McLaren 675LT Spider Fahrbericht (2016)
Mit 675 PS offen zum Brötchen holen

McLaren erhöht die Anzahl der Variationen seines Themas V8-Biturbo-Sportwagen und limitiert die Stückzahl. Jüngste Spielart: 500 Exemplare des 675LT in offen. Eines haben wir unter widrigen Bedingungen in Schottland ausprobiert.

McLaren 675LT Spider
Foto: McLaren

Während in Deutschland die Sonne scheint, gibt es in Schottland Schneeregen. Die Straßen sind überflutet und die Seen wirken unter dem schlachtschiffgrauen Himmel deprimierend. Farblicher und akustischer Tupfer ist unser McLaren 675LT Spider – wir sind also bei starkem Regen mit einem heckgetriebenen 675-PS-Cabrio unterwegs.

Bei flüchtigem Hinsehen sieht der 675LT Spider danach aus, dass McLaren mit dem immer gleichen Modell unter einer anderen Bezeichnung Geld verdient. Der genauere Blick offenbart die Fugen für das Klappdach und die unterbrochene Glasabdeckung für den V8, die der des Lamborghini Aventador ähnelt. Der Regen verdampft mit leisem Zischen auf dem heißen Motor und den Krümmern. Diese münden in einer Titan-Endrohranlage, die recht weit oben aus dem Heck des 675LT Spider ragt. Wer mit einem flachen Sportwagen, etwa einem McLaren, hinter einem 675LT fährt, dem schauen die beiden großen Endrohre ins Gesicht.

Unsere Highlights

In Sachen Titan geben die McLaren-Ingenieure eine Liebeserklärung ab: "Wir lieben Titan, weil es so leicht ist." Allerdings hat McLaren eine gewinnträchtige "Special Operations"-Abteilung, die auf Kundenwunsch den Gewichtseinsparungen wieder entgegenwirkt und die Endrohre beispielsweise mit Gold überzieht. Vielleicht muss es so was bei limitierten Stückzahlen geben.

McLaren 675LT Spider
McLaren
Offen und bis zu 326 km/h schnell: Der McLaren 675LT Spider.

McLaren 675LT Spider: Limitierung macht attraktiv

Tür nach oben schwingen, unter Tür und Lenkrad in die dünn gepolsterte und mit Alcantara überzogene Karbon-Sitzschale gleiten und schon fällt uns die links unten im Türrahmen angebrachte Metallplakette auf: "McLaren 675LT Spider, Surrey, England, Limited to 500 Cars." Die Coupé-Version war ebenfalls auf 500 Exemplare limitiert und vom P1 haben die Engländer nur 375 Exemplare aufgelegt. Ein Rezept, das funktioniert: P1 und 675LT Coupé waren genauso schnell ausverkauft, wie es jetzt das 675LT Cabrio ist – 2,5 Wochen nach Bekanntgabe des Modells und somit noch deutlich vor dem Produktionsstart. Ein Preis von 340.725 Euro pro Cabrio schreckt die Kundschaft nicht ab, weil die stückzahlmäßig limitierten McLaren-Produkte anders als normale Neuwagen nach dem Kauf im Wert steigen. Und für McLaren Kunden ist Frage auch nicht, ob man 675 PS in einem Cabrio braucht. Beim immerhin 916 PS starken P1 war die am häufigsten gestellte Frage laut Hersteller stattdessen: "Geht in Sachen Leistung nicht noch mehr?"

Der Innenraum des 675LT Spider ist beinahe komplett mit Alcantara ausgeschlagen. Nur das Plastik um den Fuß des Innenspiegels herum wirkt für einen Wagen dieser Preisklasse etwas zu preiswert. Der dicke Kranz des kleinen Lenkrads fasst sich gut an und der sparsame Einsatz von Knöpfen sowie die schmale Mittelkonsole mit dem hochkant stehenden Navi-Bildschirm wirken stylisch. Super: Die Navikarte ist mit ihrer extrem einfachen Darstellung sehr übersichtlich. Die Rennschalen sitzen wie angegossen und halten Beine sowie den Rücken spielfrei in Position. Die Übersichtlichkeit bei geschlossenem Dach geht in Ordnung, wird nur ab und zu eingeschränkt, wenn sich die Luftbremse ins Sichtfeld des Innenspiegels klappt. Der Heckspoiler schnellt beim plötzlichen Abbremsen nämlich genauso hoch wie nach Knopfdruck in der Mittelkonsole. Einen spürbaren Einfluss des optisch dramatisch wirkenden Luftbremsen-Einsatzes können wir im normalen Straßenverkehr nicht feststellen.

McLaren-675LT-Dach schafft nur 30 km/h

Das Dach des Renners lässt sich bei Geschwindigkeiten bis zu 30 km/h elektrisch öffnen und schließen. Sind wir schneller unterwegs, piept das System vorwurfsvoll und weist im Armaturenbrett-Bildschirm darauf hin, dass wir langsamer fahren müssen. Porsche ist da beispielsweise bei seinem 911 Turbo Cabrio entspannter: Offiziell öffnet und schließt sich das Verdeck bei Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h, in der Realität sind oft 60 km/h oder mehr drin.

McLaren 675LT Spider
McLaren
Das Fahrwerk des 675LT Spider klebt sich beruhigend in jede Bodenwelle.

Schön: Die Heckscheibe kann dem geneigten Akustik-Genießer als große Klappensteuerung dienen, schließlich lässt sie sich separat runterfahren. Dann bullert der Sound des nur wenige Zentimeter hinter unseren Ohren sitzenden 3,8-Liter-Achtzylinder-Biturbos vollkommen ungefiltert in den Innenraum, auch wenn der Regen ein Öffnen des Daches zu einer unangenehmen Option macht. Als der Niederschlag kurzzeitig Pause macht, fahren wir offen. Bei hochgefahrenen Scheiben spüren wir kaum einen Luftzug im nun hellen Innenraum und selbst bei komplett versenkten Scheiben hält sich der Zug in Grenzen. Im 675LT Cabrio kann man ohne Fröstelgefahr prima lange offen fahren, auch wenn rechts und links auf den Wiesen die Pferde und Lämmer Kutten gegen die nasse Kälte tragen.

McLaren 675LT Spider: Auch für die harte Piste

Schottische Straßen sind fraglos idyllisch, aber sie sind nicht gut. Bei Regen entstehen kleine Seen, auf die, ganz britischer Humor, nach der Wasserdurchfahrt mit dem Schild "Flood" hingewiesen wird. Zudem warten tiefe Schlaglöcher auf unsere 20-speichigen Magnesium-Räder. Der McLaren kommt damit prima zurecht. Selbst üble Asphaltkuhlen schütteln uns nur ein wenig durch. Ansonsten klebt sich das Fahrwerk beruhigend in jede Bodenwelle. Sofort merken wir, wie steif der Wagen ist – und das, obwohl die McLaren-Ingenieure betonen, dass sie ursprünglich ausschließlich eine Coupé-Version bauen wollten. Die Lenkung, direkter übersetzt als im P1, funktioniert präzise, aber die Feinfühligkeit einer Porsche-Lenkung erreicht sie nicht. Zwei Drehknöpfe in der Mittelkonsole helfen hier weiter. Dort lassen sich Handling und Antrieb unabhängig voneinander zwischen den Modi "normal", "Sport" und "Track" verstellen. "Track empfehlen wir nicht für den normalen Straßenverkehr", sagt uns ein McLaren-Ingenieur. Die Drehung des Handling-Knopfes auf "Sport" bringt etwas mehr Widerstand in die Lenkung. Insgesamt wirkt der 675LT bisher ausgesucht handzahm, von jedem locker im Alltag zu beherrschen.

McLaren 675LT Spider
Stefan Fritschi
Ungemütliches Wetter und trotzdem viel Fahrspaß mit dem Supersportler: Redakteur Gregor Hebermehl hat der McLaren 675LT Spider überzeugt.

Wir treten das Gaspedal im engen Fußraum auf glitschigem Geläuf voll durch. Im Heck gluckst und rappelt es kurz, dann schnellt der Drehzahlmesser über die 5.000er-Markierung und wir können kaum unsere Köpfe von den Kopfstützen nach vorne drücken. Der Mc geht ab, wie vom Hammer getroffen. Wütend brüllt der sonst ruhig vor sich hin grummelnde Motor seine 675 PS durch die Titan-Endrohre. Der Lieferwagenfahrer auf der Gegenspur animiert uns zum nächsten Gasstoß, indem er sich aus dem Fenster lehnt und seine Hand ans Ohr hält. Steht der Antriebsdrehknopf auf "Sport", geht alles noch wahnwitziger – bis das Heck kurz schwänzelt.

Aber der 1.270 kg leichte Wagen mit einer Gewichtsverteilung von 42,5 zu 57,5 Prozent zwischen vorne und hinten lässt sich auch extrem leicht abfangen. Die Bremsen packen gut zu, ohne zu giftig zu wirken, die besagte Luftbremse wedelt sich munter ins Rückspiegel-Sichtfeld.

In 2,9 Sekunden bläst der 675LT Spider auf Tempo 100, in 8,1 Sekunden sind 200 km/h erreicht, maximal sind 326 km/h drin – auch offen. Den Durchschnittsverbrauch gibt McLaren mit im Schnitt 11,7 Liter pro 100 Kilometer an. Alles Werte, die aus Kundensicht anscheinend, wie oben bereits angedeutet, hinter einer Zahl zurückstehen: 500. Es werden eben nur 500 Exemplare gebaut.

Fazit

Der neue McLaren 675LT Spider ist eine offene Sportskanone, zu der jeder Fahrer sofort Vertrauen fasst. Im Alltag kann man mit ihm sorglos zum Brötchenholen fahren und auf der Rennstrecke ambitioniert die Sau rauslassen.

Den Kunden gefällt's: 2015 haben die Engländer 1.652 Autos verkauft. Das ist wenig, aber mit ihren limitierten Stückzahlen machen die Briten die begüterte Kundschaft heiß, weil für die vor allem eines zählt: Exklusivität.

Technische Daten
McLaren 675LT Spider
Grundpreis340.725 €
Hubraum / Motor3799 cm³ / 8-Zylinder
Leistung496 kW / 675 PS bei 7100 U/min
Höchstgeschwindigkeit326 km/h
Verbrauch11,7 l/100 km