Die Mazda MX-5 Erfolgsstory
Der Road-Star

Der Wind flüstert dir süßen Unfug ins Ohr: wie großartig du heute ausschaust und fährst. Liegt alles nur am Mazda MX-5, dem kleinen Roadster, mit dem wir seit 30 Jahren ins größte Vergnügen kurven. Vom Winde verehrt – die MX-5-Erfolgsstory.

Mazda MX-5
Foto: Zouplna Libor

Der Geschmack des Frühlingswinds. Das Knistern der Sommerhitze. Die Stille der Herbstnacht. Das Nadelsticheln der Winterkälte. Der Weg, der sich nie darum kümmern muss, zu einem Ziel zu führen. Das Versprechen auf Erlebnis. All das kommt zurück, 1989 an einem schneegraupeligen Februarfreitag in Detroit. Da steht der Mazda MX-5 auf der Motor Show, womit keinesfalls zu rechnen war. Schließlich entwickelt damals keiner mehr so was – einen erstaunlich aufwendigen, aber puristischen, erschwinglichen Roadster.

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Das Roadstertum als solches hatte sich eigentlich erledigt – auch dadurch, dass es über Jahre nur der britischen und italienischen Automobilindustrie überlassen blieb. Die waren beide in den 1980ern so missmutig damit beschäftigt, sich zu ruinieren, dass keine Kapazität blieb für ein mutiges Auto, das Begeisterungsstürme entfachen könnte.

Mazda MX-5, NA, Exterieur
Arturo Rivas
Das Design nimmt sich deutlich den Lotus Elan zum Vorbild: flache Front, Klappscheinwerfer und ein kleines Zeltdach, das sich vom Fahrersitz aus nach hinten wegstreifen lässt.

Wenn es stimmt, dass nichts erfolgreicher macht als Erfolg, dann kann auch nichts so sehr begeistern wie etwas, das in Begeisterung entstand. Schon den ersten Mazda MX-5 entwickelt ein verschworenes Ingenieursteam – ohne sich selbst gleich zu enge Grenzen zu setzen. Im Gegenteil: Wir wollen Längsmotor-Hinterradantriebs-Layout, aber in der Firma gibt es da keinen richtig passenden Unterbau? Entwickeln wir eben einen. Damit der 1,6-Liter-Vierzylinder längs auf der Vorderachse sitzen kann, hinter der die Fünfgangbox andockt. Sein Gehäuse drängt sich ein wenig in den Beifahrerfußraum? Dafür ist die Gewichtsbalance optimal. Kardanwelle dran zum Hinterachsdifferenzial. Nun den Antriebsstrang mit einem massiv verstrebten Tunnel verstärken. Der fördert auch die Verwindungsfestigkeit der selbsttragenden Karosserie, deren Design sich deutlich den Lotus Elan zum Vorbild nimmt: flache Front, Klappscheinwerfer und ein kleines Zeltdach, das sich vom Fahrersitz aus nach hinten wegstreifen lässt. Wobei: All diese Zeilen voller Erklärung sind völlig unnötig, denn als du damals den Mazda MX-5 zum ersten Mal siehst, weißt du sofort, dass er dich nicht mehr loslassen wird. Wie ein Song, der dich immer wieder zurückbringt in den großen Sommer deiner Jugend, als du dich aufmachtest ins Leben und es mit all seinen Möglichkeiten nur auf dich zu warten schien.

Sturm? Der Begeisterung!

Die wahren Geheimnisse des Lebens, wusste der große Oscar Wilde, liegen nicht im Verborgenen, sondern im Offensichtlichen. Und du siehst ja alles: das schmale Cockpitseparee mit Sportsitzen und stummeligem Schalthebel, die steile Scheibe. Doch ahnst du nicht, wie sehr dich der Mazda MX-5 gleich mitreißen wird. Und fordern.

Roadsterfahren ist wie Joggen. Du musst es trainieren. Sonst raubt es dir den Atem, weil alles auf dich einstürmt: der Wind, die Kälte, die Kurven – alles im selben Moment. Darin liegt das Geheimnis des MX-5: dass er nichts von all dem wegfiltert, was du sehen, spüren, erfahren kannst. Es gibt kein Nebenbei beim Mazda MX-5, kein Dahingondeln oder Umhergekurve – der Roadster verpasst nie eine Chance, selbst einen Kreisverkehr im Industriegebiet zu einem Fest der Richtungsänderung zu zelebrieren. Er macht seinen Fahrer empfindsamer für die Verheißungen der Straße und für Kleinigkeiten. Etwa die, dass der Wind in anderen Turbulenzen ins Cockpit weht, wenn die Klappscheinwerfer aufgereckt sind. Der Mazda MX-5 gibt uns Gefühl und Fühlen zurück.

Beides ist vor seinem Start verloren oder unbezahlbar. 35 000 Mark kostet der 115 PS starke Roadster, als er 1990 zu uns kommt. Da Legenden ja nicht unbedingt wahr, sondern vor allem beeindruckend sein müssen, beschwören wir noch einmal jene, wonach alle fürs erste Jahr für Deutschland eingeplanten MX-5 nach drei Tagen verkauft sind. Mazda selbst rechnete zu Beginn mit 5000 Autos pro Jahr – weltweit. Es sollten im ersten Jahr 28-mal mehr werden: 140 918, und noch lange nicht genug.

Mazda MX-5, NA, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Mazda selbst rechnete zu Beginn mit 5.000 Autos pro Jahr – weltweit. Es sollten im ersten Jahr 28-mal mehr werden: 140.918, und noch lange nicht genug.

Der ersten Generation des Mazda MX-5 wird ja gern vorgeworfen, sie sei eine Kopie britischer Roadster. Stimmt, die stellen das Leitbild für dieses Auto. Aber Mazda führt diese Idee in die Moderne ohne die früheren Nachteile, deren Mannigfaltigkeit Traditionalisten gern verklären. Doch selbst sie werden es womöglich schätzen, wenn es nicht durchs Dach regnet. Auch wegen seiner enormen Zuverlässigkeit entwickelt sich der MX-5 schnell zu einem Original und Vorbild für andere Roadster. Doch entweder verebbt deren Begeisterungspotenzial nach ein, zwei Generationen oder sie sortieren sich zwei Preisklassen höher ein. Der Mazda dagegen wird entwickelt, bleibt immer aktuell, erreichbar und prinzipientreu.

Es gibt leichtere Erben anzutreten als das des NA. Als der Mazda MX-5 im Jahr 1998 in die zweite Generation geht, ist er etwas größer, bequemer, hat keine Klappscheinwerfer mehr, aber eine beheizbare Glasheckscheibe und umfassendere Sicherheitsvorkehrungen. Rund 80 Kilo Mehrgewicht bringt das – auch weil der NB den Anspruch hält, als Erst- und Einzigauto zu funktionieren. Das Handling lässt sich davon nicht beeindrucken. In der zweiten Generation fährt der MX-5 weiter so ansatzlos mitreißend, wie es nur ein MX-5 kann. Optional gibt es wieder eine Vierstufenautomatik im Angebot – an Entbehrlichkeit schwer zu übertreffen. Denn das Klickediklacken der Schaltgetriebe kann ein Grund sein, dieses Auto zu kaufen – ein sehr guter zudem.

Hard, aber herzlich

Die dritte Generation, der NC von 2005, legt weiter nach bei Komfort und Sicherheit, bleibt dennoch leichter als die meisten Rivalen. Das Hardtop klappt nun mit der Außenseite nach oben, braucht daher keine Persenning mehr, so geht das Abtakeln noch schneller. Schnallen viele MX-5-Ganzjahresfahrer zum Winter bis dahin das optionale Hardtop aufs Auto, bietet Mazda den Roadster zum ersten Mal mit Kunststoffklappdach an. Dabei gelingt es den Technikern, ein zweiteiliges Klapptop zu entwickeln, das zusammengelegt nicht mehr Platz braucht als das Stoffdach.

Mazda MX-5, NC, Exterieur
Achim Hartmann
Der Stoff, aus dem Kunst ist – 2005 startet der NC, und zum ersten Mal bedacht sich der Roadster nicht nur mit einem Stoffverdeck.

Der große Motor erstarkt von 146 auf 160 PS, ein Sperrdifferenzial hilft beim Drang, aus Kurven hinauszustürmen. Doch noch immer genügt eigentlich der Basisvierzylinder, jetzt mit 1,8 Litern Hubraum und 126 PS. Wie schon bei den Modellen zuvor intensiviert mehr Leistung das Tempo deutlich mehr als das Erlebnis. Denn der Mazda MX-5 versteht es noch nach 25 Jahren im Geschäft, das Wenige so zu inszenieren, dass es sich nie nach Verzicht, immer als Erleichterung anfühlt. Damit hat er sich eine Ausnahmestellung geschaffen, die er wahrt. Während viele Rivalen schon in der Erinnerung verblasst sind, bleibt der MX-5 bei uns – und sich.

Nur einen Moment, bitte

Als es erneut Zeit für einen nächsten Mazda MX-5 wird, kommt das Entwicklerteam wieder zusammen: 302 Damen und Herren. Jede und jeder von ihnen schreibt in eine Kladde, wie sie zum Projekt und dem Erfolg des Wagens beitragen wollen. Zudem geben sie dem Wagen einen Auftrag mit, den wir hier nicht im Wortlaut wiedergeben können. Sinngemäß aber stimmt er mit der Grundregel überein, die Billy Wilder, Regisseur von "Manche mögen’s heiß", für all seine Filme hatte: Du sollst nicht langweilen.

Mit dem ND gelingt Mazda 2015 der grandioseste aller MX-5: modern, sparsam, vernetzt, sicher – wie man sich das heute von einem Auto erwartet. Aber er ist kürzer als der NA, 100 Kilo leichter als der NC und überragt alle Vorgänger beim Handling. Er wird charakterisiert von der grandiosen Lenkung – sie ist so präzise, direkt, homogen und "seismograft"ihre Rückmeldung in die Fahrerhände. Auf Lastwechsel drängt der Mazda MX-5 harmlos mit dem Heck, lässt sich ganz leicht mit einem kleinen Gegenlenkreflex wieder einfangen (wenn nicht, klärt das ESP unauffällig). Dabei lässt er dem Piloten allen Ruhm, der kann sich so als tollkühner Held der dynamischen Kraftfahrt fühlen.

Wenn wir einen Sportwagen als ein Auto verstehen, das uns immer mitten ins Fahren, in den Moment zieht, dann, ja dann, ist der Mazda ein vollkommener Sportwagen. Draußen schließlich, auf den Straßen, auf denen der Wind nach Frühling schmeckt, wird klar, dass der Mazda MX-5 die Herzen gar nicht anders erobern konnte als – genau – im Sturm.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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