht gut gelungen, zumal für viele oft genutzte Funktionen weiterhin mechanische Schalter und Regler vorhanden sind. Über das aktuelle Kia-Konzept der kombinierten Steuerung von Klima und Soundanlage mit dem schmalen Digitalfeld in der Mittelkonsole darf man immer noch geteilter Meinung sein. Aus ergonomischer Sicht ist es nicht ganz optimal, weil für viele Funktionen der Blick von der Straße abgewendet werden muss.

Kia Niro EV Elektro-SUV Fahrbericht
Kia
Das Niro-Cockpit nimmt die neue Design-Linie des Kia EV6 auf.

Überzeugender bei der Bedienbarkeit fällt das Multifunktionslenkrad aus, dessen einzelne Bedienfelder schnell erlernt und ohne großes Nachdenken nutzbar sind. Besonderes Lob gilt dabei dem integrierten Fahrmodus-Schalter, der mit einfachem Knopfdruck die Programme Eco, Normal und Sport aufruft. Auch gut: Mit längerem Druck auf den Schalter wird ein spezieller Wintermodus aufgerufen, mit dem das Ansprechverhalten des Niro EV für glatten Untergrund entschärft wird. Eine weitere sehr praxistaugliche Lösung ist die Steuerung der insgesamt vier Rekuperationsstufen über Schaltpaddel; beim Vorgänger musste für maximale Rekuperation noch dauerhaft am entsprechenden Paddel "gezogen" werden. Die vier Stufen, in denen dem Kia Niro EV seine Energierückgewinnung beauftragt werden kann, erlauben vom Segeln auf Langstrecke bis zum stark verzögernden Ein-Pedal-Fahrmodus jede gewünschte Stufe. Auffällig dabei ist außerdem, dass in der höchsten Rekuperationsstufe bis zum Stillstand abgebremst wird, speziell im Stadtverkehr eine hilfreiche Einstellung.

Moderne Cockpit-Technik

Eine mittlerweile bekannte Kia-Eigenheit ist die in manchen Situationen zu eifrige Spurhalte-Assistenz, die speziell auf engen Straßen mit eigenmächtigen Lenkimpulsen überreagiert; dieses Feature lässt sich jedoch recht zügig per Lenkradschalter ausknipsen. Einen guten Eindruck hinterlässt dagegen das klar ablesbare mehrfarbige Head-up-Display, während wie bei vielen anderen Herstellern die Verkehrsschilderkennung noch deutliches Potential nach oben hat. So signalisierte der Kia Niro EV bei der ersten Ausfahrt auch schon mal ein 100-km/h-Limit in einer Tempo 30-Zone und war auch Überland nicht immer treffsicher.

Beim Platzangebot ist der Kia Niro EV aufgrund der für alle Antriebsarten vorgesehenen Plattform nicht von der Üppigkeit reiner Elektrofahrzeuge des Segments geprägt, doch angesichts der Fahrzeugklasse ist der Bewegungsraum sehr gut. Auch auf den Rücksitzen genügt die (gewachsene) Beinfreiheit für Erwachsene völlig – auch ein Verdienst der weniger tief bauenden Rücksitzlehnen der Vordersitze. Diese sind übrigens auch beim Kia Niro EV mit praktischen USB-Steckdosen für die Heckpassagiere bestückt, mit denen man sich auf längeren Fahrten beim Nachwuchs sehr beliebt macht. Lediglich der durch die Batterie bedingte hohe Fahrzeugboden führt auf der Rücksitzbank zu einem spitzen Kniewinkel bei Erwachsenen. Für die Beifahrerseite gibt es optional einen "Premium Relaxion"-Sitz, der sich zum Verschlummern von Ladepausen in eine entspannte Liegeposition schwenken lässt.

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Kia
Cooles Feature für Heckpassagiere: USB-C-Ladesteckdose in den Vordersitzlehnen.

Die Fahrwerksabstimmung des Kia Niro EV fällt etwas straffer und sportlicher aus als bei den Hybrid-Modellen der Baureihe. Was bei lustiger Kurvenfahrt im Hinterland durchaus Freude bereitet, in manchen Situationen aber überengagiert wirkt. Speziell langsam überfahrene Unebenheiten werden recht unsensibel nach innen durchgerumpelt – das können andere besser. Nichts zu bekritteln gibt es dagegen am Temperament des Antriebs, der speziell im Sportmodus für gleichzeitig ungewolltes wie anerkennendes Kopfnicken sorgt, wenn der rechte Fuß ganz unten landet. Durch die Reduzierung des maximalen Drehmoments fällt der beim Vorgänger sehr deutliche Krafteinfluss auf die Lenkung bei starker Beschleunigung nun weitestgehend aus. Auf der Autobahn ist bei Tacho 175 Schluss, bevor der Begrenzer einsetzt. Insgesamt darf man den Kia Niro EV "dynamisch" nennen, ohne rot zu werden.

Der Niro EV lädt serienmäßig schneller

Bei der Beseitigung früherer Kritikpunkte waren die Entwickler und Designer des neuen Niro EV sehr fokussiert. So ist der zuvor aufpreispflichtige und bei einem BEV eigentlich unverzichtbare Dreiphasen-Bordlader nun serienmäßig installiert, was die Ladezeiten an Wechselstrom-Wallboxen deutlich reduziert. Hilfreich ist der nun vorhandene "Frunk" unter der Motorhaube, der mit seinen 20 Litern Volumen geräumig genug für Ladekabel und Pannenset ist. Ebenfalls ein begrüßenswerter Fortschritt: Mit 750 Kilo Anhängelast darf der Niro EV jetzt auch als Zugpferd agieren. Für einen ausgewachsenen Familien-Caravan genügt das zwar nicht, der gelegentliche Freizeit-Einsatz eines Anhängers ist damit aber gesichert.

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Torsten Seibt
Beim "Inspiration" serienmäßig: Über einen Adapter (rechtes Gerät im "Frunk") kann der neue Kia Niro EV auch als Stromquelle für Haushaltsgeräte mit bis zu drei kW Leistung genutzt werden.

Zu guter Letzt ein sehr praktisches Feature im Zeichen der politisch angekündigten Blackout-Gefahr: Über einen Stecker-Adapter kann der Kia Niro EV seinen 64 kWh-Akku als Stromquelle für Haushaltsgeräte zur Verfügung stellen; maximal drei kW Anschlussleistung sind hier möglich. Und wo wir gerade bei der Batterie sind: Diese wird nun navigationsbasiert vorkonditioniert. Beim Ansteuern eines Schnellladers über das Navisystem wird der Akku im Vorfeld auf eine optimale Ladetemperatur gebracht, um möglichst schnell und schonend nachtanken zu können. Maximal 80 kW dürfen im Idealfall am DC-Schnelllader Richtung Akku wandern, eine Lade-Session von zehn auf 80 Prozent soll sich in 45 Minuten abhaken lassen. In der heutigen Zeit keine Spitzenwerte, der Positionierung des Niro EV aber noch angemessen.

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Torsten Seibt
Die Planung von Ladestopps über das bordeigene Navigationssystem ist noch nicht optimal, Besserung aber in Arbeit. Neue Versionen werden "over the air" automatisch eingespielt, ohne zur Vertragswerkstatt zu müssen.

Was noch nicht so richtig optimal ist, aber dafür in Arbeit: Bei der Ladeplanung besteht Nachholbedarf. Zwar lassen sich im Navigationssystem des Kia Niro EV einzelne Ladepunkte manuell heraussuchen und mit ihren Leistungsdaten anzeigen. Eine automatisierte durchgeplante Ladestrategie bis zum Ziel gibt es aber weiterhin nicht. Da bleibt es beim Fahrer, auf längeren Etappen ein Auge auf den Verbrauch und den nächstgelegenen Schnelllader zu behalten. Die ladebasierte Routenplanung soll allerdings zu einem späteren Zeitpunkt als Over-the-air-Update eingespielt werden; in anderen Kia-Elektrikern steht dieses Feature ja auch auf der Vermissten-Liste.

Kia Niro EV: Preis und Lieferzeit

Bliebe noch die Preisfrage. Weil aktuell bekanntlich bei Stromautos die Nachfrage das Angebot recht deutlich übersteigt, bietet Kia den Niro EV bis auf Weiteres nur in einer speziellen Einheitsversion ("Inspiration") an, die auf dem Topmodell Spirit basiert und fast vollständig möbliert ist. Auf der Optionsliste stehen überwiegend zusätzliche Assistenzsysteme und Design-Optionen. Hintergrund dieser Politik ist die schnellstmögliche Lieferfähigkeit durch reduzierten Aufwand in der Produktion, idealerweise noch in diesem Jahr. Was Topmodelle üblicherweise an sich haben, ist eine ebensolche Top-Positionierung beim Preis – da macht der 47.590 teure Niro EV Inspiration keine Ausnahme. Dieser Zuschlag von 200 Euro gegenüber dem ursprünglich für den "Spirit" avisierten Tarif lässt den Niro EV, sicher reiner Zufall (zwinkerzwinker), um genau 8,40 Euro unter der Nettopreisgrenze von 40.000 Euro landen, für die es noch den vollen Fördersatz gibt. Die preislich unterhalb einsortierten Varianten Edition 7 (39.990 Euro vor Förderung) und Vision (43.990 Euro) sind vorerst nicht bestellbar.

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Fazit

Der Kia Niro EV zementiert den guten Ruf des Vorgängermodells als praxis- und alltagstauglicher Stromer für die ganze Familie. Durch die aktuelle Vertriebs-Reduzierung auf das Topmodell steigt allerdings die finanzielle Einstiegsschwelle deutlich an. Die ruppigen Manieren (Antriebseinflüsse) bei hoher Leistungsabforderung wurden dem Niro abgewöhnt, der Federungskomfort speziell bei Langsamfahrt verträgt aber noch Feinschliff. In der Gesamtbetrachtung ist der Kia Niro EV ein gelungenes und als Erst-Auto geeignetes Angebot, das auch Elektro-Skeptiker überzeugen kann. Das maximale Ladetempo bleibt zwar hinter aktuellen Topmodellen (auch von Kia) zurück, das ist angesichts des hauptsächlichen Einsatzgebietes dieser Fahrzeugklasse aber vernachlässigbar. Gut wäre jedoch eine vom Navigationssystem vorgeplante und dynamische Ladestrategie bei längeren Strecken, hier soll es laut Kia in absehbarer Zukunft aber Abhilfe geben.

Technische Daten
Kia e-Niro 64 kWh SpiritKia e-Niro 64 kWh VisionKia e-Niro 64 kWh Edition 7
Grundpreis47.390 €43.390 €39.990 €
Außenmaße4420 x 1825 x 1570 mm4420 x 1825 x 1570 mm4420 x 1825 x 1570 mm
Kofferraumvolumen475 bis 1412 l475 bis 1412 l475 bis 1412 l
Höchstgeschwindigkeit167 km/h167 km/h167 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km