Lotus Evora Sport 410 (2016) im Fahrbericht
Mittelmotorsportwagen schneller auf der Nordschleife

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Lotus adelt den Evora zum Sport 410, stärkt ihn um 10 PS und verschlankt den Mittelmotorsportwagen um 70 Kilo. Das Preisschild steht jetzt auf 108.500 Euro. Rechnet sich das Update?

Lotus Evora Sport 410 - Fahrbericht - Mittelmotor - V6-Kompressor - Sportwagen
Foto: Jarowan Power / Lotus

Mit Lotus geht es aufwärts. Der britische Kleinserienhersteller ist auf dem besten Weg, im aktuellen Finanzjahr einen operativen Gewinn und positiven Cashflow zu erwirtschaften. Das gab es in den letzten 20 Jahren nicht. Einen besonderen Schub verleiht die Markteinführung des Evora 400 in den USA. Seit August bietet Lotus den Mittelmotorsportwagen in den Staaten an. Die Amis scheinen auf den Evora abzufahren. „Es gibt bereits gut 300 Bestellungen. Bis März 2017 ist der Evora 400 in den USA ausverkauft“, berichtet Lotus-Geschäftsführer Jean-Marc Gales.

Lotus Evora Sport 410 - Fahrbericht - Mittelmotor - V6-Kompressor - Sportwagen
Jarowan Power / Lotus
Der Evora Sport 410 soll in 4,2 Sekunden auf Landstraßentempo sprinten.

Lotus Evora Sport 410 mit tieferem Schwerpunkt

Und weil es so gut läuft, setzen die Briten mit dem neuen Lotus Evora Sport 410 noch einen obendrauf. „Er vereint alles aus dem Evora 400, nur konzentrierter.“ Der Sport 410 baut auf demselben Aluminium-Chassis auf, leistet aber zehn PS mehr, weil die Ingenieure den 3,5-Liter-V6-Kompressor aus dem Toyota-Regal anders kalibrierten.

Die 416 PS wie in der Straßenversion des 3-Eleven rechtfertigen aber nicht den Preisaufschlag von 12.500 Euro auf gesamt 108.500 Euro in Deutschland, sondern vielmehr die Abspeckkur, die der Mittelmotorsportwagen auf sich genommen hat. Rund 70 Kilogramm haben ihm die Lotus-Ingenieure abtrainiert, was zugleich den Fahrzeugschwerpunkt um 1,2 Zentimeter senkt. Getreu dem Prinzip: Das Gewicht ist unser natürlicher Feind. Auf der Rennstrecke lässt es sich am besten überprüfen, wie der nun 1.325 Kilogramm schwere Evora 410 beschleunigt, bremst und in Kurven liegt.

Wir sind auf der Lotus-Teststrecke in Hethel, gut 3,5 Kilometer lang und mit 15 abwechslungsreichen Kurven gespickt, und pflügen die Mansell-Gerade herunter. 210 km/h Topspeed – und jetzt voll in die Eisen für die Rechts-Links-Schikane. Die Hinterachse klammert sich am Asphaltband fest, die Vierkolben-Bremsanlage beißt sich vorn in 370er Scheiben, hinten in die 350er. Nur mal so: Der neue Mercedes-AMG E 63 trägt an der Vorderachse Scheiben mit einem Durchmesser von 360 mm, trotz einer halben Tonne mehr Gewicht.

Evora flirtet mit den Kurven

Das Vertrauen ist im Fahrbericht von der ersten Runde an da. Das Bremspedal reagiert sehr feinfühlig, das ABS arbeitet wohl dosiert, der Lotus folgt den Lenkbefehlen und der Ideallinie wie die Katze der Wollschnur. Das macht Laune und fördert den Spieltrieb. Am Scheitelpunkt kann man früh das Gaspedal nach unten drücken, die 410 Nm ausspielen und der nächsten Kurve entgegen hetzen. Das mechanische Sperrdifferenzial optimiert die Traktion, die Sportreifen haften wie auf die Straße geklebt. Und sollte das Heck mal ausbrechen, so hilft das ESP, um es wieder einzufangen.

Zusammengefasst: Im normalen Fahrmodus kreiselt der Lotus Evora Sport 410 erst um die eigene Achse, wenn man es wirklich übertreibt. Anders in den Fahrstufen „Sport“ und „Race“. Das Gaspedal kommuniziert jetzt noch direkter mit dem V6-Kompressor. Das Ansprechverhalten rückt noch mehr in Richtung eines Saugmotors. Gleichzeitig gewährt die Elektronik den Hinterrädern mehr Schlupf und lockert die ESP-Leinen. „Race“ erlaubt die größten Driftwinkel. Es ist Vorsicht geboten in den schnellen S-Kurven – benannt nach Graham Hill und Ayrton Senna. Du musst den Evora immer schön auf Zug fahren. Dann flirtet er mit den schnellen Richtungswechseln wie mit einer schönen Frau.

Aber wehe du agierst falsch, gehst abrupt vom Gas, weil du meinst, zu schnell zu sein – dann lastwechselt das Gewicht, die Hinterachse wird leicht und aus dem Flirt wird eher ein Rodeo-Ritt. Dann schwitzen Rennstrecken-Anfänger, die sich zum ersten Mal mit Mittelmotor-typischem Fahrverhalten herumschlagen. Aber wenn du seinen Nerv in „Sport“ und „Race“ triffst, tanzt der Evora Sport 410 um die Kurven, dass es eine wahre Freude ist. Und er ist schnell: „Wir schätzen, dass die Rundenzeit auf der Nordschleife um 12 Sekunden fallen wird“, sagt Lotus-Boss Gales. Zur Erinnerung: Im Supertest 3/2016 schaffte der Evora 400 eine Zeit von 7.59 Minuten auf dem Nürburgring.

Besonders die haftfreudigeren Michelin Pilot Sport Cup 2 beflügeln ihn. Der 400er trägt mit dem Michelin Pilot Super Sport keinen Sportreifen. Die Seitenneigung, die wir dem Evora im Supertest vorgeworfen hatten, ist im neuen Sportwagen praktisch ausradiert. „Das Auto liegt fünf Millimeter tiefer, deshalb fühlt sich die Federung straffer an. Bei den Dämpfern haben wir vorn die Zugstufe um 25 Prozent angezogen, hinten die Druckstufe um 20 Prozent“, erklärt Gales. „Wir haben uns die Kritik zu Herzen genommen und den Evora 410 mit speziellem Blick auf Deutschland entwickelt. Unser Ziel ist es, von rund 800 Evora im nächsten Jahr gut zehn Prozent vom neuen Modell in Deutschland zu verkaufen.“ Den Imagespurt auf 100 km/h soll der Evora Sport 410 handgeschaltet in 4,2 Sekunden meistern (Automatik: 4,1 Sekunden).

So hat der Lotus Evora Sport 410 abgespeckt

Die Liste der purzelnden Pfunde ist lang: Lotus-Rennsitze (-18 kg), einteilige Heckflosse (-12 kg), Lithium-Ion-Batterie (-11,3 kg), leichtere Aluminium-Schmiederäder (-7,2 kg), weniger Dämmmaterial (-5,5 kg), neue Karbonlippe und Karbon-Teile für die Fahrzeugfront (-2,5 kg), neue Karbon-Dachverkleidung (-2 kg), andere Türverkleidung (-2 kg). Und weitere Maßnahmen. Mit einem Titanauspuff für 7.000 Euro lassen sich nochmals 10 Kilogramm einsparen. Ansonsten ist der Sportler schon in der Basis gut ausgestattet. Auf eine Klimaanlage (+ 8,5 kg) verzichtet man in so einem Auto gern. Und auf das Automatik-Getriebe (+11 kg) wohl auch. „Wir erwarten, dass es 10 bis 15 Prozent der Kunden bestellen. Beim normalen Evora sind es um die 45 Prozent“, referiert Lotus-Chef Gales.

Ein Porsche 911 Carrera S kostet über 110.000 Euro, ein Audi TT RS liegt gut 40.000 Euro unter dem Evora Sport 410 – was spricht da überhaupt für den Kauf? Das ungefilterte Fahrgefühl, würden die einen sagen. Der Exoten-Status die anderen. Die Qualität der Verarbeitung spricht sicher nicht mehr gegen Lotus. Den Evora 410 schmückt feines Alcantara. Sehr cool: Beim Blick in den Innenspiegel sieht man, wie sich ein kleiner Aluminiumfinger an einem Seil auf und ab bewegt – es ist die Mechanik für das Wastegate-Ventil.

Lotus Evora Sport 410 - Fahrbericht - Mittelmotor - V6-Kompressor - Sportwagen
Jarowan Power / Lotus
3,5-Liter-V6-Kompressor mit 416 PS und 410 Nm.

Die Ergonomie stimmt größtenteils. Einzig die Hebel für Blinker und Scheibenwischer dürften ein bisschen leichter für die Finger erreichbar sein. Dafür entschädigt die Lenkung. Du merkst es besonders auf den wettergeschundenen britischen Landstraßen. Das Gefühl der hydraulischen Lenkung ist so ehrlich, da müsste man manche elektromechanisch gesteuerten Pendants fast als Lügner verunglimpfen. Die Fahrbahnunebenheiten drängen durch das Leder-/Alcantara am Lenkrad aus geschmiedetem Magnesium so durch, als ob man mit den Fingerspitzen selbst über den Boden streicheln würde. Bodenwellen steckt das Chassis weg, dagegen dämpft die dünne Alcantara-Schicht auf dem Carbon-Sitz keine Schläge ab. Aber mal ehrlich: So muss es in solch einem Sportwagen doch sein. In der Schaltung ruckelt es nicht, selbst wenn man das erste mal mit links durch die Gänge zappt.

Im dichten englischen Verkehr schwimmt der Evora sogar leise mit, wenn man die Klappen im Auspuff verschlossen hält. Per Knopfdruck auf dem Armaturenbrett grollt der V6 und klingt dann richtig kernig. Chapeau, Lotus, für einen echt coolen Sportwagen!

Technische Daten
Lotus Evora Sports 410 GT410 SPORT
Grundpreis111.000 €
Außenmaße4394 x 1972 x 1218 mm
Kofferraumvolumen160 l
Hubraum / Motor3456 cm³ / 6-Zylinder
Leistung305 kW / 416 PS bei 7000 U/min
Höchstgeschwindigkeit298 km/h
Verbrauch9,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten