Mercedes-EQG-Prototyp
Elektrische G-Klasse macht die Panzerwende

Elektrisch durch schwerstes Gelände? Laut Mercedes kein Problem, weswegen sich der EQG-Prototyp mit seinen vier Motoren dem G-Experience-Center in Graz stellen muss, um zu beweisen, dass er aus dem gleichen Holz geschnitzt ist, wie seine Verbrenner-Brüder.

Was gibt es an diesem Wagen zu verbergen? Was bitte sollte sich sonst unter der Tarnfolie befinden, die sich so kantig und unverkennbar kastig über den Prototypen legt? Der Kühlergrill verschließt sich etwas, hier und da versuchen kleine Luftleitelemente, die Aerodynamik ein winziges Stück von ihrer Gebirgsmassivität zu befreien, aber in seiner Form bleibt der EQG ganz G-Klasse.

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Auch sonst fühlt sich vieles bekannt an. Die Türen schließen mit dem charakteristischen, humorlosem "Klonk". Die Zentralverriegelung klingt, als bewege sie Schließbolzen aus alten Hypo-Real-Estate-Beständen. Für das Einsteigen ist weiterhin eine Mitgliedschaft im Deutschen Alpenverein kein Fehler, und die massive Haptik sowie das erhabene, dank großer Fenster lichtdurchflossene Raumgefühl ist das, was man von der G-Klasse kennt und mit Fug und Recht erwartet.

600 E-PS dürften hier anliegen

Das geht sogar so weit, dass selbst der Leiterrahmen bleiben durfte. Der Akku von noch unbekannter Größe wird in den Rahmen integriert, der zudem eine starre Hinterachse mit Panhardstab und eine Einzelradaufhängung vorn trägt. Vier Elektromotoren kommen zum Einsatz, einer an jedem Rad. Sie sollen maximale Flexibilität und Traktion im Gelände sicherstellen.

Jetzt aber: Chefingenieur Fabian Schossau bittet auf den Beifahrersitz, bei den Prototypen ein Jahr vor Produktionsstart laufe noch nicht alles rund. Akzeptiert. Zur Begrüßung schaltet Schossau erstmal in den Sport-Modus und schießt die asphaltierte Bahn des G-Experience-Centers hinunter. Leistung? Will man noch nicht verraten aber gemessen an der Magenfläue und dem vermutlich immensen Gewicht dürften hier locker 600 Elektro-Pferdchen anliegen. In der Kreisbahn zeigen dann die vier Motoren ihre kraftverteilenden Talente: Statt müde von der Linie zu humpeln stabilisieren die hinteren Maschinen durch ihren Leistungseinsatz. Einen brauchbaren Fahrkomfort gab es ja schon seit der 2018er-Neuauflage, mit der die vordere Starrachse in Rente ging.

Jetzt ruft das Gelände. Bis zu 35 Grad Neigungswinkel sind problemlos möglich. Dank Offroad-Monitor und Kameras hat man Federwege, Neigung und uneinsehbare Abfahrten immer im Blick. Vor der schotterigen Auffahrt mit rund 45 Prozent Steigung und Verschränkungen, wechselt Schossau in "Low Range".

Untersetzung zur Schonung

Auch der elektrische G erhält eine Untersetzung. Nicht aus Drehmomentmangel, sondern um die Motoren bei hoher Last und niedriger Drehzahl vor dem Hitzetod zu bewahren. Gleichzeitig können so im Gelände mithilfe der Rekuperation hohe Verzögerungsmomente generiert werden, um – wie die Motorbremse des Verbrenners – die hydraulische Bremse zu entlasten. "Wir sind jetzt im Creeper-Mode", erklärt Schossau. Der Felsmodus in Kombination mit der Untersetzung aktiviert einen Kriechgang, der den G automatisch – ohne Einsatz am Strompedal – und sicher die Steigung hochschiebt. Ein hilfreiches Feature für Gelände-Neulinge. "Das kann man aber natürlich auch ausschalten."

Auf dem sogenannten Schöckl-Trail des Offroad-Parks muss der EQG nun an die Grenzen gehen. Hier reihen sich Felsen in maximal asymmetrischer Reihenfolge aneinander. Schossau wählt bewusst eine mutige Linie: Und Rumms, schon setzt der EQG lautstark mittig auf. Damit der Akku keinen Schaden nimmt, schützt ihn eine dicke Faserverbundstoffplatte, die für solche extremen Belastungen ausgelegt ist. Zusätzlich muss das Akkupaket hohe Anforderungen hinsichtlich Dichtigkeit und Torsionssteifigkeit erfüllen, damit die G-typische Wattiefe erreicht wird und der harte Geländeeinsatz der Batterie nicht ein feuriges Ende bereitet. Apropos feurig: Als einzigartiges Feature bekommt der EQG den "G-Turn": Aktiviert über eine Taste an der Mittelkonsole, laufen die rechten und linken Motoren gegenläufig und ermöglichen, den EQG auf losem Untergrund wie einen Panzer auf der Stelle zu drehen. 180 Grad für eine praktische Wende oder immer wieder im Kreis herum für Social Media? Alles möglich.

Talentiertester Offroader

Unabhängig von diesem Gimmick dürfte der EQG zu den wohl talentiertesten Offroadern unseres Planeten zählen. Wie man allerdings trotz der immensen Fahrwiderstände eine brauchbare Reichweite auf der Straße erreichen will, lässt Mercedes noch offen. Die gute Nachricht für Kraxel-Fans: der Stromverbrauch im Gelände ist dank der niedrigen Geschwindigkeiten und der hohen Effizienz der E-Motoren erstaunlich niedrig. Eine halbe Stunde Offroaden frisst nur ein paar Prozent SOC.

Trotz dieser Fähigkeiten verliert der EQG zwei Talente seines Verbrenner-Bruders: Als Zugfahrzeug wird er es wie die meisten Elektrofahrzeuge schwer haben, da nur geringe Reichweiten im Gespannbetrieb erreicht werden und auch als globales Abenteuermobil sind ihm infrastrukturelle Grenzen gesetzt. Dafür wird es aber weiterhin noch die Verbrennervarianten geben. Fans des zivilen G 500 mit Achtzylinder müssen sich aber sputen, denn mit der Modellpflege 2024 wird der V8 durch einen Reihensechszylinder ersetzt. Ab da ist der Achtzylinder exklusiv dem teuren AMG-Modell vorbehalten, wird aber vorher noch mit einem limitierten Editionsmodell gebührend verabschiedet. Apropos teuer: Zu den Preisen des EQG äußert sich Mercedes noch nicht. Wenn die Marge beim Elektromodell nur annähernd so hoch wie bei den Verbrennern ausfallen soll, dürfte sich der Preis eher in Richtung des über 187.000 Euro teuren AMG G63 bewegen.

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Fazit

Der EQG wird keine Abwandlung der G-Klasse, sondern eine G-Klasse mit E-Antrieb. Irre Geländegängigkeit, uriger Charme, klackende Türen und Aquarium-Raumgefühl sind bekannte Faszinationsgrößen. Für die Mehrheit der Käufer, die den G auf der Straße mit geringen Laufleistungen nutzen, könnte das Konzept gut passen. Für alle anderen gibt es weiterhin die Verbrenner, auch wenn der V8 künftig AMG vorbehalten bleibt.